An Christian Worchs letzter Leipzig-Demo im Juli 2007 nahmen ganze 37 Nazis teil. Schlussendlich ließen die »Kameraden« vor Ort den Hamburger Strippenzieher einfach auflaufen – und ziemlich allein. Seit 2001 hatte der Rechtsanwaltsgehilfe und Neonazi Leipzig 17 Mal als Aufmarschort auserkoren und es zur »Frontstadt« erklärt. Am 18. März will er nun wieder hier demonstrieren – oder es versuchen. Sein Ziel ist Connewitz.
Die Mär vom »roten Leipzig« hält sich hartnäckig. Historisch mag das als eine Wiege der Arbeiterbewegung begründet sein, gegenwärtig höchstens im Vergleich mit dem sächsischen Umland: Hier haben es Nazis schwerer, in der Öffentlichkeit Fuß zu fassen. Breitere Teile der Bevölkerung als anderswo fühlen sich zu Gegenprotesten aufgerufen, es gibt Antifa-Strukturen. »Links« ist Leipzig dadurch nicht. Aber mit Mythen ist es so eine Sache. Sie wirken einerseits selbstverstärkend und so mag auch der Mythos für viele Leipziger motivierend wirken, gegen Nazis nicht auszuschlafen und zu Hause zu bleiben. Andererseits begründet genau dieser Mythos die Obsession, die etwa ein Christian Worch mit Leipzig hat. Für ihn ist sie »Frontstadt«, die es zu besetzen gilt. So verhalf Worch mit seiner als Endlosschleife erscheinenden Demoreihe seinerseits dazu, das falsche Bild zu etablieren, Nazis seien in Leipzig in erster Linie ein auswärtiges, ein anreisendes Problem.
Nun ist Worch zurück und hat als Vorsitzender der rechtsextremen Kleinpartei Die Rechte eine Demo angezeigt; Motto »Heimat erhalten – Familien fördern – Zukunft gestalten!« Helmut Loris, Leiters des Ordnungsamtes, bestätigte dies gegenüber dem kreuzer. Zur Route führt er aus: »Es ist richtig, dass der angezeigte Aufzug nach Vorstellungen des Veranstalters durch die Südvorstadt von Leipzig führen sowie den Stadtteil Leipzig-Connewitz tangieren soll.« Und sagt zu einer möglichen Streckenverlegung und dem Agieren der Stadt: »Gegenwärtig wird eine Gefahrenprognose/Bewertung der Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erstellt. Dazu wurden verschiedene Behörden und Institutionen bereits involviert. Im Ergebnis wird die Versammlungsbehörde zur Abwehr konkreter Gefahren erforderliche Auflagen/Beschränkungen verfügen.« Ein erstes »Kooperationsgespräch« mit dem Anmelder sei seitens der Versammlungsbehörde für die neunte Kalenderwoche geplant – das ist die nächste Woche.
Als die Kameraden 2007 Worch im Stich ließen, schrieb ein Aktivist des »Freien Netzes« selbstbewusst und mit eigenwilliger Orthografie: »Die Aktionsfront in Lpz ist nicht ein Stück gewichen doch besteht sie auch nicht aus Druiden, welche irgendwelchen toten Strategien profilneurothischer Sturköppe hinterherlaufen.« Heute sind die lokalen Nazi-Akteure über die Hilfe vom nördlichen Ende der Elbe wieder ganz froh. Bereits bei der Demo am 12. Dezember 2015 wirkte Worch als Mitorganisator mit. Damals riefen Die Rechte zusammen mit Thügida und der Offensive für Deutschland (OfD) des Ex-Legida-Gründers Silvio Rösler zum Aufmarsch im Leipziger Süden – 150 Nazis kamen. Die damaligen massiven Gegenproteste bis hin zum Barrikadenbau werden für die Gefahrenanalyse und die mögliche Routenverlegung seitens der Stadt sicherlich kein unerheblicher Faktor sein.
OfD und Thügida mobilisierten ihrerseits bisher nicht öffentlich für den 18. März 2017. Ihr Erscheinen und Mitwirken ist aber wahrscheinlich. Sie sind mit Die Rechte vernetzt, ziehen alle drei dieselben Leute aus dem »freien« Nazi- und Nazi-Hool-Milieu. Die immer wieder auch in Leipzig auf rechte Gewalt-Macker machende Brigade Halle zum Beispiel hat via Twitter schon ihre Teilnahme angekündigt – mit einem Handgranaten-Motiv. Der Leipziger Alexander Kurth, Ex-NDPler und sächsischer Die-Rechte-Landesvorsitzender, fantasierte letztes Wochenende auf einer Thügida-Demo in Saalfeld davon, die Bundesregierung »in ein etwas anderes Dschungel-Camp zu stecken«.