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Kultur

»Wir haben es satt!«

»Bastel dir den Superverleger« macht auf die prekären Bedingungen der unabhängigen Verlage aufmerksam

  »Wir haben es satt!« | »Bastel dir den Superverleger« macht auf die prekären Bedingungen der unabhängigen Verlage aufmerksam

Am 13. März findet zum sechsten Mal die »UV – Lesung der unabhängigen Verlage« statt – trotz abgelehntem Fördermittelantrag. Mit einer originellen Fundraising-Aktion haben die Organisatorinnen Irina Kramp und Christine Koschmieder zu Beginn des Jahres den Blick auf die prekären Bedingungen hinter den Kulissen gelenkt: Bis zum 7. Februar konnte man sich auf der Website den »Superverleger« zusammenbasteln und vom Jutebeutel bis zur lebensgroßen Pappfigur (in der Deluxe-Version: mit weißer Weste) verschiedene Gimmicks erwerben. Wir sprachen mit Christine Koschmieder und Irina Kramp über den Preis der Unabhängigkeit, Selbstausbeutung und rote Socken im Literaturbetrieb.

:logbuch: »Bastel dir den Superverleger« – das klingt zunächst einmal witzig, ironisch und auch ein bisschen polemisch, hat aber einen durchaus ernsten Hintergrund. Wie kamen Sie auf die Idee für die Fundraising-Aktion?

CHRISTINE KOSCHMIEDER: Im Hintergrund steht eine Debatte, die seit Langem im Kultur- und Literaturbetrieb schwelt: Wie finanziert sich das, was sich das Etikett »Unabhängigkeit« angehängt hat? In Deutschland haben wir zwar eine recht reichhaltige Fördermittellandschaft, allerdings werden diese Fördermittel eingestellt, sobald sich ein Projekt etabliert hat, nach dem Motto: Jetzt könnt ihr das doch alleine finanzieren. Wir fragen uns, wie lange man sich – wenn man ernsthaft etwas auf die Beine stellen will – bei Ablehnungsbescheiden krumm machen darf und soll, um dann doch wieder die falsche Klientel anzubetteln, nämlich die eigenen ebenso prekären literatur- und kulturproduzierenden Freunde. Die Kampagne zeigt, dass irgendwann der Punkt kommt, wo man sagt: So, Freunde, jetzt geht es darum, Farbe zu bekennen und den Lackmus-Test zu machen: Wem ist diese Lesung wie wichtig?

:logbuch: In diesem Jahr haben Sie wieder einen Ablehnungsbescheid auf einen Förderantrag bekommen?

KOSCHMIEDER: Ja. Dabei ging es mit der Förderung der UV anfangs ganz vielversprechend los. Die ersten drei Jahre war die Finanzierung dank der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen sicher – eine Anschubfinanzierung, wie sich im Nachhinein herausstellte. Danach muss sich das Projekt selbst tragen. Was wir aber nie finanzieren konnten und auch in absehbarer Zeit nicht können werden, sind die Honorare für die 18 Autoren und drei Moderatoren, die den Abend bestreiten.

:logbuch: 2013 haben Sie es mit Crowdfunding versucht.

IRINA KRAMP: Das war nach dem Ablehnungsbescheid der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen, der sehr spät – zum Jahresende 2012 – eintraf, so dass Hast, Eile und Panik aufkamen. Da haben wir eine Crowdfundingaktion über die Leipziger Plattform VisionBakery gestartet; außerdem beteiligt sich die Leipziger Buchmesse seither finanziell mit einem Teilbetrag. Das ist etwas, das ich persönlich unterschätzt habe, als wir 2010 gestartet sind: Je länger es die Veranstaltung gibt, je etablierter und angesehener sie ist und je wachsender beziehungsweise solider ihre Besucherzahlen sind, umso stärker wird der Kampf um die Finanzierung. Ganz ähnlich läuft das übrigens bei der Autorenförderung: Für junge Autoren bis 35 gibt es viele Stipendienprogramme und Preise, aber für Autoren mittleren Alters kaum noch. Bis zum Büchner-Preis oder zur Auszeichnung des Lebenswerkes ist dann erst mal Essig. Die UV ist mit ihren sechs Jahren nun auch in ihren mittleren Jahren. Für uns wird es also die nächsten Jahre potenziell immer schwieriger.

KOSCHMIEDER: Es klingt ja zunächst auch plausibel: Dreimal angestupst, jetzt muss es von allein laufen. Aber da frage ich ein bisschen ketzerisch: Es ist doch in der Kulturlandschaft anerkannt, dass Institutionen – beispielsweise das städtische Theater – subventioniert werden. Das hat seinen Sinn, seine Richtigkeit und seine Notwendigkeit. Und das würde ich in einem Fall wie der UV auch gern beanspruchen wollen. Das nur als Antwort an die Adresse derer, die glauben, man könne den Wert beziehungsweise die Berechtigung von Kultur an ihrer Profitabilität messen.

:logbuch: Auf Ihrer Website äußern Sie sich aber auch kritisch zum Prinzip Crowdfunding, das ja ebenfalls nicht auf Nachhaltigkeit oder Dauerhaftigkeit angelegt ist.

KRAMP: Das kann es ja auch gar nicht sein. Für die Crowd sollte es reichen, zur Veranstaltung zu kommen, Eintritt zu zahlen, einen schönen Abend zu haben, drei Bier zu trinken und vielleicht noch ein, zwei Bücher zu kaufen. Das ist zumindest das, was man sich wünscht. Dass die Crowd aber maßgeblich dazu beitragen muss, damit die Veranstaltung überhaupt stattfinden kann, darf eigentlich nicht sein.

KOSCHMIEDER: Ich glaube, Crowdfunding führt auf eine gefährliche Fährte, die so aussieht, als wäre alles fun und cool und hip. Aber Crowdfunding ist Betteln. Zudem sind es nicht selten die Kulturschaffenden selbst, die doppelt und dreifach investieren, einmal durch die Organisation und zweitens, indem sie selbst noch etwas in den Topf werfen. Das ist Selbstbetrug. Ich finde Crowdfunding einen interessanten Ansatz, aber unter bestimmten Rahmenbedingungen und in anderen Ausmaßen.

:logbuch: Ein erklärtes Ziel der Kampagne ist es, den Blick auf die Produktionsbedingungen von Literatur zu lenken. Was ist Ihrer Meinung nach dabei besonders diskussionswürdig?

KRAMP: Wir haben 2010 die erste UV gemacht, und schon da war unser Anspruch: Wir machen diese Lesung richtig und ordentlich – nicht weil gerade Buchmesse ist und sowieso alle da sind und wir ein bisschen Spaß haben wollen. Literatur ist ja kein Hobby, sondern Arbeit. Lesungen sind ein wesentlicher Teil davon und sollen nicht zuletzt Einnahmen für die Autoren generieren. Wir sind froh, wenn wir mit der UV bei null rauskommen, was bislang jedes Mal der Fall war. Aber man fängt dann eben auch jedes Mal wieder bei null an. Nach der Veranstaltung ist vor der Veranstaltung.

KOSCHMIEDER: Dem Begriff des Schriftstellers haftet immer noch dieser Nimbus des Schöpfers und inspirierten Heroen an. Dieses Bild möchten wir gern noch einmal zur Diskussion stellen. Denn dahinter steht eben auch ein Handwerk, von dem man leben muss.

:logbuch: Sie machen das nun im sechsten Jahr. Da muss eine gehörige Portion Idealismus dabei sein. Wird man irgendwann zynisch?

KRAMP: Nein. Dafür bin ich nicht der Typ. Außerdem ist es ja auch nicht so, dass den Menschen in der Kulturförderung das Problem nicht ebenfalls bewusst wäre. Die machen und tun und rechnen und versuchen herauszuholen, was herauszuholen ist. Aber manchmal sind ihnen einfach die Hände gebunden. Das ist ein strukturelles Problem. Ganz abgesehen davon ist die Veranstaltung als solche einfach zu schön. Das Einzige, was ich als frustrierend empfinde, ist, dass die finanzielle Planung der Lesung viel mehr Zeit beansprucht als die Auseinandersetzung mit den Inhalten. So hatte ich mir das nicht vorgestellt, und so sollte es meines Erachtens auch nicht sein.

KOSCHMIEDER: Vielleicht können wir zynisch durch bodenständig oder realistisch ersetzen. Mich macht es nicht zynisch, sondern wütend zu sehen, wie eine Gruppe der immer selben Engagierten sich ausbeutet. Man sendet damit ein falsches Signal an die Förderinstitutionen, nämlich: Es geht doch. Diese Selbstausbeutung muss man sich aber erst einmal leisten können. Das funktioniert vielleicht noch, wenn man jünger ist und sich sagt: Ok, dann esse ich eine Woche Toastbrot oder gehe mal wieder ein bisschen Altglas wegbringen. Aber wenn man nicht weiß, wie man die Winterschuhe für die Kinder bezahlen soll, wird es schwierig.

:logbuch: Es gibt ein schönes Bonmot des Verlegers Kurt Wolff, der für sein nicht immer marktkonformes Vorgehen und das enthusiastische Fördern unbekannter Autoren bekannt war: »Am Anfang war das Wort und nicht die Zahl.« Man könnte einwenden: Wenn sich das Wort nicht bezahlt macht, dann ist das aber auch schlecht. Zugleich klingen in dem Zitat aber auch ein bestimmtes Selbstbewusstsein und eine Haltung an.

KOSCHMIEDER: Ich glaube, eine ähnliche Haltung versuchen wir auch in unserer Kampagne widerzuspiegeln, und zwar mit der Aussage: Wir haben es satt. Wir werden nicht mehr satt, und wir haben es satt. Ich weiß nicht, inwiefern es möglich ist, damit eine bekannte Debatte zum wiederholten Mal anzukurbeln, denn es ist ja ein ewig alter Stiefel: Kultur jammert. Solange wir aber ein zahnloser Tiger bleiben und es wie bisher weiterläuft, wird gar nichts passieren. Es sei denn, jemand mit einer feinen Antenne sagt sich: Das finde ich großartig, und erklärt sich bereit, die Patenschaft zu übernehmen.

:logbuch: Wäre das eine Option: Modernes Mäzenatentum?

KOSCHMIEDER: Prinzipiell oder für die UV? Denn das sind zwei verschiedene Fragen.

:logbuch: Beides.

KOSCHMIEDER: Für die UV könnte das vielleicht eine Option sein. Aber nicht für die gesamte Kulturförderung. Kultur ist Teil einer Gesellschaft, und die Gesellschaft hat einen Kulturauftrag. Kultur sollte nicht privatisiert werden, und Kulturschaffende sollten sich nicht abhängig machen müssen. Ein Wort, das ich gern in den Raum werfen würde, ist Solidarität. Genossenschaften sind ein interessanter Entwurf. Dass man wie beispielsweise bei der taz sagt: Das ist mir etwas wert, dafür zahle ich. Daneben steht die Frage im Raum, ob nicht die Verleger eine Teilnahmegebühr bezahlen sollten.

:logbuch: Aber das wollen Sie nicht?

KRAMP: Nein, und das hat etwas mit dem Grundverständnis der Veranstaltung zu tun. Denn gerade für unabhängige Verlage ist der Markt nicht besonders zugänglich. Die jetzt noch zur Kasse zu bitten, kommt mir unredlich vor. Es soll natürlich keinem verboten sein, sich finanziell einzubringen, Fördermitglied zu werden oder zu spenden. Aber ich kann mir nach wie vor nicht vorstellen, das zur Bedingung zu machen. Denn genau das ist eben nicht der Anspruch der UV, dass nur diejenigen dort vertreten sind, die es sich leisten können.

:logbuch: In diesem Jahr haben Sie das Programm sogar erweitert.

KRAMP: Ja, mit Lenos aus der Schweiz, Septime aus Österreich, Liesmich, Parasitenpresse, Klöpfer & Meyer, Fuchs & Fuchs und der Frankfurter Verlagsanstalt sind sieben neue Verlage bei der Lesung vertreten.

KOSCHMIEDER: Letztlich ist die Frage: Wem nutzt diese Veranstaltung, und wen bitten wir zur Kasse? Es gibt durchaus Verleger, die sagen: Danke, ihr habt etwas für mich getan, nun kann ich etwas zurückgeben. Die Rechnung, die Verleger verbindlich zur Kasse zu bitten, geht am Ende aber nicht auf. Es muss möglich sein, Nischenliteratur ein Forum und eine Bühne zu geben – ganz abgesehen davon, dass sich Institutionen wie die Buchmesse ja gern mit genau dieser Literatur schmücken. Dort gibt es jedes Jahr ein Motto oder Gastland, und es werden die sogenannten kleinen Literaturen in den Blick gerückt. Ich würde gern die Begriffe Spenden und Bitten ersetzen können durch die Begriffe Verantwortung und Solidarität. Darum geht es.

:logbuch: Für das Bastelset haben zwölf Verlegerinnen und Verleger wie Jörg Sundermeier vom Verbrecher Verlag, Britta Jürgs vom Aviva Verlag und Andreas Heidtmann vom Poetenladen symbolisch ein paar Accessoires zur Verfügung gestellt. Welche Reaktionen haben Sie insgesamt auf die Kampagne bekommen?

KRAMP: Die Rückmeldungen waren überwiegend sehr positiv. Die Verleger, die wir angefragt hatten, fanden das eine witzige Idee und haben gern Bärte, Brillen und Hemden gegeben.

KOSCHMIEDER: Sehr viel Unterstützung haben wir von Seiten der Autoren und Autorinnen erfahren, auch von solchen, die selbst gar nicht bei der Lesung am 13. März dabei sein werden. Pia Ziefle hat zum Beispiel rote Socken für uns gestrickt und handsigniert zum Verkauf gegeben. Robert Lucas Sanatanas stellt sich in die Tradition von Mark Twain und versteigert für die Kampagne seinen Bart – der übrigens sehr imposant ist. Was nun die großen Verlagshäuser, an die sich die Kampagne ja durchaus auch richtet, betrifft, da muss man sagen, es reicht nicht, einmal eine kurze Rundmail zu schicken, sondern man muss einen Jo Lendle von Hanser durchaus noch einmal persönlich ansprechen und insistieren: Lieber Jo, das ist schon ernst gemeint, die weiße Weste, die kannst du dir hier wirklich erwerben. Ein anderes Beispiel ist Luchterhand-Randomhouse: An einem Autor wie Edo Popović hat sich anfangs niemand einen goldenen Daumen verdient. Dann wird er bekannt, und schwupps: Luchterhand schnappt ihn sich. Bei diesen Verlagen klopfen wir noch einmal an, mit der deutlichen Ansage: Du bist gemeint. In dieser Hinsicht ist die Pappfigur des Superverlegers auch als symbolische Form der Ablösesumme zu verstehen.


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