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Politik

Rechtes AfD-Labor

Die sächsische Alternative für Deutschland vereint mehr Rechtspopulisten als die Bundespartei

  Rechtes AfD-Labor | Die sächsische Alternative für Deutschland vereint mehr Rechtspopulisten als die Bundespartei

AfD rein, NPD und FDP raus. Im sächsischen Landtagswahlkampf erhitzten die kleinen Parteien, allen voran die AfD, die Gemüter. Verständlich, experimentierte die Partei doch mit ultrarechten Ideen und ebensolchem Personal.

Mit 49,2 Prozent hat es am Sonntag nicht einmal mehr jeden zweiten Sachsen für die Landtagswahl an die Wahlurne gezogen. Für Aufregung im Wahlkampf sorgten einzig die kleinen radikalen Parteien. Mit 3,8 Prozent ist der bisherige Koalitionspartner der CDU, die marktradikale FDP, aus dem Landtag geflogen. Die Plakatwerbung der Partei reichte vom hilflosen »Sachsen ist nicht Berlin« hin zum populistischen »Diebe und Dealer stoppen«. Unverfroren am rechten Rand fischte dagegen der Wahlsieger des Abends, die AfD. Einige ihrer Slogans ähnelten  stark denen der NPD. Während Letztere ihrerseits mit knappen 4,95 Prozent nach zehn Jahren aus dem Landtag flog, hatten 9,7 Prozent der Sachsen ihr Kreuz bei der AfD gesetzt und somit 14 AfD-Politikern den Einzug in den Landtag ermöglicht. Die meisten Stimmen bekam die AfD von enttäuschten Anhängern der CDU, die sie nun in der Opposition von rechts attackieren wird. »Die AfD stellt offenbar für viele Wähler eine Alternative dar«, resümiert Hendrik Träger, Politikwissenschaftler an den Universitäten von Leipzig und Magdeburg. Ob der Erfolg langfristig sein wird, werde sich zeigen und sei vor allem von dem Auftreten der Partei abhängig. Als »reine Protestpartei« werde sie wahrscheinlich keinen langfristigen Erfolg haben.

Rechtsextreme Seilschaften

Kerstin Köditz, Landtagsabgeordnete der sächsischen Linkspartei, kann ihre Erregung am Wahlabend nur schwer unterdrücken. »Die Wähler wussten sehr wohl, was das für eine Partei ist«, schimpft die Rechtsextremismus-Expertin. Köditz‘ Mitarbeiter Volkmar Wölk, der für die Linke auch im Stadtrat von Grimma sitzt, beobachtet insbesondere die ultra-rechten Tendenzen in der Sachsen-AfD schon lange. Für ihn ist die AfD in Sachsen deutlich rechter als im Bundesschnitt. Als Schlüsselfigur benennt er Detlev Spangenberg, über Listenplatz 10 in den Landtag gewählt. Der ehemalige CDU-Politiker wurde noch 2012 zum Vorsitzenden des sogenannten Bündnisses für Freiheit und Demokratie bestimmt – laut Endstation Rechts ein »Sammelbecken für rechte Parteien und Vereine«. Über das noch heute bestehende Bündnis hat Spangenberg gleich mehrere ehemalige Funktionäre der rechtspopulistischen DSU in die AfD geholt. Dank seiner Schützenhilfe schaffte es beispielsweise der Ex-DSUler Tobias Keller in den Leipziger Stadtrat. Spangenberg hatte zuvor bei der rechten »Bürgerbewegung Pro Deutschland« unter anderem mit dem ehemaligen NPD-Abgeordneten Mirko Schmidt zusammengearbeitet – während Keller beim sächsischen Ableger von »Pro Deutschland«, »Pro Sachsen«, aktiv war.

Eine wichtige Rolle spielt hier die sogenannte »Patriotische Plattform«, ein von der Parteiführung geduldeter, aber nicht offiziell anerkannter informeller Zusammenschluss aus derzeit mehr als 50 Parteimitgliedern. Die meisten davon wohnen in Sachsen, viele in Leipzig, wo es auch einen Stammtisch gibt. Teil der »Plattform« sind neben von rechten Splitterparteien zur AfD übergetretenen Politikern auch Aktivisten vom Verfassungsschutz beobachteter Burschenschaften. Die »Plattform« richtet sich nach eigenen Angaben unter anderem gegen die »Herausbildung einer multikulturellen Gesellschaft auf seinem Boden« (gemeint ist wohl der Boden Deutschlands, Anm. d. Red.) . Auf Facebook kritisieren die »Plattform«-Mitglieder, die sich intern übrigens schon mal mit »Kamerad« oder »Patriot« ansprechen, außerdem eine angebliche »islamistische Unterwanderung«.

»Plattform«-Mitbegründer und Landes-Vize Thomas Hartung hat kürzlich auf Facebook einen Menschen mit Downsyndrom beleidigt. Hartung, der als Petrys Vertrauter gilt, verlor damit zwar Listenplatz und Vize-Posten, tauchte aber als nunmehr einfaches Mitglied sowohl als Wahlkampfhelfer als auch bei der Wahlparty in Dresden wieder auf. Parteichefin Petry hatte auch den Gründungssprecher der »Plattform«, den Islamkritiker Hans-Thomas Tillschneider, in den Landesvorstand geholt. So verwundert es nicht, dass auch das im März verabschiedete Wahlprogramm zahlreiche Ziele enthält, die von der »Plattform« übernommen wurden. Dazu zählen die »Volksabstimmungen über Moscheebauten mit Minaretten« und die »Einführung von permanenten Personen- und Güterkontrollen an deutschen Außengrenzen«.

»Freiheit« für den rechten Rand

Nicht vergessen werden darf auch die Übernahme zahlreicher ehemaliger Politiker der rechtspopulistischen Splitterpartei »Die Freiheit«. Ein Zuwanderungsstopp gehört laut Webseite ebenso zu den Zielen der Partei wie das Beenden des Schuldbewusstseins der Deutschen. Die noch heute bestehende Partei wendet sich außerdem gegen den Islam als angeblich »politische Ideologie«. Zahlreiche ehemalige »Freiheit«-Mitglieder wurden bestens in die Sachsen-AfD integriert. Einer von ihnen, Julien Wiesemann, ist heute sogar ihr Pressesprecher. Wiesemann kooperiert dabei eng mit der strammrechten Tageszeitung Junge Freiheit, die im Wahlkampf sogar ein Interview mit der Parteichefin erhielt. Bei der Partei »Die Freiheit« organisierte Wiesemann noch Aktionen wie ein »würdevolles Gedenken« der »Bombenangriffe auf Dresden« und wetterte über die »Medienhetze« gegen die Rechtsrock-Band Frei.Wild. Innerhalb der AfD bekommt der ehemals zersplitterte rechte Rand in Sachsen nun also die Gelegenheit, seine kruden Ansichten im Landtag kundzutun. Auch bei den anstehenden Landtagswahlen in Thüringen und Brandenburg bedeutet das mehr »Freiheit« für die Rechten.

Update: In einer früheren Version war zu lesen, der Leipziger AfDler und Ex-Mitglied der rechtspopulistischen DSU Tobias Keller sei auch Mitglied von »Pro Deutschland« gewesen. Tatsächlich war Keller beim sächsischen Ableger von »Pro Deutschland«, »Pro Sachsen«, aktiv.


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