anzeige
anzeige
Kultur

Harmonium im Winterwald

Beim Euphorium-Festival werden außerordentliche Alltäglichkeiten inszeniert

  Harmonium im Winterwald | Beim Euphorium-Festival werden außerordentliche Alltäglichkeiten inszeniert

Euphorie in drei Akten: Ein abgefahrenes Multimedia-Projekt sucht erneut mit Klang, Raum, Farben und Bewegung die naTo heim.

Euphorium – besser hätte der Projektname gar nicht ausfallen können. Erlebt man Mit-Projektor Oliver Schwerdt, wenn er über das Vorhaben berichtet, wird man von seiner Begeisterung sofort mitgerissen. Der promovierte Musikwissenschaftler mit seiner roten Brille sprüht vor Passion, wenn er das Multiversum namens Euphorium beschreibt. Dessen dritten Akt gibt es im Dezember in der naTo zu erleben. Zu sagen, es handelt sich um einen Filmabend, wird der Sache nicht ganz gerecht.

Hinter dem Projekt steht das Euphorium Freakestra, ein loses Ensemble aus rund 80 Musikern, die schon zusammen aufgetreten sind. Den engen Kern bilden neben Oliver Schwerdt, zuständig fürs Musikalische, der Regieassistent Jan Filmkorn und der Sprechkünstler Friedrich Kettlitz. Das Trio – Schwerdt nennt es »Projektensemble für Klang, Raum, Farben und Bewegung« – kennt sich seit 1999 aus Eisenacher Tagen. Dann zog es sie nach Leipzig, wo sie mit ihrem Videozyklus begannen und zwei von ihnen weiterhin wohnen. Auf den ersten Streifen sind insbesondere »hochprofessionell improvisierte Alltagsbeobachtungen« gebannt, wie Schwerdt sagt, die miteinander verschränkt sind und merkwürdige Konstellationen ergeben. Die Szenen unkonventioneller Alltäglichkeiten sehen sich im zweiten Akt schon geformter an, was Schwerdt als Entwicklung wertet. »Wir sind jetzt mit noch stärkeren konzeptionellen Überlegungen herangegangen, haben inszeniert.«

Seine ansteckende Euphorie verwandelt sich in die ebenso leicht übertragbare Sogwirkung des Materials, welches sich der Kategorisierung versperrt. Sicher, es ist ein Film mit Musik und Lyrik, der auf dem dreitägigen Festival von Live-Happenings umrahmt wird. Mit dabei sind die ersten beiden, 2003 und 2004 produzierten Akte.

Der dritte Akt soll nun einen Gipfel – vielleicht auch nur einen Zwischengipfel – der gemeinsamen Arbeit bilden. So viel kann schon verraten werden: Es geht abgefahrener zu als in den Vorgängern. Lose zählt Schwerdt ein paar Handlungsstränge auf, die das filmische Projekt ebenso unfest verweben: Junge Musiker werden von einem geheimnisvollen Alten in einer Jugendstilvilla beobachtet. Ein Euphorium-Auftritt in der Oper zu den Jazztagen erscheint als realer Traum, viele bekannte Leipziger Ecken bilden Aktionsorte in ganz neuem Licht. Und während sich das Ensemble zu »groovig elektrifizierter Musik« (Schwerdt) selbst musealisiert, rauscht ein Harmonium durch den Winterwald.


Kommentieren


0 Kommentar(e)