Die Deutsche Bahn freut sich auf die Eröffnung der ICE-Schnellstrecke zwischen Berlin und München. So richtige Feierstimmung kann in Leipzig jedoch nicht aufkommen. Die Stadt wird vom Verkehrsstrom teilweise abgeschnitten.
Diese Leipziger Geschichte beginnt in der Thüringer Staatskanzlei. Bis 2003 residierte Bernhard Vogel als Ministerpräsident in dem repräsentativen Gebäude an der Erfurter Regierungsstraße. Der CDU-Mann habe dem Freistaat, so kolportieren es Vertraute noch heute, nicht viel Positives hinterlassen. Eine einzige Sache ist da allerdings, die Vogels politisches Erbe in einem guten Licht erscheinen lassen wird. Es handelt sich dabei um den Erfurter Hauptbahnhof und in diesem Zusammenhang die Entscheidung, die Thüringer Landeshauptstadt zu einem der wichtigsten Bahnknoten Deutschlands werden zu lassen. Ab 2016 ist es so weit. Die Deutsche Bahn spricht schon jetzt vom Beginn eines »neuen Bahnzeitalters«.
Dann nämlich ist nach etwa 20-jähriger Bauzeit der wichtigste Abschnitt des größten Infrastrukturprojektes nach 1990 fertig. Das Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nummer 8, kurz VDE8, verbindet dann die Städte Berlin und München mittels einer ICE-Hochgeschwindigkeitsstrecke. Rund zehn Milliarden Euro sind dann in das Projekt geflossen. Es wurden zahlreiche Brücken gebaut, kilometerlange Tunnel gebohrt und Bahnhöfe saniert, wie jene in Erfurt und Halle. Der Zug rauscht zukünftig in Berlin los und soll nach etwa 3:45 Stunden in München ankommen – er fährt mit einer Geschwindigkeit von bis zu 300 Kilometern pro Stunde. Die Bahn möchte mit dem Prestigeprojekt dem Flugzeug Konkurrenz machen. Das Problem dabei: Einige Züge werden dadurch an Leipzig ganz vorbeifahren. Andere Verbindungen führen nicht mehr direkt von Leipzig in die bayerische Landeshauptstadt.
Einer der Gründe dafür ist schlicht die Situation in Leipzig. Ein Kopfbahnhof kostet die Bahn mehr Zeit für das Ein- und Ausfahren als ein Durchgangsbahnhof. Ein anderer Grund ist die geografische Lage der Stadt. Für den Geschwindigkeitsrausch der Bahn ist die Strecke über Halle einfach direkter. Der Leipziger Verkehrsexperte Peter Hettlich zieht ein dunkles Fazit für die Zukunft des Leipziger Bahnanschlusses. »Die nach Berlin größte Stadt in Ostdeutschland ist für eine Anbindung an die schnellen Schienenfernverkehrsverbindungen ungeeignet. Nach der Inbetriebnahme des VDE8 wird sich daran auch nichts mehr ändern, da dann auch keine finanziellen Mittel mehr zur Verfügung stehen werden«, sagt der Mann, der einmal für die Grünen im Bundestag saß und dort als stellvertretender Vorsitzender des Verkehrsausschusses fungierte.
Es sei ein Grundfehler, auf der Strecke dem Flugverkehr Passagiere abjagen zu wollen. Bei der neuen Verbindung zwischen Berlin und München weiß noch niemand, wie viele Passagiere tatsächlich vom Flugzeug auf die Schiene wechseln werden. Ob das Projekt angesichts der irrwitzigen Baukosten ökonomisch erfolgreich sein kann, bezweifelt Hettlich. Für die Strecke Berlin–München rechnet die Bahn mit einem Passagierpotenzial von etwa 6.000 Menschen am Tag. Diese sind laut Hettlich vermutlich auch ohne das VDE8-Projekt über die alte Strecke entlang der Saale erreichbar, allerdings mit etwas längeren Reisezeiten. Für Leipzig heißt das nichts Gutes. »Es ist ganz klar eine Verschlechterung«, fasst der Verkehrsexperte zusammen. Jedoch entspreche das Vorgehen der Geschäftsphilosophie der Bahn, da es ihr egal sei, ob Passagiere ihr Ziel direkt oder per Umsteigen erreichen könnten.
Noch sind die Bahnhöfe in Leipzig und Halle Baustellen und die Bahn benutzt die neue Trasse zu Testzwecken. Doch nach derzeitigem Planungsstand wird spätestens ab 2018 nur noch alle zwei Stunden ein ICE über Leipzig von Berlin nach München fahren. In der anderen Stunde muss der Gast entweder in Halle oder in Erfurt in den Zug nach München steigen. Die Bahn denkt sogar schon einen Schritt weiter. Bei erhöhtem Aufkommen von Reisenden sollen weitere ICEs zwischen den Metropolen Berlin und München eingesetzt werden. Diese lassen Leipzig komplett links liegen. Der ehemalige Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Wolfgang Böhmer, hat bereits 2006 Klartext geredet. Halle an der Saale böte für das VDE8-Projekt viel bessere Bedingungen, die Leipziger könnten ja mit einem Shuttle nach Halle gebracht werden, sagte der CDU-Mann damals. Genau so wird es nun kommen.