Donnerstagnacht haben radikale Gegner des Moscheebaus in Gohlis ein brutales Zeichen gesetzt: Aufgespießte Schweineköpfe und eine abgebrannte Mülltonne lassen Böses ahnen.
Am Nachmittag ist der Spuk schon wieder vorbei. Fast. Ein Fetzen Polizeiabsperrband hängt noch schlapp am Baum auf dem verwilderten Gelände, wo bald die Moschee der islamischen Ahmadiyya-Gemeinde stehen soll. Ein Trampelpfad zieht sich diagonal über das Gelände; fast alle, die von der Bleichertstraße auf die Georg-Schumann-Straße abbiegen wollen, kürzen hier ab. Rechts und links, wo das Gras platt getrampelt ist, sind die dunkelroten Blutlachen noch gut zu erkennen und ebenso unübersehbar die Reste der heruntergebrannten Mülltonne. Sie sprechen eine Sprache, die zumindest von allen, die hier vorbeikommen, verstanden wird.
Ein mit Plastiktüten bepacktes älteres Ehepaar bahnt sich unbekümmert den Weg. »Da kann ich nun nichts dagegen sagen«, erklärt die Frau. Die würden das machen, weil die nicht wollen, dass das »Ding« hier gebaut werde. Sie will das auch nicht. »Ich bin ja sowieso schon gegen Ausländer, das ist ja kein Deutschland mehr«, erklärt sie und deshalb ist sie auch nicht mit dem Bus nach Berlin gefahren, um sich die dortige Moschee der Ahmadiyya-Gemeinde anzusehen. Ihr Mann zieht sie weiter, die würden ja eh machen, was sie wollen, sagt er.
Ein paar Mittzwanziger kreuzen das Gelände, sagen wollen sie nichts. Ein Vater passiert mit seiner Tochter den Trampelpfad, er will sich nicht dazu äußern, ob er für oder gegen die Moschee ist, aber er ist immerhin der Einzige, den man hier trifft, der den Anschlag eindeutig verurteilt. »Das ist unmöglich und lässt auch keine vernünftige Diskussion zu.«
»Das ist nicht unser Stil«, erklärt eine ältere Dame, die sich an der Straßenecke mit einer anderen Frau unterhält. Sie lacht kurz, atmet durch und kommt dann mit einem nicht ganz neuen rhetorischen Salto: »Aber das wissen wir ja und haben es auch gesagt, dass so was üblich ist, dass sich die Anhänger der NPD so äußern.« Deshalb sind die beiden Frauen gegen den Bau der Moschee, aber auch weil eine Moschee hier einfach nicht hinpassen würde, »weil das viel zu sehr in der Öffentlichkeit ist, die wollen sich hier präsentieren«, erklärt die andere Dame. Sollten sich die Gemeindemitglieder also besser verstecken, um nicht noch weitere Angriffe der Rechten zu provozieren? Das wissen die beiden Damen nicht, denn es könnte genauso gut ein »Dummjungenstreich« gewesen.
Andrea Ariv ist die Einzige, die an diesem Nachmittag bereit ist, ihren Namen zu nennen. Eilig schiebt die Frau mit blondem Igelschnitt eine Kinderkarre stadteinwärts. Auf die Frage, was sie von dem Anschlag auf das Gelände hält, sagt sie geradeheraus: »Finde ich in Ordnung.« Dass so etwas passiere, sei normal, wenn hier alles für die Ausländer getan werde.
Die Polizei geht von einem »fremdenfeindlichen« Hintergrund der Tat aus, konkrete Hinweise auf die Täter gibt es bisher nicht. Laut Leipziger Volkszeitung wurden die markierten Ohren der Schweine abgeschnitten. Damit lasse sich nicht mehr zurückverfolgen, aus welchem Stall die Tierteile stammen. Die Kommentarfunktion zu diesem Onlinebeitrag der LVZ wurde kurz nach der Veröffentlichung wegen wiederholten Verstößen gegen die »Netiquette« geschlossen. Auf der Facebook-Seite der Bürgerinitiative »Gohlis sagt Nein« fragt man sich: »Was haben den Steuerzahler eigentlich die bisherigen Einsätze rund um den geplanten Moscheebau gekostet?« Hier gefällt auch folgender Pinnwandeintrag: »Moscheebau um jeden Preis? Dann auch Widerstand um jeden Preis!«
Der Bürgermob scheint angesichts der blutrünstigen Demonstration von letzter Nacht unerschüttert, das Ressentiment hat weiterhin Hochkonjunktur. Das offizielle Leipzig ist entsetzt. Bürgermeister Burkhard Jung erklärte in einer Pressemitteilung: »Die Stadt Leipzig ist geschockt von diesem widerwärtigen Anschlag. Ein solcher Frevel, der jenseits meiner Vorstellung liegt und der die Grundlagen des interreligiösen Zusammenlebens erschüttert, ist nicht hinnehmbar.« Er werde sich dafür einsetzen, dass die Täter zur Rechenschaft gezogen werden.
Indes befeuert die Leipziger CDU die Debatte zum Neubau der Moschee in Gohlis weiter und fordert die Stadt auf, den Protesten nachzugeben und einen neuen Standort für die Moschee zu suchen. Muslimische Gebetshäuser sollten aber grundsätzlich nicht »zum Ausdruck von Machtansprüchen, Rivalität oder als Ausdruck eines aggressiven Gegeneinander missbraucht werden und auch nicht der demonstrativen Selbstdarstellung dienen dürfen«, heißt es in einer Presseerklärung der Union. Den »dumpfen und fremdenfeindlichen Aktivitäten der NPD« will man hier gleichzeitig eine Absage erteilten. Die Abgrenzungsprobleme der Union, die sich bereits anlässlich der Demonstration der NPD gegen den Moscheebau Anfang November gezeigt hatten, dürften damit jedoch nicht ausgeräumt sein. Anders als die übrigen demokratischen Parteien im Stadtrat konnte sich die Union damals nicht zu einer Position gegen den Aufmarsch der NPD durchringen.