Der sprachliche Waschzwang der No-Gidas ist auch in Leipzig angekommen und er ist Gift für die politische Auseinandersetzung. Ein Kommentar.
Die Idee kommt aus Dresden. Anfang Januar wurde zum »Neujahrsputz« gerufen. In Warnwesten und mit Besen wurde von da an hinter Pegida hergeputzt, um »Vorurteile und Rassismus aus der Stadt zu kehren«, hieß es auf der Facebook-Seite zu der Aktion. Sie kam gut an. Bis dahin war es den Bewohnern der Stadt nicht ansatzweise gelungen, ein Zeichen gegen Pegida zu setzen. Mit der Reinigungsaktion konnten sich laut Medienberichten, die den »kreativen« Protest wohlwollend bis euphorisch zur Kenntnis nahmen, einige Tausend Menschen anfreunden.
Man kann es ja verstehen: etwas tun zu wollen, was noch dazu schön einfach ist und schöne, symbolische Bilder bringt. Die Bekämpfung problematischer Äußerungen und Verhaltensweisen und ihre sprachliche Ausgrenzung als »Schmutz« ist allerdings schräg. Erst recht, wenn jede weitere inhaltliche Auseinandersetzung in Gestalt von Redebeiträgen und Transparenten – wie auf Wunsch der Dresdner Initiatoren der Reinigungsaktion – außen vor bleiben sollten.
Ohne Not macht sich dieser sprachliche Waschzwang allmählich auch in den Aufrufen zu den Nolegida-Protesten breit. Nolegida ruft bei Twitter auf, die Stadt »sauber zu halten« und jemand namens Sunshine zwitschert: »Hey, und vergesst nachher nicht eure Schrubber! Heute ist Waschtag«.
In dieser »aufgeräumten« Stimmung frage ich mich: Ist diese politische Reinheit eine Pflicht wie das Zähneputzen? Einige werden jetzt sicher stöhnen und denken, hier soll der gute und notwendige Protest in den Dreck gezogen werden. Aber darum geht es nicht. Denn: »Worte können sein wie winzige Arsendosen: Sie werden unbemerkt verschluckt, sie scheinen keine Wirkung zu tun und nach einiger Zeit ist die Giftwirkung da«. So beschreibt Viktor Klemperer das Problem in seiner Analysen Lingua tertii Imperii. Er greift dabei selbst auf eine Metapher zurück, weil Metaphern helfen zu verstehen. Doch Vorsicht: Unterschiedliche Metaphern provozieren verschiedenen Handlungsstrategien, sagt die Sozialpsychologie.
Politische Auseinandersetzungen sind oft von Metaphoriken durchtränkt. Die Dresdner Reinigungskräfte sind auch nicht die ersten in den Auseinandersetzungen mit den Gidas, die zu diesem sprachlichen Werkzeug greifen. Viele Städte knipsten Pegida das »Licht aus«, um die »Rassisten«, die ans Licht der Öffentlichkeit wollten, im Dunkeln stehen zu lassen. Ein metaphorisches Muster, das auch seine ambivalente Untiefen hat, weil, wie schon Brechts Mackie Messer sagte, man sie dort nicht sieht, auch wenn sie trotzdem da sind.
Zurück zu den »schmutzigen Gedanken« von Pediga beziehungsweise Legida. Um sich selbst als Saubermann darzustellen, hat Innenminister Markus Ulbig die Pegida-Organisatoren früh als »Rattenfänger« beleidigt, als diejenigen, die die heimtückischen und schmutzigen Tiere aus den Löchern locken. Viel mehr hat Ulbig Pegida nicht entgegenzusetzen. Das ist nicht verwunderlich, denn inhaltlicher kann jemand bei Abgrenzungsversuchen nicht werden, der stolz ist auf die sächsische Abschiebequote und eine Sonderkommission gegen straffällige Asylbewerber einrichten möchte. Doch eines muss man ihm wohl lassen: Wahrscheinlich ging es ihm auch um das saubere Image, um dass sich viele in Stadt und Land bis heute sorgen.
Und dazu passt leider auch die Vorstellung vom metaphorischen Schmutz, der symbolisch von der Straße gefegt wird, in der Hoffnung Weltoffenheit und Menschenfreundlichkeit würden darunter wie von selbst zum Vorschein kommen. Das ist natürlich naiv, aber auch eine Zumutung. Selbst wenn hier nur mit normalen und nicht mit dem »eisernen Besen« die politische Landschaft ausgekehrt werden sollte, trägt die Sauberkeitsmetaphorik einige historische Hypotheken.
Der Nationalsozialismus, der die Gesellschaft ohnehin zum Volkskörper degradierte, den es sauber zu halten galt, hat aus diesen Bildern in mehrfacher Hinsicht blutigen Ernst gemacht. Man muss vielleicht auch gar nicht mit der Nazi-Keule kommen. Unter erwünschte »Sauberkeit« verstand man in der DDR auch die Entfernung von Personen, die sich den Homogenitätsansprüchen der DDR nicht anpassen wollten. Und es gibt bis heute eine Vielzahl umgangssprachlicher Metaphern, in denen Minderheitenpositionen als Verunreinigung gedeutet werden. »Netzbeschmutzer« heißen dann die ungeliebten Kritiker.
Das ist die Sprache der Reaktion, der Ordnung-Sicherheit-Sauberkeits-Mentalität, die mit Pegida und Legida auf die Straße geht. Sprachlicher Putzzwang ist hier das Gift, das wirkliche Kritik, inhaltliche Auseinandersetzung und ein politisches Gegengewicht lähmt. Zugegeben die politische Debatte um Pegida und Co ist ziemlich abgegrabbelt, aber trotzdem nötig. Auf der Straße ist die rechte Revolte nur noch minder erfolgreich, aber natürlich sind weitere Zugeständnisse an das »Volk« im »Dialog um Asyl und Zuwanderung«, wie von der sächsischen Regierung versprochen, zu erwarten. Und nicht nur hier. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) nutzt die islamfeindliche Stimmung und vergleicht des Kirchenasyl mit der Scharia, um es abzuschaffen. Ganz real steigen die Übergriffe auf Asylbewerber. Es wäre also gut, sich selbst und seinen Protest ernster zu nehmen.
»Wegen Euch weint das Einhorn« – so oder so ähnlich steht es auf einen Schild, das immer wieder bei den Legida-Protesten auftaucht. Solche ähnlichen Spaßtransparente, deren scheinbarer Spott ins Leere läuft, weil sie nicht zutreffen und auf nichts zeigen, was diese rechte Bewegung, die bundesweit spaziert, gefährlich macht, verharmlosen eher noch.
Sollte man nicht besser »mit allen Wassern« gewaschen sein und wirkliche Kritik üben? An der scheinheiligen Rede der Weltoffenheit und Menschenfreundlichkeit, die mit oder ohne Pegida an den Grenzen Europas aufhört, an einer Demokratie, die für viele bedeutet bestimmen zu dürfen, wer dazugehören darf und wer nicht, an Islamhassern und Islamisten, die den wirklichen Spott der Blasphemie und Juden nicht ertragen können: Es gibt derzeit ziemlich viele Gelegenheiten, sich die Hände schmutzig zu machen.