Am Samstag wurde ein junger syrisch-kurdischer Sprachschüler in Reudnitz von einer Gruppe Männer angeschossen. Die Union kurdischer Studierender in Syrien und Deutschland fordert nun die Polizei auf, rassistische Motive bei den Ermittlungen in Erwägung zu ziehen.
Samstagabend in Reudnitz. Ein junger syrisch-kurdischer Sprachschüler ist gerade auf dem Heimweg, als er auf eine Kleingruppe von Männern stößt. Drei bis vier sollen es gewesen sein, klare Erinnerungen hat der Angegriffene momentan nicht. Die Gruppe unterhält sich auf Deutsch, bleibt etwa zwei Meter vor ihm stehen. Er sieht noch, wie ein Angreifer etwas aus seiner Jackentasche holt, hört einen Schuss. Dann wird alles schwarz.
Das Nächste, woran sich der Mann erinnern kann, ist, dass er am Torgauer Platz – etwa zwei Kilometer vom Angriffsort auf der Dresdner Straße entfernt – zu sich kommt. Er wird auf die Intensivstation gebracht. Die Ärzte finden ein Projektil in seinem Hals, einen Millimeter neben der Hauptschlagader, abgefeuert mit einer Schusswaffe unbekannter Art. »Er hatte wahnsinnig viel Glück, dass der Schuss die Hauptschlagader so knapp verfehlt hat«, sagt Marcus, ein befreundetes Mitglied der Union kurdischer Studierender in Syrien und Deutschland (UKSSD). Eine lebensbedrohliche Verletzung hat der Angegriffene demnach nicht erlitten. Aber es war Zufall, dass er nicht schlimmer verletzt wurde.
Warum es zu dem Übergriff kam, ist derzeit noch unklar. Der Schuss wurde ohne eine vorangegangene Interaktion oder Konfrontation abgefeuert. Auffällig ist jedoch, dass ähnliche Angriffe sich in der Gegend in den vergangenen Monaten häufen. Nur eine halbe Stunde nach dem Schuss wurden zwei junge Studierende unweit der Dresdner Straße von einem Mann, der dem rechten Spektrum zuzuordnen ist, bedroht. Dieser deutete gestisch an, den beiden den Hals durchzuschneiden, und fuhr auf seinem Fahrrad weg. Ob auch der Angriff auf den jungen Syrer Personen aus dem rechten Spektrum zuzuordnen ist, ist derzeit noch unklar. Übergriffe auf migrantisch wahrgenommene Studierende gab es jedoch in dieser Gegend in der letzten Zeit häufiger.
Auch die Angriffe auf ein Flüchtlingsheim in Tröglitz, die derzeit häufig als eklatanter Einzelfall betrachtet werden, reihen sich dabei in eine Kontinuität rassistischer Gewalt ein, die nicht erst seit Pegida in Sachsen und ganz Deutschland verstärkt ihren Ausdruck findet. Die Opferberatung RAA Sachsen e.V. verzeichnete im Jahr 2014 im Vergleich zum Vorjahr einen Anstieg rassistischer Gewalt um 90 Prozent. Von einer hohen Dunkelziffer ist auszugehen.
Nicht zuletzt deshalb fordern die Mitglieder des UKSSD die ermittelnden Behörden auf, ein rassistisches Tatmotiv »sorgfältig zu prüfen«. Der Studierendenverband veranstaltet am Dienstag um 18.30 Uhr auf dem Augustusplatz eine »Kundgebung gegen den rassistischen Normalzustand«, um »dieser Forderung Nachdruck zu verleihen sowie unserem Freund solidarisch zur Seite zu stehen«. Der Angegriffene liegt noch immer auf der Intensivstation.