Protest gegen klimaschädliche Braunkohle: Am Pfingstwochenende wollen umweltpolitische Gruppen im Rahmen der Kampagne »Ende Gelände« in der Lausitz Braunkohlebagger blockieren. Mit dabei sind auch Leipziger Aktivisten. Zwei von ihnen erklären die Ziele der Aktion.
kreuzer: Was ist »Ende Gelände«?
Tom: Wir sind ein Bündnis aus NGOs, Graswurzelbewegungen und organisierten linken Gruppen. Durch die verschiedenen AGs, lokalen Gruppen und so weiter sind inzwischen mehrere hundert Menschen bei Ende Gelände aktiv.
Ida: Wir denken, dass der Klimawandel nicht durch Regierungen und Klimakonferenzen wie letztes Jahr in Paris aufgehalten wird. Deshalb müssen wir Klimaschutz selber machen und blockieren vom 13. bis 15. Mai Kohlebagger, Förderbrücken und Abraumbagger in der Lausitz und hindern sie direkt daran, ihre klimaschädliche Arbeit zu verrichten.
kreuzer: Warum dieses Jahr gerade in der Lausitz?
Tom: In der Lausitz will dieses Jahr der schwedische Energiestaatskonzern Vattenfall seine Braunkohlesparte verkaufen. Wenn man diese Großinvestition in die Braunkohle tätigt, wird die Förderung und Verbrennung auf weitere Jahrzehnte festgeschrieben. Da die Politik den Prozess nicht verhindert, sagen wir: Wir sind das Investitionsrisiko! Die Kohle muss im Boden bleiben, Vattenfall muss seine Verantwortung wahrnehmen und einen gerechten, sozial-ökologischen Umbau finanzieren. Wenn da jetzt noch private Investoren einsteigen, wissen wir jetzt schon, dass wir denselben Mist erleben wie in der Atomkraft: Private Gewinne, aber die öffentliche Hand – also wir alle – bleibt auf den Kosten sitzen.
Ida: Im Verkaufsprozess haben die Bieterinnen feste politische Zusagen für eine Laufzeit der Kohleabbaugebiete verlangt. Klar, aus deren Perspektive macht das Sinn. Aber dagegen steht der jahrzehntelange Widerstand in der Lausitz, und dagegen steht nun auch »Ende Gelände«. Wir sagen: Diese sicheren politischen Bedingungen, dieses »ruhige Hinterland«, gibt es nicht. Wer in der Lausitz investiert, kauft den Widerstand mit.
kreuzer: Was sind eure Ziele?
Ida: Wir kämpfen in erster Linie für globale Klima-Gerechtigkeit. Wenn wir den Klimawandel auf zwei Grad Celsius begrenzen wollen, müssen wir jetzt aus der Kohle aussteigen.
Vattenfall soll den Tagebau abwickeln und die Kosten für die Renaturierung und die wirtschaftliche Umstrukturierung der Region übernehmen. Davor versuchen sie sich mit einem Verkauf zu drücken.
kreuzer: Wie bewertet ihr Deutschlands Rolle als »Klimaretter«?
Ida: Im Energiewendeland Deutschland wurden selbst im Jahr 2015 noch fast 50 Prozent der Energie aus dem dreckigsten fossilen Brennstoff, der Kohle, generiert. Während sich die Bundesregierung also gerne mit den Erfolgen der Energiewende brüstet, verschweigt sie die meiste Zeit, dass Deutschland gleichzeitig Braunkohleweltmeister ist: Kein Land der Erde fördert und verbrennt mehr Braunkohle! Das ist einer der Hauptgründe dafür, dass die Treibhausgasemissionen in Deutschland über Jahre hinweg nicht sanken, mit Ausnahme der Wirtschaftskrise von 2007 bis 2009. Die Braunkohleverbrennung mit ihren enorm hohen CO2-Emissionen ist die Klimasünde Deutschlands.
Tom: Die bestehende Gesetzeslage schützt die Kohle und das Land als Eigentum der Energiekonzerne, die mit deren Förderung Milliarden verdienen und die Umwelt zerstören. Das Bergrecht steht in Deutschland über dem Recht der Menschen auf ihren Wohnort. Der kann abgebaggert und die Natur zerstört werden. Wir stellen uns gegen diese Gewinnsucht auf Kosten der Menschen in der Region, der Umwelt und späterer Generationen. Vattenfall handelt mit dem Bergrecht legal, wir im Interesse des Gemeinwohls aber legitim.
Ida: Deutschland gibt sich nach außen immer als Vorreiter für Humanität und Umweltschutz. Die deutsche Wirtschaft trägt aber nicht zur Rettung des Klimas bei, im Gegenteil. Es ist ein Irrglaube, dass sich alle Probleme technisch lösen lassen! Es gibt gute Ideen und Ansätze, doch es kann auf einem endlichen Planeten kein unendliches Wachstum geben. Ich denke, solange an diesem Wirtschaftssystem festgehalten wird, das Wissen und die Technologie nur zur Geldvermehrung dienen soll, wird das auch so bleiben. Daher ist es auch in Deutschland leider schwer, gute Ideen, die sowohl sozial als auch klimafreundlich sind, zu realisieren. Allerdings gibt es auch positive Beispiele wie die vielen Solargenossenschaften, die damit anfangen, die Stromversorgung dezentral zu organisieren.
kreuzer: Letztes Jahr wart ihr im Rheinland, dieses Jahr in der Lausitz, wie geht es danach weiter?
Tom: Nach der »Ende Gelände«-Aktion an Pfingsten in der Lausitz geht es weiter mit dem Klimacamp im Rheinland und der Degrowth-Summer-School vom 19. bis 29.8. Dort wird es ein Aktionslabor geben, bei dem neue Formen des Widerstands erprobt werden sollen. Für 2017 planen wir, »Ende Gelände« wieder im Rheinland durchzuführen, um die Ergebnisse des Aktionslabors auf eine größere Aktion zu übertragen. Abgesehen davon gibt es natürlich weiter die Waldbesetzungen »LAUtonomia« in der Lausitz und im Hambacher Forst im Rheinland. Außerdem finden oft kleine Aktionen zu verschiedenen Themen statt.
kreuzer: Wie sieht die Braunkohle-Situation hier in Leipzig aus und welche politischen Aktionen gibt es hier?
Ida: Die Region hier ist stark von der Braunkohle-Nutzung geprägt, das Leipziger Neuseenland besteht aus 70 Quadratkilometern gefluteter Tagebaue. Südlich von Leipzig gibt es noch mehrere aktive Gruben und das Kraftwerk Lippendorf, das eines der schmutzigsten Kraftwerke Europas ist. Auch hier sollen weitere Dörfer abgebaggert werden, unter anderem Pödelwitz. Die Betreiberin des hiesigen Tagebau,s die MIBRAG, gehört dem gleichen Investor (EPH), der vermutlich auch die Braunkohle-Sparte von Vattenfall in der Lausitz kaufen wird.
Dort sind vor allem Bürgerinitiativen (BI) aktiv und haben schon manches erreicht: Es wurde bis 2015 viel Braunkohle nach Tschechien exportiert, das hat inzwischen aufgehört. 2014 sollte ein neues Kraftwerk in Profen gebaut werden, diese Pläne sind inzwischen aber in der Schublade verschwunden.
Während der Klimaverhandlungen in Paris fand eine Baggerblockade im Tagebau Vereinigtes Schleenhain statt. Die BIs kämpfen auch auf rechtlicher Ebene gegen die Tagebaue und sie sind gut mit anderen Initiativen aus den anderen Revieren vernetzt.
kreuzer: Warum fahrt ihr in die Lausitz bzw. ins Rheinland und engagiert euch nicht vor Ort, z. B. in Hohenmölsen?
Tom: Auch wir können nicht überall gleichzeitig sein, aber es stimmt nicht, dass wir uns hier nicht engagieren. Nur weil hier nicht 1.500 Menschen in die Grube gehen, heißt es ja nicht, dass hier nichts passiert. Gerade läuft z.B. eine Veranstaltungsreihe »Lass dich nicht verkohlen – Klimaschutz findest du nicht zwischen zwei Bionadeflaschen«, welche die Gruppe LeKlima organisiert.
Ida: Die einflussreichsten Akteure hier sind die BIs. Es gibt eine sehr aktive am Tagebau Vereinigtes Schleenhain, der das Kraftwerk Lippendorf mit Braunkohle versorgt und eine beim Tagbau Profen. Hier wird von der MIBRAG Braunkohle gefördert, werden Landschaften und Dörfer zerstört.