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Die langsame Kurve

Handwerk am Lindenauer Hafen in der Backstube Hanisch

  Die langsame Kurve | Handwerk am  Lindenauer Hafen in der Backstube Hanisch

Michael Hanisch hat sich für den schwierigen Weg entschieden. In Zeiten, in denen viele Brötchen aus industriellen Großbäckereien kommen und in denen nur noch wenige Bäcker tief in der Nacht aufstehen wollen, um Brot frisch zu backen, in diesen Zeiten hat Hanisch eine Handwerksbäckerei neu eröffnet – noch dazu in einem Neubaugebiet.

Seit September 2022 empfängt die Backstube in der Hafenstraße die Kunden mit täglich vier verschiedenen Brotsorten und Brötchen, mit Kuchen, Kaffee und Eis – bislang noch von Dienstag bis Samstagmittag.

Was die Öffnungszeiten betrifft, überlegt der 40-jährige Bäckermeister aber gerade. Ein Versuch am Ostersonntag ergab ein relativ eindeutiges Ergebnis. »Wir haben nachmittags um 14 Uhr aufgemacht. Das Wetter war schön, innerhalb von zwei Stunden war unser ganzer Kuchen ausverkauft.«

Der Lindenauer Hafen ist nicht nur ein Neubauviertel tief im Leipziger Westen, dessen quadratische Architektur für Altbaufreunde gewöhnungsbedürftig ist. Es ist vor allem ein beliebter Ausflugsort, da man um die Hafenbecken herum schön spazieren gehen oder Abenteuerausflüge ins benachbarte Flächennaturdenkmal Schönauer Lachen unternehmen kann. Sehr viel potenzielle Kundschaft, die nur an den Nachmittagen der Wochenenden anzutreffen ist – das könnte ein Problem werden für Michael Hanischs freie Zeit. »Eigentlich sollte hier Sonntag und Montag geschlossen bleiben, wie es bei Bäckereien Tradition war«, erklärt er. Doch das ist schwer mit Kunden vereinbar, die mittlerweile frisches Backwerk an 365 Tagen im Jahr erwarten – auch sonntags.

Hanisch ist gebürtiger Waldheimer und kennt das Handwerk noch von seinem Onkel, dem Bäcker in einem kleinen Dorf nahe der mittelsächsischen Kleinstadt. Der Neffe machte seine Lehre außerhalb der Familie, arbeitete dann in verschiedenen kleinen und mittelgroßen Backstuben und kam so in der Welt herum. Er buk in Griechenland für die deutschen Gäste eines Ferienclubs neben Brötchen und Vollkornbrot auch Oliven-Feta-Stangen und Focaccia oder lernte in der Schweiz das traditionelle Ruchmehl und Ciabatta kennen. Seine beiden Ziele standen früh fest: der Meisterbrief und die eigene Backstube. Beides hat er inzwischen verwirklicht.

Ohne sich das trendige Label »Slow Baking« ins Schaufenster gehängt zu haben, backt Hanisch vor allem mit viel Zeit. »Ich verfolge hier die langsame Kurve«, erklärt er. Die Sauerteige für Brot und Brötchen ruhen bis zu 24 Stunden in einem speziellen Kühlschrank, der neben Kühlung auch verschiedene Garstufen einschalten kann. Um vier Uhr am Morgen geht das Licht in der Backstube an, damit die Kunden um 7.30 Uhr die frischen Brote und Brötchen kaufen können. Alle Rezepturen hat Hanisch selbst entwickelt, die Zutaten sind in der Regel nur Mehl, Wasser, Salz, etwas Hefe und ein guter Vorteig.

Hanischs Spezialitäten sind Vollkornbrote, die Vitalkruste, Dinkelkasten, Roggenvollkorn- oder Mehrkornbrot heißen. Die Qualität hat ihren Preis, die Brötchen sind teuer als im Discounter nebenan und ein Brot kostet rund fünf Euro. Die benachbarte Kita hat der Bäckermeister trotzdem überzeugt, sie bezieht alle Backwaren von ihm. Auch die Eltern kommen gern, wenn sie ihre Kinder abgeliefert haben. Und rütteln an den Öffnungszeiten: Ob man die leckeren Brötchen nicht vielleicht auch am Montag kaufen könnte?

Backstube Hanisch, Hafenstr. 15, 04179 Leipzig, Tel. 24 71 43 96, www.backstube-hanisch.de, Di–Fr 7.30–17.30, Sa 7.30–12 Uhr

Titelbild von Christiane Gundlach


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