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Kultur

»Das ist eine Supermusik, gerade für Kinder«

Reiko Brockelt über das anstehende Festival Kids Jazz L.E. und dessen Aus, nachdem es die Stadt nicht mehr fördert

  »Das ist eine Supermusik, gerade für Kinder« | Reiko Brockelt über das anstehende Festival Kids Jazz L.E. und dessen Aus, nachdem es die Stadt nicht mehr fördert  Foto: Jazzduo Timm Brockelt

Das Festival Kids Jazz L.E. findet an diesem Wochenende zum 14. und vermutlich letzten Mal statt. Der gleichnamige Verein begründet das Aus damit, dass die Stadt Leipzig das Festival nicht mehr fördert. Wir sprachen mit dem Leipziger Saxofonisten und Kids-Jazz-Mitgründer Reiko Brockelt über die Situation.
 

Was ist Kids Jazz L.E. für ein Festival?

Es ist das einzige seiner Art in Deutschland. Es gibt im Bereich für sehr junge Künstler sonst nur Wettbewerbe, aber keine Festivals, bei denen das Miteinander, der musikalische Austausch und der Kontakt mit der Musik im Mittelpunkt stehen. Vor 15 Jahren war es durchaus nicht normal, dass jüngere Kinder in Jazzbands gespielt haben. Ich fand aber immer: das ist eine Supermusik, gerade für Kinder, mit Improvisation und Interaktion. Damit kann man gar nicht früh genug beginnen.

Die teilnehmenden Kinder und Jugendlichen sind drei Tage hier, haben zusammen Workshops und Konzerte. All dies ist für die Kinder kostenfrei, sie werden außerdem verpflegt und untergebracht. Am dritten Festivaltag spielen sie in den hier neu entstandenen Workshopbands zusammen. Das ist sehr spannend.

Dieser Festivalabschluss findet am Sonntag 14 Uhr im Neuen Rathaus statt, richtig?

Im Jazz gibt es ja fast ausschließlich Abendveranstaltungen, bei denen auch Alkohol eine Rolle spielt. Ich fand es also wichtig, nach neuen Wegen und Möglichkeiten zu suchen und habe für unsere Veranstaltungen moderate Uhrzeiten ausgewählt und neutrale Orte, wo Eltern mit ihren Kindern einfach hingehen können. 

Richtet sich das Festival an bereits bestehende Ensembles oder an Neulinge ohne Banderfahrung?

Es bewerben sich Solisten und Bands, in diesem Jahr haben wir 70 Teilnehmende mit 10 Bands aus ganz Deutschland dabei. Man kann aber auch als Instrumentalist ohne Vorerfahrung im Bereich Jazz an den Workshops teilnehmen.

Wer leitet die Workshops?

In diesem Jahr Professoren und Studierende aus Leipzig. Da ist die hiesige Impro- und Jazzszene mit Michael Arnold (Saxofon), Thomas Prokain (Violine), Tom Friedrich (Schlagzeug), Sabine Helmbold (Gesang) und anderen vertreten. Es waren in früheren Jahrgängen aber auch Dozenten aus Norwegen, Israel, Russland und der Ukraine dabei. Das war natürlich toll für die Kinder, die verschiedenen Herangehensweisen kennenzulernen. Alle packen dann ihr Englisch aus und spielen einfach zusammen.

Diesmal kommen aber alle aus Leipzig?

Das hat zum Teil finanzielle Hintergründe, hat sich aber auch kriegsbedingt so entwickelt. Russen dürfen nicht einreisen, die Ukrainer können nicht mehr, die Leute haben wirklich andere Sorgen. Da bestimmte Nationalitäten, mit denen uns langjährige Zusammenarbeit verbindet, ausgeschlossen sind, hätte es für mich einen unangenehmen Beigeschmack gehabt, diese Leute einfach auszutauschen. Daher sind es in diesem Jahr nur Leipziger Musiker und Musikerinnen.

Wie würden Sie die Entwicklung des Festivals beschreiben?

Wir haben relativ klein angefangen, mit zwei Festivaltagen und wenig Leuten. Wir haben viel Feedback bekommen und die Internationalität war eine große Bereicherung, weil die Leute aus Osteuropa und Norwegen wirklich sehr gut waren. Vor zwei Jahren haben wir mit Israelis und Ägyptern zusammengespielt. Ägypter dürfen normalerweise nicht nach Israel einreisen. Dort also hätten sie sich niemals getroffen und zusammen Musik gemacht. Hier war das kein Problem. Das war ein wunderbares gelebtes Miteinander. Schade, dass die Stadt Leipzig der Meinung ist, dass sowas nicht mehr förderungswürdig ist.

Bisher wurde das Festival von der Stadt gefördert?

Wir wurden bisher im Bereich »Kulturelle Bildung« gefördert, mit 3.000 bis 5.000 Euro. Die Absage diesmal kam völlig unvermittelt. Wir haben in diesem Jahr einen städtischen Raum – den Festsaal des Neuen Rathauses – für die Konzerte gemietet, den müssen wir natürlich auch bezahlen. Das kostet uns 3.500 Euro, was andererseits auch bedeutet: diese Fördermittel würden direkt wieder an die Stadt Leipzig zurückfließen. Das heißt, die Stadt hätte uns letztendlich mit 1.500 Euro unterstützt, wenn wir 5.000 Euro bekommen hätten.

Wenn Mitte Januar dann so eine Absage kommt, ist keine Zeit mehr zum Reagieren. Man kann das so schnell nicht kompensieren. Die Beliebigkeit dieser Förderung empfinde ich als sehr schwierig. Wir, der Verein, machen das ehrenamtlich, seit 15 Jahren. In dem Verein bin ich der einzige Profimusiker, alle anderen fanden die Idee gut und engagieren sich einfach mit viel Energie für die Sache. Wir machen das nicht nur für uns selbst, sondern auch hier in Leipzig, für unsere Stadt. Wenn die Stadt dieses Engagement überhaupt nicht würdigt und gar keine Wertschätzung kommt, ist das sehr schade und man macht es nicht mehr.

Für Sie persönlich ist die Ablehnung der Förderung in diesem Jahr der Grund, aufzuhören?

Für mich als Vereinsvorsitzenden ist das jetzt das letzte Mal, ja. Ich denke, wenn Sachen in einer Stadt gewachsen und dabei gut sind und angenommen werden, ist es wichtig, diese zu erhalten. Man braucht dafür eine gewisse Planungssicherheit.

Es ist ein schwieriges Signal, wenn man dann jedes Jahr aufs Neue darum kämpfen muss, dass die Stadt vielleicht 5.000 Euro dazu gibt. Die Sache ist für mich erledigt, auch wenn es mir sehr leid tut. Natürlich hoffe ich, dass es vielleicht trotzdem, ohne mich, weitergeht. Vielleicht wird es einen Generationenwechsel geben. Das Festival steht ja und könnte im Grunde so weitergeführt werden, denn es funktioniert sehr gut und ist beliebt.
 

Auf kreuzer-Nachfrage bei der Stadt Leipzig zur ausgebliebenen Förderung des Vereins heißt es vom Kulturamt: »Die Nichtförderung des Kids-Jazz-Festivals in diesem Jahr hat keinen kulturpolitischen Grund, sondern ist das Ergebnis eines geregelten, mehrstufigen Verwaltungsverfahrens, bei dem verschiedene Faktoren zusammenwirken: die zur Verfügung stehenden Mitteln, die jeweilige Antragslage und die Qualität der individuellen Projektanträge. Im ersten Förderverfahren Kultur dieses Jahres haben das Kulturamt 428 Anträge auf Projektförderung mit einem Antragsvolumen von über 4 Millionen Euro erreicht. Vor dem Hintergrund der zur Verfügung stehenden Mittel kann das Kulturamt etwa die Hälfte davon (217 Anträge) mit einem Fördervolumen von ca. 1,9 Millionen Euro fördern. …Grundsätzlich wertschätzt die Stadt sowohl das Festival als auch die Arbeit des Trägers, gleichwohl müssen in einem geregelten Verwaltungsverfahren alle Anträge nach den gleichen Kriterien beurteilt werden.«

Zur Gemengelage städtische Förderung und Miete eines städtischen Raumes erklärt das Kulturamt: »Für den Ausgang des Förderverfahrens spielt der Veranstaltungsort zwar keine Rolle, gern hätte das Kulturamt jedoch zwischen dem Festival und der vermietenden Abteilung innerhalb der Verwaltung vermittelt, wenn der Träger auf uns zugekommen wäre. Unter Umständen hätte die Raummiete dann deutlich günstiger ausfallen können.«
 

> Kids Jazz L.E.: Jazzfest für Kinder und Jugendliche, 8.–10.3., Neues Rathaus, www.kidsjazz.de


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