Zu Beginn ein kurzer Blick in den Kraichgau: »Dann spürst Du immer Treue auf unseren Dorfverein«: So klingt es am heutigen Sonntag in Sinsheim, wenn RB in die Erste Bundesliga gegen die TSG 1899 Hoffenheim startet.
Wer sich für Aufstiege in ländlichen Gefilden, Stadionneubauten und Fanhymnen interessiert – dem sei an dieser Stelle der Film zur TSG sehr ans Herz gelegt. Aber auch hier geschieht einiges am Sonntag: Um 12 Uhr startet die RB-Frauenmannschaft in die Landesliga. Der Gegner heißt SV Eintracht Leipzig-Süd und gespielt wird auf der Sportanlage Gontardweg. Was erst einmal harmlos klingt, hat in den letzten Wochen zu zahlreichen Protesten geführt.
Kurz zusammengefasst: RB wollte in einer Spielgemeinschaft mit dem Leipziger FC 07 in der Landesliga starten, um den aus den eigenen Reihen stammenden Juniorinnen eine Heimat zu geben. In diesem Wissen wurde auf der Staffeltagung die Mannschaft in die Landesliga eingeteilt. Die Spielgemeinschaft wurde aufgelöst und in den RB-Reihen finden sich etliche ehemalige FFV-Spielerinnen, die nach dem Abstieg aus der 2. Bundesliga den Verein gewechselt hatten.
Das wiederum kritisieren andere Landesligisten in offenen Briefen an den Sächsischen Fußball-Verband (SFV), weil sie darin eine Wettbewerbsverzerrung sehen. In letzter Konsequenz führte es dazu, dass am vergangenen Sonntag der Bischofswerdaer FV 08 zehn Minuten vor Anpfiff des Spiels gegen RB erklärte, dass er nicht antreten werde. In der offiziellen Stellungnahme vom 22. August ist zu lesen, dass der »Nichtantritt weder gegen die Frauenmannschaft von RB Leipzig und auch nicht gegen den Verein« zu interpretieren sei. Vielmehr richtet sich der Protest »gegen die Leitlinien des DFB, denen sich der SFV verpflichtet fühlen sollte«. Dies meint: Respekt und Fairplay.
Der kreuzer fragte bei RB- Nachwuchskoordinator Thomas Albeck nach – wie sich der Club im Frauen- und Mädchenfußball selbst verortet.
kreuzer: Herr Albeck, Sie arbeiteten lange Zeit als Jugendkoordinator für den VfB Stuttgart, der keine Mädchen- und Frauenmannschaften besitzt, dann für RB Leipzig und leiten nun das Sächsische Nachwuchsleistungszentrum für Mädchenfußball, das RB Anfang Juli vom FFV Leipzig übernahm. Unterscheidet sich ein Nachwuchszentrum für männliche und weibliche Jugendliche? An welchen Vorbildern – Leistungszentren und Frauenmannschaften – orientieren Sie sich?
THOMAS ALBECK: Prinzipiell sehe ich in der Herangehensweise keine Unterschiede. Egal ob männlich oder weiblich, bei uns gilt: Talente innovativ und planvoll zu fördern und zu Erfolgen zu führen. Durch unsere ganzheitliche Ausbildung in den Bereichen Sport, Schule/Beruf und Soziales sollen die bestmöglichen Voraussetzungen für eine optimale und langfristige Entwicklung geschaffen werden. Zudem soll unsere gemeinsame, spezielle RB-Spiel- und Ausbildungsphilosophie nachhaltig umgesetzt werden.
kreuzer: Existiert ein Zeitplan für die nächsten Jahre, wann und in welcher Liga die Frauenmannschaft von RB spielt?
ALBECK: Wir wollen natürlich so erfolgreich wie möglich sein. Ansonsten würde die Übernahme des Landesleistungszentrums auch keinen Sinn ergeben. Aber wir machen uns da keinen Druck, wann wir in welcher Liga ankommen. Wichtig ist, dass wir unsere Nachwuchsspielerinnen bestmöglich fördern und sie in den kommenden Jahren für die nächsten Level vorbereiten. Dazu gehört auch, dass wir unsere Frauenmannschaft mit Spielerinnen aus den eigenen Reihen bestücken, die mit unserer Philosophie vertraut sind.
kreuzer: Wann entstand der Plan für eine eigene Frauenmannschaft? Der FFV (damals 2. Bundesliga) und Eintracht Leipzig Süd (damals Regionalliga) traten 2014/15 beziehungsweise 2015/16 an RB heran, um eine Spielgemeinschaft anzustreben – woran scheiterten diese angedachten Kooperationen?
ALBECK: RB Leipzig engagiert sich seit mittlerweile vier Spielzeiten im sächsischen Mädchenfußball. Die ersten Spielerinnen des Jahrgangs 1999, die damals als jüngere C-Juniorinnen am Spielbetrieb teilgenommen haben, sind nun zu alt für den Juniorinnenbereich. Da war es für uns der nächste logische Schritt, in den Frauenfußball einzusteigen, um diese ausjährigen Spielerinnen bei uns zu halten und den vielen anderen Mädchen, die nun jährlich dem Nachwuchsbereich entwachsen, eine Perspektive zu bieten. Die mittlerweile etablierte und erfolgreiche Nachwuchsarbeit im Juniorinnenbereich ist damit die Basis für den Einstieg in den Frauenfußball. Wie und in welcher Weise wir in den Frauenfußball einsteigen, das wussten wir damals noch nicht. In der Vergangenheit gab es jedoch keine konkreten Kooperationsanfragen anderer Vereine.
kreuzer: Wann und warum wurde die Spielgemeinschaft mit dem LFC 07 aufgelöst?
ALBECK: Als die Vereine Leipziger FC 07 und RB Leipzig im Dezember vergangenen Jahres beschlossen, eine Spielgemeinschaft zu bilden, war nicht absehbar, ob der Spielbetrieb beider Vereine in anderer Form abgesichert werden konnte. Zur gleichen Zeit, als die Spielgemeinschaft für die Saison 2016/2017 vertraglich vereinbart und bereits gemeldet war, verschlechterte sich die Situation beim FFV Leipzig zunehmend, was in Auflösung dreier Frauenmannschaften des FFV endete. So schlossen sich ehemalige Spielerinnen des FFV Leipzig sowohl dem Leipziger FC 07 als auch RB Leipzig an, wo sie ihre neue sportliche Heimat sahen. Dahingehend änderte sich die personelle Situation. Aus diesem Grund sahen beide Vereine keine Beweggründe mehr in einer Weiterführung der Spielgemeinschaft zur Saison 2016/2017. Hinzu kommt, dass der LFC aufgrund des Zulaufs vom FFV eine weitere Frauenmannschaft gründete und diese als Team in der Landesklasse meldete. Doch da auf dieser Ebene die Spielordnung des Landesverbandes (SFV) greift, war es für die Spielgemeinschaft nicht möglich, über der eigenen höchstspielenden LFC-Mannschaft zu spielen. Dementsprechend ergab es keinen Sinn mehr, die Spielgemeinschaft aufrechtzuerhalten, denn die Spielerinnen sollen sich ja auf der höchstmöglichen Ebene messen und weiterentwickeln – und diese ist nun mal nicht die Landesklasse. Daher wurde die Spielgemeinschaft schließlich noch vor Saisonbeginn einvernehmlich wieder aufgelöst.
(Anm. d. Red.: Der Paragraf 71 besagt: Ist ein Verein in einer Altersklasse sowohl mit einer eigenständigen Mannschaft im Spielbetrieb vertreten, als auch an einer Spielgemeinschaft beteiligt, so kann in diesem Fall die Mannschaft der Spielgemeinschaft nur in einer Spielklasse unterhalb jener Spielklasse spielen, in welcher die eigenständige Mannschaft dieses Vereins spielt, davon ausgenommen ist die unterste Spielklasse auf Kreisebene.)
kreuzer: Warum wurde die Ankündigung des Kaders der ersten Frauenmannschaft innerhalb der weltweiten RB-Sportaktivitäten erst nach dem ersten Pflichtspiel im Landespokal der Öffentlichkeit mitgeteilt?
ALBECK: Da aufgrund der neuen Lage bezüglich der Auflösung der Spielgemeinschaft viele Sachverhalte und organisatorische Dinge kurzfristig abgewickelt werden mussten, folgte eine Kommunikation leider erst nach dem Pokalspiel, da bis wenige Tage vor der Partie aufgrund von fehlenden Spielerlaubnissen überhaupt noch nicht klar war, ob und wie das Spiel stattfinden würde.
kreuzer: Was stellt RB den Spielerinnen zur Verfügung?
ALBECK: Trainings- und Präsentationskleidung und Spielkleidung. Wie bei anderen Vereinen auch. Die Spielerinnen können – wie alle Nachwuchsfußballer und -fußballerinnen – darüber hinaus kostenlos zu Heimspielen der Profi-Mannschaft gehen.
kreuzer: Können Sie die Einsprüche der anderen Landesligisten verstehen?
ALBECK: Nur bedingt, da diese Vereine leider nicht die ganzen Hintergründe über die Abwicklung der Auflösung der Spielgemeinschaft hatten. Denn nachdem sich die Mädchen- und Frauenteams beim FFV Leipzig aufgelöst hatten und das Landesleistungszentrum von RB Leipzig übernommen wurde, war es wichtig, die besten Spielerinnen in Sachsen auch weiterhin bestmöglich zu fördern, um nicht – aus Sicht des Frauenfußballs in Sachsen – wieder bei Null anfangen zu müssen.
Darüber hinaus hätten Spielerinnen von den sportbetonten Schulen ausgeschult werden müssen, wenn sie nicht zu uns gekommen wären.
Das wäre unverantwortlich gewesen, diese Mädchen wegzuschicken. Die Spielerinnen, die zuletzt beim FFV Leipzig als auch dem 1. FC Lok, wo das Landesleistungszentrum vorher war, gespielt haben, sind froh, dass sie nun bei uns sind. Sie sind keineswegs dafür verantwortlich, dass in den vorherigen Landesleistungszentren nicht immer die richtigen Entscheidungen getroffen wurden. Wir wollen allen Talenten Sicherheit geben, eine nachhaltige Ausbildung zu erfahren. Denn am wichtigsten ist doch, dass die Spielerinnen ihrer großen Leidenschaft nachgehen können – und das war leider beim FFV nicht mehr vollends gegeben, da sie dort praktisch in der Luft hingen. Sie wollen doch lediglich in Ruhe Fußball spielen und sich entwickeln.
Zudem ist es nicht nachzuvollziehen, dass uns nachgesagt wird, wir würden bezüglich unseres Frauenteams nicht auf den Nachwuchs setzen. Wir haben elf Nachwuchs-Spielerinnen des Jahrgangs 1999 in den Kader der neuen Frauenmannschaft integriert – sechs von RB Leipzig, fünf vom ehemaligen FFV Leipzig. Dass der Sprung für diese Spielerinnen in den Frauenbereich nicht so leicht ist, ist ganz normal. Auf der Staffeltagung, bei der es um die Einstufung in die Landesliga ging, war zu keinem Zeitpunkt die Rede davon, dass wir nur mit Nachwuchsspielerinnen auflaufen sollen oder Ähnliches. Sondern der Beweggrund war der, dass wir unsere Talente so gut wie möglich fördern und bestmöglich in den leistungsorientierten Frauenfußball bringen wollen – und dies ist halt als Landesleistungszentrum in der Landesliga besser möglich als in der Landesklasse. Aber wir sind gewillt, den Mädchen die Zeit zu geben, die sie brauchen, um im leistungsorientierten Frauenfußball richtig Fuß zu fassen. Und auch im bisher einzigen Spiel, im Pokal, standen sechs ausjährige Nachwuchsspielerinnen im Kader, von denen drei durchgespielt haben.