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Filmkritik

Kein Happy End

»Meine Schwestern« ist ein unsentimentaler Film über das Abschiednehmen

  Kein Happy End | »Meine Schwestern« ist ein unsentimentaler Film über das Abschiednehmen

Dass die Geschichte kein Happy End findet, weiß man schon von der ersten Filmminute an, denn die, die sie erzählt, ist tot und wird gerade in den Leichenkeller eines Krankenhauses gebracht. Aber der Szene haftet nichts Dramatisches an. Im Gegenteil wirkt Lindas Stimme aus dem Off vollkommen entspannt, wenn sie von sich, ihrer Krankheit und den Hinterbliebenen erzählt.

»Mein Tod kam für mich nicht überraschend. Ich habe ihn erwartet«, sagt sie. Nach der Geburt gaben die Ärzte dem Kind mit dem Herzfehler drei Monate. Daraus wurden für Linda (Jördis Triebel) dreißig Jahre. Aber die Allgegenwart des drohenden Todes hat sich tief eingebrannt in die Familienstrukturen. Das »Wie geht es dir?« zur Begrüßung ist immer mit einem bangen, forschenden Blick verbunden. Linda ist die mittlere von drei Schwestern. Katharina, die Große (Nina Kunzendorf), war immer für sie da und hat sich um die Kranke gekümmert. Die übergroße Verantwortung hat sie zu einer starken, aber auch harten Frau gemacht, die sich nicht so schnell ins Herz schauen lässt. Die jüngere Clara (Lisa Hagmeister) hingegen wurde als kleinstes Geschwisterkind von der drohenden Gefahr abgeschirmt und geht auch als junge Erwachsene auf wackeligen Beinen durchs Leben. Als Linda ahnt, dass sie die nächste anstehende Operation nicht überleben wird, will sie das Wochenende vor dem Krankenhaustermin mit den beiden Schwestern verbringen. Von Hamburg aus geht es an einen kleinen Ort am Meer, wo sie als Kinder glückliche Ferientage verbracht haben. Zwischen Erinnerungen und wilden Dorfdisco-Abenden beginnen die festgefahrenen Familienstrukturen aufzubrechen. Einer spontanen Idee folgend geht es mit dem Nachtzug nach Paris, wo die Tante (Angela Winkler) wohnt. Derweil verschlechtert sich Lindas Zustand zunehmend. Immer wieder wird sie ohnmächtig, hält aber am Wochenendabenteuer fest, während die beiden Schwestern in der Sorge um sie aneinandergeraten.

Mit »Meine Schwestern« hat Lars Kraume (»Keine Lieder über Liebe«) einen Film über das Abschiednehmen gedreht, der nicht auf sentimentale Effekte setzt. Die narrative Vorwegnahme des Todes bestimmt von Anfang an den melancholischen Erzählton, mit dem sich der Film der Aufschlüsselung dieser besonderen Geschwisterkonstellation widmet. Ein wenig zu klar erscheinen zunächst die Rollenzuschreibungen zwischen der verantwortungsbewussten Ältesten und dem unselbstständigen Nesthäkchen. Auch im Off-Kommentar wird einiges ausformuliert, was man als Zuschauer gern selbst herausgefunden hätte. Aber diese Drehbuchschwächen werden von den differenziert aufspielenden Darstellerinnen mehr als wettgemacht. Jördis Triebel bringt ohne große Worte mit einer stillen Kraft die widerstrebenden Gefühle ihrer Figur zum Leuchten. Nina Kunzendorf ist großartig in der Rolle der älteren Schwester, die mit beiden Beinen im Leben steht, aber im Verlauf der Reise auch an die Grenzen ihres Pragmatismus gerät. Mit »Meine Schwestern« ist Kraume ein sehr aufrichtiger Film über Abschied, Verlust und Trauer gelungen, der ohne Rührseligkeit darauf verweist, dass geliebte Menschen über den Tod hinaus in uns weiterleben, weil wir ohne sie nicht wären, wer wir sind.


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