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Kultur

Das Recht auf die Hälfte

Der Female Photoclub fordert Gleichheit und Sichtbarkeit ein

  Das Recht auf die Hälfte | Der Female Photoclub fordert Gleichheit und Sichtbarkeit ein

An der Kreuzung Käthe-Kollwitz-Straße/Gottschedstraße sind im Schaufenster der Bar Fotografien zu sehen: Frauenporträts, Menschen oder die Innenansicht eines Raumes.

Es handelt sich dabei um die erste öffentliche Präsentation des Female Photoclubs Ost. Er fand sich vor einem Jahr mitten im Lockdown zusammen und besteht aktuell aus zehn Fotografinnen und Fotojournalistinnen. Weitere Gruppen gibt es in Berlin, Frankfurt am Main, Köln, Hamburg, München und Hannover. Allen gemein ist das Anliegen, für die Gleichheit im Bereich der Berufsfotografie einzutreten.

Keinen halben Kilometer von der aktuellen Schau entfernt, befindet sich eine Gedenktafel für die erste Berufsfotografin in Deutschland, Bertha Wehnert-Beckmann. In der Elsterstraße nahe dem Elstermühlgraben ließ sie 1866 eine Villa samt Atelier errichten. Seit den 1840er-Jahren arbeitete sie selbständig mit einem eigenen Studio, gilt als erste Berufsfotografin der Welt. Abgesehen von Wehnert-Beckmann gab es seit Beginn des neuen abbildgebenden Verfahrens fotografierende Frauen, die dem nicht als Amateurinnen in ihrer Freizeit nachgingen. An der Leipziger Kunstakademie, die als eine der frühesten die Fotoausbildung 1893 in ihr Lehrangebot aufnahm, studierten Männer und Frauen von Anbeginn zusammen, anders als in den traditionellen Kunstgattungen.

Die historische Entwicklung bedeutet allerdings noch lange nicht, dass Gleichheit im Bereich Berufsfotografie herrscht. Gleichheit spielt beispielsweise bei der Vergabe von Aufträgen und der Bezahlung eine Rolle, was sich ja meist gegenseitig bedingt. 2019 untersuchte der Deutsche Journalisten-Verband und das Spiegel-Datenteam, wer die Cover von 30 populären Magazinen gestaltete. Die insgesamt 540 Titelblätter zeigten eine klare Unterrepräsentation von Fotografinnen und Fotojournalistinnen wie auch Illustratorinnen auf. Allein sieben Magazine vergaben kein einziges Cover an Fotografinnen. Selbst bei Frauenmagazinen stammten nur bis zu 20 Prozent der Cover von Fotografinnen. Lediglich das Magazin Eltern setzte zu 85 Prozent auf Frauen. Beim SZ- oder Zeit-Magazin lag die Frauenquote bei fast 30 Prozent.

Dies zu ändern und die Interessen der 600 Berufsfotografinnen in Deutschland zu vertreten, hat sich der Female Photoclub auf die Fahnen geschrieben. Im Januar 2021 und mitten im Lockdown initiierte die Leipziger Fotografin Claudia Masur eine lokale Gruppe, die sie nun gemeinsam mit Jasmin Zwick leitet. Daneben sind Sophie Valentin, Iona Dutz, Sabine Möbius, Antje Braga, Katia Klose, Dominique Wollniok, Christin Goy und Alisa Sonntag in der Gruppe vertreten.

Einmal im Monat trifft sie sich, um Arbeiten und die berufliche Situation zu besprechen. Als ersten gemeinsamen Auftritt organisierte das Team die Schaufensterpräsentation in der Gottschedstraße, wobei von Beginn an wichtig war, dass die Arbeiten auch bei einem möglichen neuen Lockdown öffentlich zugänglich sind. Von jeder Fotografin ist eine Arbeit zu sehen. Bei der sehr gut besuchten Eröffnung vor drei Wochen war vor allem das Interesse des Publikums an den Arbeiten sehr hoch, so Jasmin Zwick im Gespräch mit kreuzer. Die anwesenden Fotografinnen beantworteten viele Fragen zur Entstehung und zur Arbeitsweise, die bei klassischen Eröffnungen vielleicht nicht immer im Vordergrund stehen. Wichtig ist für die Gruppe, dass sie sich vernetzen, gemeinsam präsentieren und das Thema »Frauen in der Fotografie« in die Öffentlichkeit bringen. Zwick erklärt, dass mit der geringeren Öffentlichkeit von Fotografinnen auch weniger Aufträge verbunden sind, einschließlich Verdienstmöglichkeiten. Der Female Photoclub möchte aber nicht nur die ganz konkreten Arbeitssituationen gleichberechtigter gestalten, sondern auch die Strukturen von Vereinen und Verbänden zur Diskussion stellen. Nicht nur dort herrschen klassische männliche Netzwerke, die ihre eigene Struktur seit Jahrzehnten meist mit dem Spruch »Wir haben keine qualifizierte Frau gefunden« verteidigen. Eine Sensibilisierung gegenüber dieser Schieflage möchte das weibliche Netzwerk erreichen. Der Gruppe geht es dabei nicht nur um eine 50 Prozent Quote auf Covern und in Bildstrecken, sondern auch um den »weiblichen« Blick auf die Ereignisse. Klassische konservative Argumente wie das dabei oft spöttisch bedachte Verhältnis von Frauen und Technik sind dabei von vornherein auszuschließen, denn die Geschichte wie die der ersten Berufsfotografin lehrt das Gegenteil.

Neben der Präsentation im öffentlichen Raum entstand der Bildteil des kreuzer-Gastro-Führer Leipzig Tag & Nacht durch die Unterstützung vom Female Photoclub Ost. 2022 ist eine große Ausstellung geplant, die das ganze Spektrum des Clubs zeigen wird.

BRITT SCHLEHAHN

TITELFOTO: IONA DUTZ


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