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Stadtleben

Solidarność reloaded

Gegen das drohende Aus des Polnischen Instituts in Leipzig regt sich Widerstand

  Solidarność reloaded | Gegen das drohende Aus des Polnischen Instituts in Leipzig regt sich Widerstand

Die Filiale des Polnischen Instituts in Leipzig fürchtet seit mehreren Wochen um ihre Existenz. Viele wollen eine Schließung nicht hinnehmen und versuchen, die Einrichtung zu retten, die seit 1969 polnische Kultur in Leipzig vermittelt. Jetzt kämpfen sie gegen ein System der Wegrationalisierung.

»Es kann nicht sein, dass das Institut geschlossen wird, nur weil Bürokraten irgendwelche Zahlen nicht gefallen.« Die kraftvollen Worte von Kazimierz Wóycicki, polnischer Publizist und Professor an der Universität Warschau, stoßen im Raum des Zeitgeschichtlichen Forums auf Resonanz. Sie fallen zum Abschluss der Konferenz »25 Jahre freie Wahlen in Polen und Friedliche Revolution in der DDR« Anfang dieser Woche. Nicht alle Stühle im Forum sind besetzt, trotzdem ist der unterstützende Beifall stark. Laut Botschaftssprecher Jacek Biegala ist die Filiale des Polnischen Instituts in Leipzig eine von vielen Einrichtungen weltweit, die der Operation »Diplomatischer Dienst soll rationalisiert werden«, wie Biegala es nennt, zum Opfer fallen. Der Prozess einer endgültigen Entscheidung über die Details dieser Rationalisierung könne sich noch über drei Wochen hinziehen. Es müssten zunächst »Pro-und-Contra-Listen« für alle betroffenen Institute erstellt werden.

Friedrich Magirius, Theologe und ehemaliger Stadtpräsident von Leipzig, erzürnen die Gerüchte und das Informationsvakuum. Anfang April suchte er deshalb das Treffen des Weimarer Dreiecks in Thüringen auf, um dem polnischen Außenminister Radosław Sikorski ins Gewissen zu reden. Magirius holte dort die thüringische Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht mit ins Solidaritätsboot.

Aber auch abseits der offiziellen politischen Bühne formiert sich Widerstand. Denn viele Menschen wissen, was sie dem Institut verdanken. Für Alexander Pehlemann, DJ und Veranstalter, ist es seine erste Lizenzplatte der »Dead Kennedys«, die er zu DDR-Zeiten im Polnischen Institut kaufen konnte. Heute blickt er auf gemeinsame Unternehmungen zurück, wie »Soundcheck Polska«. Auch sei ein neues Projekt im Herbst mit dem Institut in Leipzig geplant. Die drohende Schließung gefährdet nicht nur dieses Vorhaben, sondern auch direkte persönliche Verbindungen zwischen Leipzigern und Polen. Polnische Kultur und Politik erfuhren Besucher des Instituts immer durch einen »menschlichen Kanal«, sagt Kay Zeisberg. Ohne direkten Kontakt zu Mitarbeitern der Einrichtung zu haben, dokumentiert der Leipziger Publizist auf Facebook seit einer Woche die Wellen des medialen Protests. »Ich wollte dem Institut etwas zurückgeben.« Für ihn würden eine Quelle der Information und ein Ort exklusiver polnischer Kultur wegfallen.

Der derzeitige Blick nach Osteuropa kommt den »Oppositionellen« entgegen. Die Schließung strahlt ein schlechtes Signal aus. Auch wenn die Verantwortlichen in der Polnischen Botschaft derzeit keinen Kommentar abgeben, reißen die Solidaritätsbekundungen nicht ab. Ob Rainer Eckert, Direktor des Zeitgeschichtlichen Forums, oder Oberbürgermeister Burkhard Jung, sie alle nutzten die Konferenz – zumindest rhetorisch –, um das Schlimmste zu verhindern. Und das hat ja schon einmal funktioniert. Als 2008 das Institut vor der Schließung stand, konnten Sympathisanten genug Überzeugungsarbeit leisten: Das Institut wurde lediglich in eine Filiale umbenannt. Doch können die gesellschaftlichen Kräfte auch dieses Mal eine Schließung abwenden? Angesichts der Tatsache, dass Mitarbeiter des Instituts bereits Kündigungsschreiben erhalten haben, sieht es schlecht aus. Auch der Blick auf die Unterschriftenliste vom Referat für Internationale Zusammenarbeit der Stadt Leipzig ist betrüblich. Noch nicht einmal 100 Besucher der Konferenz unterschrieben – zu wenige, wenn man die Entscheidungsträger überzeugen will.


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