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Kultur

Frisches Blut

Die Kinostarts der Woche

  Frisches Blut | Die Kinostarts der Woche  Foto: Filmstill

Die 24. Filmkunstmesse ist vorbei und die Augenlieder sind schwer. Aber der fünftägige Rausch durch die Hits der kommenden Saison fühlt sich trotzdem immer wie eine Frischzellenkur fürs Programmkino an. Neue Filme von Robert Eggers (»Nosferatu«) und Robert Zemeckis (»Here«), Festivalgewinner von Pedro Almodóvar (»The Room Next Door«) und Sean Baker (»Anora«) und einfach herrlichen Quatsch wie »Hundreds of Beavers« gab es zu erleben. Der Herbst wird spannend und die Kinos hoffentlich voll!


Film der Woche: Für Elisabeth Sparkle ist ihre Schönheit Kapital. Doch nicht nur ihr Stern auf dem Walk of Fame ist längst von Taubendreck verdeckt. Auch das Licht ihrer Aerobic-Show im TV droht auszugehen. Senderchef Harvey will sie mit einer jüngeren Version ersetzen und verschafft ihr einen unrühmlichen Abgang. In ihrem Stolz gekränkt, beschließt Elisabeth eine neue Droge vom Schwarzmarkt auszuprobieren. Sie spritzt sich eine zellreplizierende Substanz, die vorübergehend eine jüngere, bessere Version ihrer selbst erschafft. Das Ergebnis ist verblüffend und Sue der neue Fernsehstar. Doch der Geist, den Elisabeth rief, will nicht ohne Weiteres wieder in die Flasche. Die clevere Satire auf den allgegenwärtigen Schönheitswahn erhielt den Preis für das beste Drehbuch beim Filmfestival in Cannes und reiht sich damit gleich hinter den Gewinner der Goldenen Palme vor drei Jahren ein, Julia Ducournaus Body Horror-Meisterstück »Titane«. Auch Coralie Fargeats »The Substance« ist drastisches Genrekino aus weiblicher Perspektive, ein Mittelfinger gegenüber der misogynen Welt des Showbiz. Ein grellbunter Horrortrip ins Reich der Angst vor dem Verblassen. Gekrönt wird das vielschichtige Drehbuch von der entfesselten Darstellung Demi Moores, die hier gleichermaßen körperlich wie emotional bereit ist, bis an die Grenzen zu gehen und darüber hinaus.

»The Substance«: ab 12.9., Passage-Kinos, Luru-Kino in der Spinnerei


Mogadischu im Jahr 2000: Die neunjährige Samia Yusuf Omar rennt regelmäßig mit ihrem besten Freund Ali nach der Schule um die Wette – und gewinnt jedes Mal. Das Mädchen aus ärmlichen Verhältnissen träumt von einer Karriere als Profi-Läuferin, doch in ihrem von Krieg und Bürgerkrieg zerrissenen Heimatland Somalia ist ein solcher Berufsweg für Frauen undenkbar. Mit Unterstützung ihres liebevollen Vaters macht Samia trotzdem weiter mit dem Training und auch als Jugendliche gibt sie ihr Ziel selbst dann nicht auf, als Islamisten die Macht übernehmen und ein schwerer Schicksalsschlag die Familie trifft. Ihre Beharrlichkeit zahlt sich aus: 2008 nimmt sie an den Olympischen Spielen in Peking teil. Doch wie eine erzählerische Klammer gleich zu Filmbeginn zeigt, ist ihre auf Tatsachen basierende Geschichte damit noch nicht zu Ende. Für die aus Dortmund stammende Regisseurin Yasemin Şamdereli, die mit ihrem Kinodebüt »Almanya – Willkommen in Deutschland« 2011 bei Publikum und Kritik gleichermaßen erfolgreich war, war »Samia« ein Herzensprojekt, was man ihrem höchst bewegenden, zweiten Film anmerkt. Ilham Mohamed Osman und Riyan Roble sind in der Lebenslust und Energie versprühenden Titelrolle gleich zwei Entdeckungen und wenn der Abspann rollt, dürfte auch den Letzten klar sein, weshalb so viele Menschen in Afrika dazu bereit sind, die lebensbedrohliche Reise nach Europa auf sich zu nehmen. PETER HOCH

»Samia«: ab 19.9., Passage-Kinos


Ruth Beckermann (»Waldheims Walzer«) gehört zu den profiliertesten Regisseurinnen Österreichs. Die Dok-Leipzig hat ihr vor einer Weile gar eine Werkschau gewidmet. Nun kommt ihr neuster Film in die Kinos. Für »Favoriten« begleitete Beckermann drei Jahre die Integrationsklasse einer Wiener Volksschule (unsere Grundschule). Das Material, das sie währenddessen sammeln konnte, erzeugt beim Zuschauen rasch Nähe zu den fünfundzwanzig Schülern und ihrer Lehrerin Ilkay Idiskut. Die Kamera ist dabei, wenn zwei Kinder am Tisch leise miteinander streiten. Sie fängt Unterricht ein, ebenso Ausflüge zum Stephansdom oder in eine Moschee. Je älter die Schüler wurden, desto häufiger hat Beckermann sie beteiligt. Sequenzen im Stil von Heimvideos, bringen die kindliche Perspektive vollends zur Geltung. Mit ihren Handys filmen sich die Schüler dabei, wie sie über einen Wochenmarkt schlendern. Gegenseitig jagen sie sich über den Pausenhof und drehen Aufnahmen von Fragestunden zu Träumen, Ängsten, dem Land der Herkunft oder ihren Hobbys. Schade ist, dass die Eltern bei all dem ein wenig zu kurz kommen. Gerade für diese Klasse hätte man über manche Elternhäuser gerne mehr erfahren. Auch Herausforderungen, wie Druck von zuhause oder die mangelnde Personaldecke an der Schule werden zwar aufgezeigt, aber nicht weiter verhandelt. Man könnte das kritisieren. Doch das hieße zu verkennen, was der Film so eindrücklich zeigt. Wie Integration gelingt. Im Kleinen und jeden Tag. JOSEF BRAUN

»Favoriten«: ab 19.9., Passage-Kinos, Kinobar Prager Frühling


Weitere Filmtermine der Woche

Alles andere zeigt die Zeit
D 2015, Dok, R: Andreas Voigt

Letzter Teil des Leipzig-Zyklus: 25 Jahre nach »Leipzig im Herbst« besucht Andreas Voigt einige seiner Protagonisten.

Alte Handelsbörse, 27.09. 18:00 (mit Regiegespräch, Umbruch hautnah − Leipzig in Filmen der 90er)


Brazil
GB 1985, R: Terry Gilliam, D: Jonathan Pryce, Robert De Niro, Kim Greist, 143 min

In einer bürokratischen Diktatur wird in einer nicht näher definierten Zukunft ein kleiner Büroangestellter in einen dramatischen Verwechslungsfall hineingezogen: Anstelle eines gesuchten Terroristen ist ein unbescholtener Familienvater festgenommen und exekutiert worden. Faszinierende dystopische Satire von Terry Gilliam.

Luru-Kino in der Spinnerei, 25.09. 19:00 (OmU)


Deutschland Neu(n) Null
F 1991, R: Jean-Luc Godard,, D: Eddie Constantine, Hanns Zischler, Claudia Michelsen, 62 min

Der Essayfilm ist eine Reflektion über Politik, Geschichte und Kultur, zusammengefügt aus Dokumentarischem, Spielszenen und Filmausschnitten.

Schaubühne Lindenfels, 22.09. 18:30


Die Concierge
J/F 2023, R: Yoshimi Itazu, 70 min

Akino arbeitet in einem Kaufhaus für besonders wohlhabende, aber vom Aussterben bedrohte Tiere. Denen erfüllt sie jeden Wunsch, wenn es sich irgendwie einrichten lässt.

Regina-Palast, 24.09. 17:00 (OmU), 18:00 (OmeU), 19:00 (OmU)
Cineplex, 24.09. 20:00 (OmU)
Cinestar, 24.09. 20:00 (OmU)


Die lange Nacht der »Drei Farben«
F/PL/CH 1993/94, R: Krzysztof Kieślowski, D: Juliette Binoche, Julie Delpy, Jean-Louis Trintignant

Krzysztof Kieślowski nutzt in seiner preisgekrönten Trilogie die drei Farben der französischen Nationalflagge (Tricolore) als Titel und die drei Bestandteile des französischen Wahlspruchs Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit als Thema des jeweiligen Films.

Schaubühne Lindenfels, 21.09. 18:00 (Blau, OmU), 20:00 (OmU, Weiss), 22:00 (OmU, Rot)


Die Schule der Frauen tipp neu
D 2024, Dok, R: Marie-Lou Sellem, 108 min

Der Film beschreibt aus dem Gespräch von 5 Schauspielerinnen heraus, die sich seit der Schauspielschule vor 36 Jahren nicht mehr gesehen haben, anhand ihrer eigenen Erfahrungen die Situation von Frauen in der patriarchal geprägten deutschen Filmbranche.

Passage-Kinos, 23.09. 18:30 (Premiere mit Regisseurin)


Erinnerung an eine Landschaft – Für Manuela
D 1983, Dok, R: Kurt Tetzlaff, 80 min

Der Regisseur Kurt Tetzlaff begleitete über die Jahre hinweg den Untergang zweier Orte, die der Braunkohleförderung weichen mussten. Er zeigt den schmerzlichen Abschied der Menschen von den ihnen vertrauten Orten, die aufhören werden, zu existieren.

Ost-Passage-Theater, 25.09. 20:00


Getty Abortions
D/AT 2023, Dok, R: Franzis Kabisch, 22 min

Welche Bilder verbinden wir mit dem Thema Abtreibung und warum? In diesem Desktop-Videoessay wird untersucht, wie die Medien das Thema Abtreibung illustrieren.

Cinémathèque in der Nato, 25.09. 19:30 (mit Vortrag, OmeU)


Gustav-Adolf-Straße, Berlin
D 2024, Dok, R: Joris Rühl, Tawan Arun, 90 min

Doku über eine Stra­ße im Ber­li­ner Nord­os­ten, die seit 1990 einem tief­grei­fen­den Struk­tur­wan­del unterworfen ist.

Glasfabrik, 21.09. 20:30 (im Anshluss Regiegespräch, im Rahmen des Filmabends »Stadt im Wandel ­– Zwei Filme über Wandel und Widerstand in Berlin und Leipzig«)


Himmelskibet
D 1918, R: Holger-Madsen, D: Gunnar Tolnæs, Zanny Petersen, Nicolai Neiiendam, 97 min

Eine Reise zum Mars wie man sie sich vor 100 Jahren vorstellte – der dänische Science-Fiction-Film wird elektroakustisch begleitet von newsoundkino.

Cinémathèque in der Nato, 24.09. 19:30 (Stummfilm-Livevertonung)


Hütten sind für alle da
D 2023, Dok, R: Birk Poßecker, 91 min

Doku über den Leipziger Osten, ein Stadtviertel geprägt von Gegensätzen, Geschichten und einzigartigen Persönlichkeiten. Über einen Zeitraum von drei Jahren wurde der Osten mit VHS-Kameras porträtiert.

Glasfabrik, 21.09. 18:00 (im Anschluss Regiegespräch, im Rahmen des Filmabends »Stadt im Wandel ­– Zwei Filme über Wandel und Widerstand in Berlin und Leipzig«)


Reihe Architektur im Film: Monobloc
D 2021, Dok, R: Hauke Wendler, 95 min

Doku über die Geschichte des Monobloc-Stuhls.

Grassi-Museum für Angewandte Kunst, 24.09. 19:00


Poppy Field
RO 2020, R: Eugen Jebeleanu, D: Conrad Mericoffer, Alexandru Potocean, Radouan Leflahi, 81 min

Cristi, ein ungeouteter schwuler Polizist in Rumänien, wird zu einem Einsatz in einem Kino gerufen. Schwulenfeindliche Menschen haben die Vorführung eines LGBTQ-Films gestürmt und die Beamten sollen nun eingreifen. Vor Ort begegnet Cristi einem Lover, der droht, ihn auffliegen zu lassen.

Passage-Kinos, 25.09. 20:30 (OmU, QueerBLICK)


Rohbau
D 2023

Der ehrgeizige Bauleiter Lutz hat illegale Bauarbeiter angeheuert, um Kosten zu sparen. Doch es kommt zu einem tragischen Unfall. Am nächsten Tag wird ein Treffen mit Investor plötzlich durch die 14-jährige Irsa gestört, die nach ihrem Vater sucht. 

Passage-Kinos, 27.09. 18:45 (Premiere im Rahmen von »Junges Deutsches Kino«, Regisseurin und Hauptdarsteller zu Gast)


Shoplifters
J 2017, R: Hirokazu Koreeda, D: Kirin Kiki, Lily Franky, Sôsuke Ikematsu, 121 min

Der japanische Regisseur Hirokazu Koreeda (»Nobody Knows«) findet eine warmherzige Antwort auf die essenzielle Frage, was Familie bedeutet.

Stadtbibliothek, 26.09. 17:00


The Breakfast Club
USA 1985, R: John Hughes, D: Anthony Michael Hall, Emilio Estevez, Ally Sheedy, 93 min

Eine Gruppe Jugendlicher muss an einem Samstag wegen verschiedener Vergehen in der Schulbibliothek nachsitzen. Legendärer Coming-of-Age-Film von John Hughes.

Cinémathèque, 22.09. 19:00 (Im Rahmen der Reihe »Parallelwelten«, OmU)


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