Um Legida ein Schnippchen zu schlagen, benannten Aktivisten den Richard-Wagner-Platz kurzerhand um in Refugees-Welcome-Platz. Nun soll der Stadtrat zum Thema debattieren – die Entrüstung auf Seiten der Wagnerianer und der Jungen Union ist groß.
Gemessen am Lärm, der ihnen entgegenschlug, haben die Leipziger Grünen alles richtig gemacht. Eine einzige Pressemitteilung brachte ihnen nicht nur bundesweite Aufmerksamkeit. »Gegen kulturpolitische Unvernunft!«, ließ der Leipziger Wagner-Verband sogleich wissen, der sich ebenso sicher in die Reflexfalle manövrierte wie die Junge Union (JU); vom Aufheulen rechter Publikationen und Gruppen ganz abgesehen. Eine symbolpolitische Parabel auf mehreren Ebenen. Was war passiert?
Um die fremdenfeindliche Legida zu piesacken, ihre wöchentlichen Aufzüge starten oft am Richard-Wagner-Platz, wurde dieser Ort mit entsprechenden selbstklebenden Straßenschildern temporär zum Refugees-Welcome-Platz erkärt. Für die dauerhafte Umbenamsung sprach sich dann die Bürgerinitiative »Leipziger Platzname – ›Refugees-Welcome-Platz‹« aus und erfuhr grundsätzlich die Unterstützung durch die Grünen. Das sorgte für die skizzierte Entrüstung, wobei sich die Aufschäumenden als schlechte Leser entpuppten. Die Grünen forderten keine Umbenennung, sondern setzen sich dafür ein, »dass im Stadtrat die Umbenennung … geprüft wird. … Bündnis 90/Die Grünen prüfen alternative Plätze, die in Refugees-Welcome-Platz umbenannt werden können.«
Das kann man ungut finden, einen richtigen Aufreger kocht man aus der Bitte um Prüfung aber nicht zusammen. Dennoch lässt das den Wagner-Verband natürlich nicht kalt, geht es doch um sein Vereinsmaskottchen und auch um die Vereinsadresse am Wagner-Platz Nummer 1. Da muss er reagieren und übers Stöckchen springen – die Grünen lancierten die Notiz doch auch nur, um auf den Busch zu klopfen.
Weil die örtliche JU am Wühltisch der Aufmerksamkeitsökonomie kein Geschick hat, wollte sie sich dieses Mal nicht lumpen lassen und verwandelte die Steilvorlage in ein Eigentor. Dass sich Wagner »nahtlos in die Leipziger Musiktradition um Bach oder Mendelssohn Bartholdy einreiht«, wie die JU formulierte, ist geschichtsvergessen. Immerhin richtete Wagner seine antisemitischen Tiraden besonders gegen Mendelssohn. Außerdem, meint die JU, sollten »vorübergehende politische Überzeugungen innerhalb einer Demokratie nicht in Straßen- und Platznamen festgehalten« werden. Antirassismus und das Gewähren des Grundrechts auf Asyl sind »vorübergehende politische Überzeugungen«? Man hofft, dass das kein freudscher Verschreiber, sondern Dummheit aus Reflex war.
Eine solche muss man auch einigen Vertretern unter den Umbenamsungsbefürwortern attestieren. Über die eher zur Gida-Rechts-Rhetorik passende Reinheitsfantasie der Initiative Platzname braucht man keine weiteren Worte zu verlieren. Es spricht für sich, wenn sie meinen, Legida »beschmutze« als »Feinde unserer Werteordnung wöchentlich unsere Stadt«. Die Diskussionen um den Platznamen zeitigten jenen pawlowschen Reflex, den Wagner stets hervorruft. Ja, er war Antisemit! Damit soll nachträglich die Umbenennungsforderung untermauert werden. Ernsthaft. Für den Augustusplatz und Willy-Brandt-Platz, wo Legida auch schon auftauchte, wäre das schwieriger geworden.
Aber warum dann nicht auch den Martin-Luther-Ring umbenennen, der hielt es auch nicht so mit der ältesten abrahamitischen Religion? Warum überhaupt darf No-Legida dieser Logik nach auf dem Goerdelerring gegendemonstrieren? Als Leipziger Oberbürgermeister engagierte sich Carl Goerdeler – bis 5. Dezember läuft eine Jubelausstellung im Senatssaal der Uni – 1934 in einer Denkschrift an Hitler für die »Konsolidierung der deutschen Rassenpolitik« und die Regelung der jüdischen Frage durch ein Sonderrecht. Er, wie viele andere Verschwörer des 20. Juli, waren keine Antifaschisten und ihr angepeiltes anderes, heiliges Deutschland, war fern von demokratischer Verfasstheit. Übrigens war Josef Wirmer – dessen Flagge mit dem Philippus-Kreuz Legida so gern mitschleppt – als Justizminister der Goerdeler-Regierung vorgesehen. So gesehen passt das Symbol ganz gut.
Eins lehrt die Reflexzonenblamage: Wer von Goerdeler nicht reden will, sollte zu Wagner schweigen.