anzeige
anzeige
Kinder & Familie

Achtsam durch die Schulzeit

Das Gymnasium am Palmengarten erfreut sich dank besonderer Ansätze und Fächer großer Beliebtheit

  Achtsam durch die Schulzeit | Das Gymnasium am Palmengarten erfreut sich dank besonderer Ansätze und Fächer großer Beliebtheit  Foto: Christiane Gundlach

Es ist Montag, 8.45 Uhr. Für die Oberstufe im Gymnasium am Palmengarten beginnt der Schultag. Acht Schülerinnen und Schüler sitzen im Achtsamkeitsraum auf Yogamatten. Nicht weil sie gleich Sportunterricht haben, sondern weil ihr Seminar »Resilienz und Persönlichkeitsentwicklung« beginnt. Es gibt hier keine Tische oder Stühle. Alle dürfen sitzen oder liegen, sich zudecken oder ein Yogakissen nutzen. Heute ist Klausurvorbereitung für die nächste Woche. Es werden Persönlichkeitstheorien aus der Psychologie abgefragt. Zwei Schülerinnen stellen Praxisbeispiele vor, wie man Stress abbauen kann – nicht unwichtig, da es bald Richtung Abitur geht. Das deutsche Schulsystem sei diesem Stress nicht gewachsen, findet der Achtsamkeits-Lehrer Benedikt Palandt. Es sei zu alt und traditionell. »Veränderung ist für mich dringend notwendig«, fügt er hinzu. »Vor allem in unserer schnelllebigen Zeit ist es für die Kinder wichtig zu lernen, wie sie mit Stress umgehen.« Wir unterhalten uns während einer Gruppenarbeit, ab und zu wird im Raum gekichert oder geflüstert. Bei der Meditation zum Schluss sind dann wieder alle still.

Die nächste Stunde übernimmt Schulleiterin Mandy Frömmel. Sie unterrichtet eine fünfte Klasse im Fach »Achtsamkeit«: 22 Kinder strömen in den Raum, auf einmal ist es laut und chaotisch. Die Lehrerin schlägt den Gong, der Unterricht beginnt, alle müssen leise sein und sich auf ihre Matte setzen. Zwei Jungen, die letztes Mal zu viel Quatsch gemacht haben, müssen sich in die erste Reihe setzen. »Wie fühlst du dich?«, beginnt Mandy Frömmel ihre Stunde. Mehrere Hände schnellen in die Luft, die Kinder möchten antworten und tun dies entweder frei oder mithilfe eines Wetterberichts. »Mir geht es heute nicht so gut. Wenn ich nach Hause gehe, muss ich für einen Test lernen«, sagt ein Kind in der dritten Reihe. »Bei mir scheint die Sonne, weil meine Oma heute kommt«, sagt sein Sitznachbar. Danach der »Body Scan«: eine Übung, bei der die Kinder lernen, ihre Körper achtsam wahrzunehmen. Kinder, die dabei unruhig sind, gibt es natürlich trotzdem. Zur Achtsamkeit könne man sowieso niemanden zwingen, erzählt die Schulleiterin wenig später auf dem Weg in die Mensa. Einschlafen dürfe man auch, das gehöre dazu. Zum Schluss jeder Stunde reflektieren alle gemeinsam den Unterricht und es wird in das Logbuch eingetragen.

Die Schule wird seit ihrer Öffnung 2017/2018 jährlich beliebter. Jedes Jahr möchten mehr als 100 Kinder mehr kommen, als die Schule Plätze hat – auch, nachdem die Schule eine weitere Klasse pro Jahrgang eingeführt hat und nun rund 170 Kinder aufnimmt, berichtet Leiterin Frömmel. Damit liegt das Gymnasium laut Landesamt für Schule und Bildung (LaSuB) an der Spitze der Anmeldungen fürs Jahr 2023. Zum Vergleich: Die zweitplatzierte Gerda-Taro-Schule verzeichnet bei ähnlicher Größe 67 Mehranmeldungen. Die Schule am Palmengarten hat sich deswegen bereits vergrößert: »Wir sind als fünfzügiges Gymnasium konzipiert, haben aber in fast allen Jahrgangsstufen sechs Klassen«, so Frömmel. Das ist nicht unüblich, weiß LaSuB-Pressesprecher Clemens Arndt. In regelmäßigen Planungsrunden zwischen dem Landesamt und der Stadt Leipzig werden aufgrund der Schulanmeldezahlen die Kapazitäten an den Schulen, also auch die Klassenzügigkeiten geplant. »So werden durch Klassenneugründungen mögliche Bedarfsüberhänge abgebaut, mit dem Ziel, möglichst vielen Schülerinnen und Schülern einen Platz an ihren präferierten Schulen zu ermöglichen«, berichtet Arndt. Wie an anderen staatlichen Schulen werden dabei Geschwister der Kinder an der Schule bevorzugt. Alle anderen Plätze werden gelost. Bei einem Schulwechsel in den oberen Jahrgängen entscheidet die Schulleiterin nach bestimmten Kriterien: nach dem Notendurchschnitt zum Beispiel, zudem beachte sie aus der Ukraine geflüchtete Kinder besonders bei der Auswahl, sagt Mandy Frömmel. LaSuB-Pressesprecher Clemens Arndt weist darauf hin, dass die Beliebtheit einer Schule nicht nur nach Anmeldezahlen zu bewerten sei und auch nicht nur von ihrem Konzept abhänge: »Die Realität zeigt, dass vor allem die Standorte hohe Anmeldezahlen verzeichnen, die sich in höchst dynamischen Stadtgebieten mit einem hohen Bevölkerungszuwachs befinden«, so Arndt. In Leipzig also im Westen, Zentrum, Süden und Norden.

Das Gymnasium am Palmengarten unterscheidet sich stark von anderen Schulen. Den speziellen Lehrplan haben Mandy Frömmel und ihre Lehrkräfte gemeinsam erarbeitet und vom Landesamt für Schule und Bildung genehmigt bekommen. So konnten sie Fächer wie »Verantwortung« für Acht- und Neuntklässler und »Achtsamkeit« für die Fünft- und Sechstklässler einführen. Eine weitere Besonderheit, die es so in Leipzig an keiner anderen Schule gibt: das »Klassenkochen« für alle Kinder von der sechsten bis zur neunten Klasse – für eine Woche wird der Schulalltag dabei mit Kochunterricht in der hauseigenen Mensa gefüllt. Pädagoge und Koch Olaf Praczyk zeigt den Kindern, wie sie saisonal, nachhaltig und gesund kochen. Je nach Team schnippeln die Kinder Gemüse, räumen Geschirr weg oder sind verantwortlich für die Essensausgabe. Von den tausend Gymnasiasten essen etwa 70 Prozent jeden Tag ihr Mittagessen hier.

»Achtsamkeit ist eine Haltung«, die sich durch alle Ebenen unseres Lebens ziehe, egal ob beim Essen, Lernen oder in der Freizeit, sagt Schulleiterin Mandy Frömmel. Sie freue sich darüber, »dass unser Konzept so viel Zuspruch bekommt und glaube daran, dass andere Schulen auch für sich und ihre Struktur neue Wege gehen können«.

> Schule am Palmengarten, Karl-Heine-Str. 22b, www.schule-am-palmengarten.de


Kommentieren


0 Kommentar(e)