anzeige
anzeige
Kultur

Zwischen Wasservölkern und Kleinstadtdrama

Die Lateinamerikanischen Filmtage in Leipzig gehen in die sechste Runde

  Zwischen Wasservölkern und Kleinstadtdrama | Die Lateinamerikanischen Filmtage in Leipzig gehen in die sechste Runde

»Wir sind alle Ströme desselben Wassers« – mit diesem Zitat beginnt die Dokumentation »Der Perlmuttknopf« des chilenischen Regisseurs Patricio Guzmán. Der Film wird in diesem Jahr die Lateinamerikanischen Filmtage in Leipzig eröffnen, bei denen vom 10. bis 25. November über 40 Filme aus verschiedenen Ländern Lateinamerikas gezeigt werden.

Die Lateinamerikanischen Filmtage werden seit 2010 jährlich vom Verein Sudaca veranstaltet, der selbst im Jahr 2003 gegründet wurde. Bereits 2005 gab es erste Vortragsreihen, kulturelle Veranstaltungen und Filmvorführungen mit lateinamerikanischem Bezug. Der Verein hat sich zum Ziel gesetzt, über die politische, wirtschaftliche und soziale Situation in Lateinamerika zu informieren, um so die Kultur der Länder nach Leipzig zu bringen.

Die kulturelle Vermittlung der Filme geschieht auf zwei Ebenen: einmal durch Dokumentationen, die persönliche Geschichten erzählen oder geschichtliche Ereignisse aufarbeiten. Auf der anderen Seite stehen Spielfilme, die soziale, politische oder wirtschaftliche Missstände aufzeigen. In die erste Kategorie fällt der Eröffnungsfilm »Der Perlmuttknopf«. Zu Beginn sich noch als Naturdoku tarnend, entwickelt sich der Film im Verlauf nur sehr langsam in die Richtung einer Geschichtsdokumentation.

Dabei widmet sich Regisseur Guzmán in seinem Film zwei Höhepunkten in der chilenischen Geschichte. Die erste Hälfte des Films beschäftigt sich mit den sogenannten »Wasservölkern« Chiles: Die Indianer der chilenischen Provinz Patagonien wurden im Verlauf des 18. und 19. Jahrhunderts nach und nach von der Regierung und Indianerjägern ausgerottet. Die wenigen direkten Nachfahren und Überlebende der »Wasservölker« sind die Protagonisten in diesem Teil des Films.

Dann jedoch springt der Film ins 21. Jahrhundert und erzählt die Geschichte der Verfolgten unter der Diktatur des chilenischen Präsidenten Augusto Pinochet. Unter dessen Herrschaft von 1970 bis 1994 sind mehr als 1.400 Regierungsgegner aus Helikoptern über dem Meer lebendig und gleichzeitig gefesselt abgeworfen worden. Die chilenische Küste erstreckt sich über 4.300 Kilometer. Dabei symbolisiert der Film das Meer als unabdingbar für die Identität und die Geschichte Chiles und seiner Bevölkerung. Das Wasser als zentrales Element – das ist wohl die Aussage von Guzmán.

Ein Film ganz anderer Art ist »Das Mädchen mit den gelben Absätzen« der argentinischen Regisseurin María Luján Loioco. Das Mädchen mit den gelben Absätzen ist die 15-jährige Isabel, die zusammen mit ihrer Mutter und ihrem jüngeren Bruder in dem kleinen, beschaulichen Dorf Tumbaya wohnt. Dort führt sie ein tristes Leben und wünscht sich nichts sehnlicher, als einmal in die große Stadt fahren zu können.

Als eines Tages ein Hotel in Tumbaya gebaut werden soll, kommt Isabel zum ersten Mal in Kontakt mit älteren Männern und wird sich dabei ihrer Reize auf das andere Geschlecht bewusst. Bald beginnt sie eine Beziehung mit einem der Bauarbeiter – doch dabei bleibt es nicht. Zu sehen, wie das junge Mädchen immer mehr leidet und nicht mehr zwischen richtig und falsch zu unterscheiden weiß, macht betroffen und traurig. Diese Hoffnungslosigkeit und Aussichtslosigkeit trägt bis zum Ende des Films, so dass dieses ebenso unbefriedigend ist, wie Isabel selbst ihr Leben empfindet.

Neben diesen beiden Beispiel-Filmen aus dem Rahmenprogramm finden sich aber auch noch vier verschiedene Sonderprogramme, die jeweils zu bestimmten Schwerpunkten Filme präsentieren. Das Sonderprogramm mit dem Titel »Der gefährliche Weg zum amerikanischen Traum« fungiert beispielsweise als Oberbegriff für drei Filme, die sich mit Lateinamerikanern beschäftigen, die den Versuch unternehmen, in die USA zu migrieren. Ein weiteres Sonderprogramm »Panorama Columbia« beschäftigt sich mit kolumbianischen Kurzfilmprojekten.

Die fünfzehn Tage ab Dienstag sind also gefüllt mit abwechslungsreichen und sehenswerten Spielfilmen, Dokumentationen und Kurzfilmen aus ganz Lateinamerika. Alle Filme werden in der Regel in Originalsprache und mit englischen Untertiteln gezeigt. Darunter sind neben internationalen Preisträgerfilmen ebenso kleinere Produktionen und Newcomer-Filme, denen das Festival die Gelegenheit bietet, ihre Werke erstmals der Öffentlichkeit zu präsentieren.


Kommentieren


0 Kommentar(e)