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Kultur

Freisitz

Die Kinostarts der Woche

  Freisitz | Die Kinostarts der Woche  Foto: Filmstill

Rund um die Plagwitzer Markthalle im Leipziger Westen ist in den letzten Jahren ein lebendiger Ort entstanden, der von der Schaubühne Lindenfels im Sommer mit Filmen bespielt wird. Im Rahmen einer Aktionswoche für Lebensmittelkultur zeigt das Sommerkino zum Auftakt eine Reihe mit Filmen zum Thema. Dabei geht es in Dokumentar- und Spielfilmen ebenso um solidarische Landwirtschafts-Initiativen wie Gemeinschaft und Solidarität am Ort des Essens.

»Schaubühne Sommerkino: In Food We Trust«: ab 29.5., Plagwitzer Markthalle


Film der Woche: Okay, Triggerwarnung: Wer schulpflichtige Kinder hat, könnte in »Von Vätern und Müttern« unliebsame Erinnerungen an endlose Elternabende durchleben. Paprika Steen serviert in 97 Minuten eine Satire, die schmerzhafte Wahrheiten an den Tag legt. Ob man das lustig findet oder als realitätsfern abtut, liegt also am eigenen Standpunkt. Es bleibt aber nunmal ein Fakt: Wer sein Kind zur Schule schickt, muss sich mit den Eltern der anderen Kinder arrangieren. So ergeht es auch Piv (Katrine Greis-Rosenthal) und Ulrik (Jacob Lohmann). Ihre Tochter Hannah (Ida Skelbæk-Knudsen) soll auf eine Schule mit kreativer Ausrichtung, in der Hoffnung der Eltern, dass dort ihre Talente besser gefördert werden. Für die Sechstklässlerin ist es bereits der vierte Schulwechsel innerhalb kurzer Zeit. Meist scheitern die Institutionen am Anspruch der Mutter. Diesmal soll alles klappen, deshalb sind Piv und Ulrik auch sehr bedacht darauf, bei der gemeinsamen Hüttenfahrt einen möglichst guten Eindruck zu machen. Doch die augenscheinliche Harmonie innerhalb der Elternschaft trügt. Das Wochenende wird bald zur blutigen Schlammschlacht.

Ähnlich wie Sönke Wortmann für seine deutlich harmlosere »Eingeschlossene Gesellschaft« hat die vom Schauspiel in den Regiestuhl gewechselte Paprika Steen hier ein Ensemble bekannter dänischer Schauspieler*innen versammelt: Lisa Loven Kongsli (»Höhere Gewalt«), Carsten Bjørnlund (»Die Erbschaft«), Nikolaj Lie Kaas (»Brothers«), Lars Brygmann („Helden der Wahrscheinlichkeit“) – Die 13 Akteuren und Akteurinnen haben sichtlich Spaß in ihren Rollen und wer sich darauf einlässt, dass unter ihnen absolut keine Sympathieträger zu finden sind, kann sich über ihre Macken und Marotten genüsslich amüsieren. Zumindest bis zum nächsten Elternabend.

»Von Vätern und Müttern«: ab 23.5., Passage-Kinos


Alterslos sei sie gewesen, die österreichische Malerin Maria Lassnig. Dementsprechend passt es gut, dass sie im Film in jeder Phase ihres Lebens durch Birgit Minichmayr verkörpert wird. Kombiniert mit einer hybriden Erzählstruktur sorgt diese Besetzung dafür, dass die Chronologie des Lebens der Künstlerin in den Hintergrund, ihre Seele und Bilder, sowie die Bildsprache des Films, in den Vordergrund rücken. So bleibt das Zuschauererlebnis während des gesamten Films auf ästhetischer Ebene ein erfreuliches, selbst wenn die kleine Maria am Grab der Mutter deren multiple Abwesenheiten betrauert, oder unnachgiebig um ihren wohlverdienten Platz in der männerdominierten Künstlerszene kämpft. Jo Molitoris‘ Kameraführung transportiert Lassnigs emotionalen Lebensweg unmittelbar auf die Leinwand wo Bernd Fleischmanns Score Dimension und Wirkungskraft addiert. Bemerkenswert ist zudem Anja Salomonowitz‘ sorgsame Inszenierung des künstlerischen Schaffensprozesses Lassnigs. Man könnte dem Film mangelnde Abgrenzung zu etablierten Biopic-Klischees vorwerfen, würde man sich um Kritikpunkte bemühen. Da es sich aber weder um ein klassisches Biopic handelt und »Mit einem Tiger schlafen« in so vielen Punkten neue erzählerische Wege beschreitet, wäre das vermessen. Kunst- und Genreinteressierte werden den Film daher gleichermaßen genießen. LAURA GERLACH

»Mit einem Tiger schlafen«: ab 23.5., Passage-Kinos, Kinobar Prager Frühling


Einer der vielen kleinen Kinotrends der letzten Jahre besteht darin, dass namhafte Regisseure ihre eigene Sinnsuche in Bilder übersetzen. Paolo Sorrentino wäre da gleich mehrfach zu nennen, genauso wie Hollywood-Regisseur Alejandro González Iñárritu mit seinem Film »Bardo«. Der türkische Filmemacher Nuri Bilge Ceylan braucht den Vergleich mit solchen Größen nicht zu scheuen. Sein neuestes Werk »Auf trockenen Gräsern« erzählt von dem Kunstlehrer Samet, der aus Istanbul zum Pflichtdienst nach Anatolien versetzt wurde. Nach vier Jahren Dienst auf dem Dorf und unter widrigsten Bedingungen, möchte er nur zurück in die Stadt. Doch dann tauchen plötzlich Missbrauchsvorwürfe auf. Samet und sein Kollege Kenan sollen zwei Schülerinnen belästigt haben. Was als »Me-too« Fall funktionieren könnte, ist hier Anlass für den Protagonisten, sich endgültig seiner Midlife-crisis zu überlassen. Schwankend zwischen Selbstgerechtigkeit und Selbstmitleid, wähnt er sich über den Anderen, bis er der Englischlehrerin Nuray begegnet, gespielt von Merve Dizdar, die dafür in Cannes die Goldene Palme als beste Darstellerin gewann.

»Auf trockenen Gräsern« erzählt all das in etwas mehr als drei Stunden. Trotz dieser stattlichen Länge wird der Film nie langweilig. Ein starker Cast, ausgiebige Dialoge und eigenwillige Kameraaufnahmen entfalten eine Stimmung, der man sich gerne überlässt. Am Ende wünscht man sich fast, man könnte mit am Feuer sitzen, wenn draußen wieder der Wind heult. JOSEF BRAUN

»Auf trockenen Gräsern«: Passage-Kinos

 

Weitere Filmtermine der Woche

Valeria Is Getting Married
ISR/UKR 2022, R: Michal Vinik, D: Dasha Tvoronovich, Lena Fraifeld, Yaakov Zada Daniel, 80 min

Eine Ukrainerin reist nach Israel, um dort eine arrangierte Ehe einzugehen.

Schaubühne Lindenfels, 24.05. 17:45 (Aktuelles Kino aus Israel, OmU)


Paterson 
USA 2016, R: Jim Jarmusch, D: Adam Driver, Golshifteh Farahani, Kara Hayward, 115 min

Der Alltag eines dichtenden jungen Busfahrers, seiner quirligen Frau und ihres Hundes ist eigentlich völlig unspektakulär. Regisseur Jim Jarmusch gelingt es dennoch, das Besondere aus der gezeigten Banalität des Lebens herauszudestillieren.

Passage-Kinos, 24.05. 20:00 (Psychoanalyse trifft Film)


Moritzkino: DUMB MONEY – SCHNELLES GELD

Keith Gill (Paul Dano) ist Finanzmarktanalyst und dreht zu diesem Thema auch Youtube-Videos. So weit, so unscheinbar – bis zu dem Tag, an dem er alle seine Ersparnisse in die strauchelnde Aktie von Gamestop steckt.

Moritzbastei, 23.05. 20:00


Kenny
CAN/J, Dok, R: Claude Gagnon, 95 min

Kenny wächst ohne Beine und ohne Unterleib auf. Im Alter von 13 Jahren wird er von einem franko-kanadischen Filmteam begleitet, die dokumentieren, wie er sich ohne Beine durchs Leben schlägt.

Bibliothek Volkmarsdorf, 23.05. 18:00


Falke überm Haus
D 2023, Dok

Der Dokumentarfilm begleitet die Leipziger Musiker Timm Völker und Patrice Lipeb auf ihrer Reise durchs Hinterland zwischen Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen. Auf ihrer Reise begegnen sie Menschen, die abseits der Ballungszentren Kulturveranstaltungen organisieren.

Luru-Kino in der Spinnerei, 24.05. 18:00 (Premiere)26.05. 17:00


Blut muss fließen
D 2012, R: Peter Ohlendorf, 90 min

Undercover unter Nazis: Der Journalist Thomas Kuban auf seiner Reise durch Deutschland und Europa, um Neonazi-Konzerten und Rechtsextremismus auf den Zahn zu fühlen.

Cinémathèque, 23.05. 20:00 (mit Diskussion)


Alle die du bist 
D/E 2024, R: Michael Fetter Nathansky, D: Aenne Schwarz, Carlo Ljubek, Youness Aabbaz, 108 min

Nadine und Paul lernen sich im Braunkohletagebau kennen und lieben. Der Film erzählt ihre Beziehung über viele Jahre hinweg.

Passage-Kinos, 27.05. 19:00 (mit Regisseur und Hauptdarstellerin)


»Bleiben« / »Für immer«

Kurzfilme und Gespräch

Kinobar Prager Frühling, 27.05. 20:00


Çilingir Sofrası / A Night in Four Parts
TRK 2022, R: Ali Kemal Güven, D: Ahmet Rifat Sungar, Baris Gonenen, Gulhan Kadim, 60 min

Zwei alte Schulfreunde treffen sich nach vielen Jahren zu einem Rakı-Abend in Beyoğlu. Yusuf ist mittlerweile verheiratet und Vater geworden. Doch während sie die Gläser leeren, merken die beiden: In einem Land fernab von toxischer Maskulinität hätten sie eine ganz andere Geschichte haben können.

Ost-Passage-Theater, 29.05. 19:00 (Queer Eye Türkei, OmeU)
Cineding, 30.05. 19:00 (Queer Eye Türkei, OmeU)


Cow 
GB 2023, Dok, R: Andrea Arnold, 94 min

Die Oscar-gekrönte Regisseurin Andrea Arnold dokumentiert das Leben einer Milchkuh namens Luma.

Cinémathèque, 25.05. 19:00
 

Ernte teilen
D 2022, Dok, R: Philipp Petruch, 82 min

Anders ackern für die Zukunft: Visionen in der Landwirtschaft.

Sommerkino vor der Plagwitzer Markthalle, 29.05. 21:45 (In Food we trust)


Kiss the Cook
USA 2014, R: Jon Favreau, D: Jon Favreau, Robert Downey Jr., Scarlett Johansson, 114 min

Ein Gourmetkoch kündigt seinen Job und tourt mit seinem Kumpel und seinem Sohn in einem Sandwichwagen durch die USA.

Sommerkino vor der Plagwitzer Markthalle, 31.05. 21:45 (In Food we trust, OmU)


Die Folterkammer des Hexenmeisters
USA 1963, R: Roger Corman, D: Vincent Price, Debra Paget, Cathie Merchant, 87 min

Im Horrofilm basierend auf dem Roman von H. P. Lovecraft spielen sich im Jahre 1765 in einer Kleinstadt unheilvolle Dinge ab – junge Mädchen sollen spurlos verschwunden sein.

Luru-Kino in der Spinnerei, 29.05. 20:00 (Roger Corman-Doppel mit Donis)


Lebendig begraben 
USA 1962, R: Roger Corman, D: Ray Milland, Hazel Court, Richard Ney, 81 min

Der vermögende Guy Carrell fürchtet nichts mehr, als eines Tages lebendig begraben zu werden. Der Horrofilm von Altmeister Roger Corman basiert auf der Kurzgeschichte »Das vorzeitige Begräbnis« von Edgar Allan Poe.

Luru-Kino in der Spinnerei, 29.05. 22:00 (Roger Corman-Doppel mit Donis)


May December 
USA 2024, R: Todd Haynes, D: Natalie Portman, Julianne Moore, Charles Melton, 113 min

Exzellentes Schauspielerinnenkino von Todd Haynes: Natalie Portman als Schauspielerin Elizabeth besucht die skandalumwitterte Gracie (Julianne Moore), um ihre nächste Rolle zu recherchieren.

Passage-Kinos, 27.05. 19:00 (OmU, Preview)


Moonlight 
USA 2016, R: Barry Jenkins, D: Trevante Rhodes, Mahershala Ali, Naomie Harris, 111 min

Regisseur Barry Jenkins erzählt meisterhaft vom Erwachsenwerden eines Jungen unter schwierigsten Verhältnissen.

Passage-Kinos, 31.05. 20:30 (OmU, Passagen-Werke)


Pongo Calling
CZ/SVK/GB 2022, Dok, R: Tomás Kratochvíl, 78 min

Štefan Pongo ist LKW-Fahrer in London, der beginnt, Protestaktionen für die Gleichberechtigung der Roma-Community zu organisieren. Zwischen seinem Arbeitsplatz, intimen Gesprächen mit seiner Frau und seinen Kindern sowie öffentlichen Demonstrationen, schafft dieser Film ein authentisches Bild der persönlichen und politischen Aspekte seines Engagements.

Cinémathèque, 31.05. 19:30 (OmeU)


Queer Exile Berlin
D 2023, Dok, R: Jochen Hick, 105 min

Sechs queere Menschen unterschiedlichster Herkunft haben Berlin als ihre Heimat gewählt – entweder weil sie es wollten oder weil sie es mussten. Persönliche Geschichten werden in der Doku mit historischen und aktuellen Entwicklungen verglichen und bilden das Porträt einer Stadt, die Sehnsuchtsort und Herausforderung zugleich ist.

Passage-Kinos, 29.05. 20:30 (QueerBLICK)


Rascal does not Dream
J 2023, R: Sôichi Masui

Doppelte Anime-Adaption der Mangareihe von Hajime Kamoshida rund um den Highschool-Schüler Sakuta Azusagawa.

Cineplex, 28.05. 20:00 (OmU)


Shorts Attack: Cannes Competition Shorts

Die besten Kurzfilme aus dem Wettbewerb des letztjährigen Cannes-Filmfestivals.

UT Connewitz, 31.05. 20:00


The Tuba Thieves
USA 2023, Dok, R: Alison O’Daniel, 91 min

Eine Serie von Tuba-Diebstählen, die sich vor zehn Jahren in kalifornischen Schulen ereignete, ist Ausgangspunkt einer vielschichtigen und amüsanten Reflexion über Töne und Musik, wie diese sich in Bildern wiederfinden und mit Worten zu beschreiben sind. Camera Lucida 2023 beim Dok Leipzig.

Cinémathèque in der Nato, 28.05. 19:30 (Gespräch mit Gebärdensprache, OmU)


Year of the Horse 
USA 1997, Dok, R: Jim Jarmusch, 105 min

Jarmuschs Doku über Neil Young und seine Band Crazy Horse kommt dem Gestus der Musik sehr nah: geradlinig, ohne modischen Firlefanz. Ein Musikfilm im besten Sinne des Wortes.

Schaubühne Lindenfels, 27.05. 22:00 (OmU, The Independent Cinema of Jim Jarmusch)


 

 

 


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