An dieser Stelle veröffentlichen wir das Editorial der September-Ausgabe des kreuzer. Interims-Chefredakteur Tobias Prüwer berichtet, was es im neuen Heft zu lesen gibt.
»Dunkel, dreckig, Reudnitz« – seinen schlechten Ruf bekommt der Leipziger Osten einfach nicht los, wie das (selbstironische?) Pflastergraffito im Lene-Voigt-Park zeigt. Ein Negativ-Image haftet ihm immer noch an, obwohl es seit mehr als zehn Jahren heißt: Das Quartier kommt! Zu Jahresbeginn rief ein Privatsender die Eisenbahnstraße grundlos zur gefährlichsten Straße Deutschlands aus. Dann machte sich die ARD lächerlich mit einem Beitrag über angebliche Wohnungsnot in Leipzig. Darin wird der Osten als »Assiviertel« bezeichnet, das ein Schuljunge aus der Südvorstadt nicht queren mag. Als es der Stadtteil bis in die »Tagesthemen« schaffte, da hatten sich die kreuzer-Autoren Clemens Haug und Torben Ibs schon daran gemacht zu erforschen und auszukundschaften, was sich denn so verändert hat im Quartier. Schon vor fünf Jahren hatte Wolfram Günther von der Denkmalstiftung im kreuzer-Interview festgestellt: »Eigentlich kann es im Osten nur bergauf gehen. Hier ist es schön, hier ist Platz und es ist vergleichsweise preiswert. Nicht zuletzt hat der Osten noch ein Image-Problem. Da muss also stetig als Mantra von dessen Schönheit und Buntheit erzählt werden.« (kreuzer 11/09) Und in der Tat, es beginnt auf dem Areal, wo früher die Leipziger Kohldörfer standen, wirklich zu boomen: Im Osten geht die Wonne auf. Die Karawane ist nämlich weitergezogen, Pioniere haben ihre subkulturellen Basislager hinterm Messehochhaus aufgeschlagen und senden Impulse für die Stadtteilumkrempelung aus. Was da also so vor sich geht und ob man sich Sorgen vor dem Gentrifidingsbums machen muss, ist in der Titelgeschichte zu erfahren.
Hinter dem journalistischen Rohrkrepierer in der ARD steckt allerdings ein reales Problem: Leipzigs Schulen sind überfüllt. Wo noch Plätze sind, leben nicht die nachfragenden Schüler. Rund hundert von ihnen müssen ab September durch die halbe Stadt gurken, um in den Genuss von Diktat und Klassenarbeit zu gelangen – auf absehbare Zeit wird sich am Engpass wohl auch nichts ändern (S. 18). Mit dem ergänzenden Interview zu Losverfahren und Wunschschulen gibt Björn Menzel seinen Einstand als neuer kreuzer-Politik-Redakteur. Der ausgebildete Journalist war Korrespondent für die Nachrichtenagentur dapd sowie Chefreporter und Ressortleiter Aktuelles beim Nachrichtenportal news.de. Stinkende Toiletten trieben ihn einst an, eine Schülerzeitung zu gründen. Wenn Menzel nicht für den kreuzer der Stadtpolitik auf die Finger (sc-)haut, ist er als Freischreiber für Spiegel-Online und Zeit.de unterwegs. Willkommen an Bord!
Dass Wachstum nicht alles ist, bildet die Grundannahme für die »Degrowth-Konferenz«. Die internationale Tagung bringt im September Fachleute, Praktiker und Aktivisten aus aller Welt in Leipzig zusammen, um sich über Theorie und Praxis des nachhaltigen und sozialen Wirtschaftens auszutauschen. Erstaunlicherweise kann Leipzig schon eine Stange an Projekten vorweisen, die den Post-Wachstums-Ansatz verfolgen. Welche das sind, erfahren Sie in der Magazingeschichte.
Mit dem Spätsommer legen die Akteure in der Stadt wieder ein paar Schippen drauf, was das kulturelle Angebot betrifft. Ob Filmkunstmesse oder das Theaterfestival »Off Europa«, diverse Konzerte, der Comicgarten oder der 20. Schaubühnen-Geburtstag, das kreuzer-Horn tönt: Mehr Kultur wagen!
TOBIAS PRÜWER (als Interims-Chef, weil der Kapitän im Urlaub weilt)
chefredaktion@kreuzer-leipzig.de
Was sonst noch im Heft steht: Inhaltsverzeichnis, Monatstipps und Einblicke zeigt die Leseprobe unseres ePapers.