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Kultur

Träumen von einem Ort

Das Tracks-Festival will die Aufmerksamkeit aufs freie Musiktheater Leipzigs lenken

  Träumen von einem Ort | Das Tracks-Festival will die Aufmerksamkeit aufs freie Musiktheater Leipzigs lenken  Foto: Nikolas Fabian Kammerer

»Wir fliegen unterm Sichtbarkeits-Radar und müssen da raus.« – Wir, das sind die Akteurinnen und Akteure sowie die Gruppen der Leipziger freien Musiktheaterszene. Der Leipziger freien Musiktheaterszene? Ja, die gebe es, erzählt uns Regisseur Jeffrey Döring. »Es arbeiten einige Gruppen in der Stadt, das sind bestimmt zehn Kollektive. Die Vielfalt ist groß, aber wir kennen uns zum Teil selbst kaum, arbeiten versprengt.« Das soll sich jetzt ändern. Darum hat Döring mit drei anderen Musiktheaterschaffenden das Tracks-Festival ins Leben gerufen, dessen Premiere Ende September ansteht.

»Das freie Musiktheater hat keinen Ort und keine Plattform«, sagt Döhring. Daher diene das Festival zwei Zielen: »Erstens wollen wir uns untereinander vernetzen, wir verstehen die Initiative als eine Interessenvertretung. Und zweitens wollen wir in der Öffentlichkeit gesehen werden.«

Tracks soll langfristig das Musiktheater zusammenführen. Dass sie am Anfang stehen, weiß das Festivalteam. Aber man müsse ja mal anfangen. Dafür werden nun drei Produktionen und die Ergebnisse eines Workshops gezeigt. Es wird eine Pitching-Bühne geben und ein Vernetzungscafé. Austragungsort sind die Räume vom Werk 2 und von den Cammerspielen, eine kleine Förderung gab es für das Festival.
Zwei der zu Produktionen liefen in Leipzig schon einmal: »Licht 24« (Ilka Seifert, Anja-Christin Winkler) lässt via Tracking das Publikum selbst produktiv werden: Dieses bewegt sich im Raum, untersucht spielerisch ein Lichtfeld und verändert es dabei. Als eine Art getanzte Totenmesse wird »Missa Nigra« (Damian Ibn Salem) mit der Musik des Leipziger Komponisten Friedrich Schenker zu erleben sein. Jeffrey Dörings eigenes Stück »Blaubarts Burg« beschäftigt sich dokumentarisch mit Alterseinsamkeit: »Ich habe Interviews geführt, aus denen ich zusammen mit einem Sounddesigner und einer Szenografin Szenen entwickelt habe. Es ist eine Annäherung, um zu sehen, wie sehr dokumentarisch man in der Oper arbeiten kann.« Darüber hinaus wird es Kurzszenen von verschiedenen Gruppen geben, um einen Eindruck von der Bandbreite der in Leipzig entstehenden Arbeiten zu vermitteln.

Wie im freien Sprechtheater oder Tanz bedeutet »freie Szene« im Musiktheater auch nicht einfach, an keinem Haus fest installiert zu sein. Das Label hat ebenfalls eine ästhetische Qualität, die Döring an vier Merkmalen aufhängt. »Es soll nicht das klassische Repertoiretheater nachspielen oder sich mit diesem dekonstruierend auseinandersetzen, etwa wenn man eine feministische ›La Traviata‹ zeigt.« Der Einsatz von zeitgenössischer Musik und deren Theatralisierung zähle ebenso dazu wie das Einbeziehen von elektronischen, performativen oder räumlich-installativen Elementen. Viertens arbeite die freie Szene verstärkt im Bereich partizipativer Formen wie Bürgerformaten und Chorkonstellationen.

Das Festival ist vor allem als Präsentation für die Öffentlichkeit gedacht. Zusätzlich soll es ein »Gedankenspiel« geben, wie die Organisatorinnen und Organisatoren es nennen. Darin sollen Akteurinnen und Akteure mit dem Publikum zusammen überlegen, wie ein Zentrum für zeitgenössisches Musiktheater in Leipzig entstehen könnte, was es beinhalten sollte und wie man es auf den Weg bringen könnte.

Dass es freies Musiktheater extra schwer hat, liege in der Besonderheit des Produktionsprozesses, sagt Regisseur Döhring: »Wir arbeiten mit Repetitor und Trainern in den Proben. Dann haben wir Livemusiker, weil unser Theater einfach von Livemusik lebt. Am Ende haben wir pro Produktion das doppelte Budget wie beim Schauspiel zu stemmen.« Dafür wäre ein eigener Ort fantastisch, meint Döhring, vielleichte so etwas wie der Westflügel, nur fürs Musiktheater. Mit der Oper Leipzig hat er schon gesprochen, dort würde sich ja das geschlossene Kellertheater anbieten, sagt Döhring: »Wenn ich mal träumen dürfte.« Die Gruppe führt weitere Gespräche und freut sich erst einmal über neue Öffentlichkeit. 

 

> Tracks: 24./25.9., Programm: www.freiesmusiktheaterleipzig.de/trax

> »Blaubarts Burg«: auch am 27./28.9, 19 Uhr, 29.9., 16 Uhr, ZiMMT


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