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Kinder & Familie

Monsterslush im Dschungelfitz

Süße Tiere, bunter Nippes: Ein Besuch im Leipziger Zoo ist teuer

  Monsterslush im Dschungelfitz | Süße Tiere, bunter Nippes: Ein Besuch im Leipziger Zoo ist teuer

Hat man Kinder, macht man manchmal Dinge, die man im früheren kinderlosen Leben grenzwärtig bis verachtenswert fand. Ich zum Beispiel gehe in den Zoo. Ein bisschen zwischen Bäumen und Tiergehegen herumlaufen, vielleicht einem Elefanten beim Baden zusehen, die Ziegen streicheln, mit den Kindern ein Eis essen: Das rettet Eltern über so manche Wochenenden oder Ferientage. Dass man dabei nur wenige Tiere zu sehen bekommt, beruhigt das politisch-korrekte Gewissen: Tiere hinter Gittern wollen wir ja eigentlich gar nicht sehen. Dass aber stattdessen immer mehr Verkaufsstände den Weg durch den Leipziger Zoo pflastern und der Zoo mit immer perfideren Strategien aufwartet, um Familien das Geld aus der Tasche zu ziehen, überrascht dann doch.

Im vergangenen Jahr strömten 1,84 Millionen Besucher in den Leipziger Zoo, insgesamt erwirtschaftete er 26,5 Millionen Euro (inklusive Zuschuss der Stadt). Bei Gesamtaufwendungen von knapp 26 Millionen Euro macht der Zoo Gewinn. Vor allem für Familien ist der Ausflug in den Tierpark ein teurer Spaß: 18,50 Euro kostet mittlerweile das Tagesticket für Erwachsene, 11 Euro zahlen Kinder zwischen vier und vierzehn Jahren, eine Familientageskarte kostet 40 Euro. Doch bei diesen Beträgen wird es nicht bleiben. Schon wenige Meter hinter dem Eingang steht ein großes Becken, ein sogenannter Spendentrichter. »Lassen Sie Ihre Münze rollen!«, ist darauf zu lesen und für die Zögerlichen auch noch der Zusatz: »Für einen Beitrag zur artgemäßen Gestaltung des Zoos.« Kinder haben Spaß daran, hinaufzuklettern und das Kleingeld beim Hineinrollen zu beobachten – der Zoo weiß das. »Kommt, wir gehen weiter«, hört man hier viele Eltern zu ihren Kindern sagen. »Bitte, einmal nur!«, rufen die Kinder.

Kurz nach dem Spendentrichter schon das erste Werbeschild auf Kinderaugenhöhe: »Monsterslush 2,99 Euro« mit Hinweis auf den Dschungelfitz-Imbiss. Schräg gegenüber geht es zur Goldwaschanlage, in der man für 3 Euro Gold schürfen kann, das anschließend gegen eine Belohnung einzutauschen sei. Ein Familienfoto gefällig? Die hauseigenen Zoofotografen lauern grinsend mit ihren Fotoapparaten am Wegesrand und warten auf Beute. Das Gruppenbild kann man später für 7 Euro in einem bunten Bus am Ausgang kaufen. Ich bin noch keine fünfhundert Meter mit meinen Kindern durch den Zoo gegangen und muss mich vor allem in Standhaftigkeit üben. Ich sage Nein zur Eiskugel für 1,20 Euro, Nein zum Kinderschminken für 2,50 Euro, Nein zum Baggerschaufeln auf einem Bagger in Zebraoptik: 50 Cent für zwei Minuten. Schnell möchte ich am Dschungelkiosk vorbeihuschen, was leider nicht ganz gelingt, da sich der Kiosk genau an einem Spielplatz befindet. Während sich die Kinder ins Getümmel stürzen, können die Eltern darüber nachdenken, ob sie nicht die Wartezeit zum Konsumieren nutzen. Ein großes Pappschild mit der Silhouette eines überdimensionalen braunen Kaffeebechers, in dem ein obszöner Strohhalm steckt, will mir suggerieren, dass ich jetzt Kaffee will. »Kaffee? Eis? Probier jetzt Kaffee Zero!«, lese ich. Vorbeihuschen möchte ich auch an der Zooeisenbahn: Eine Fahrt zusammen mit zwei Kindern kostet mich 4,50 Euro. In Gondwanaland stehen Besucher Schlange, um für 1,50 Euro mit einem Boot durch die Tropenhalle gezogen zu werden. Beim Truck am Eingang von Pongoland scheiden sich die Geister. »Einsfünfzig für zehn Minuten Durchruckeln?«, sagt eine Frau zu ihrem Begleiter im Vorbeigehen und tippt sich dabei an die Stirn. Den Ritt auf den Kamelen Erika und Manfred für 5 Euro spendieren vor allem Omas ihren Enkelkindern, während die Mütter kopfschüttelnd, aber dann doch gerührt, das Kind auf das Kamel setzen.

Der Blick auf die Afrika-Savanne ist ernüchternd, eine graue Plastikfolie deckt den größten Teil der Fläche ab, hier wird eifrig umgebaut. Gegenüber, in der ehemaligen Bärenburg, entsteht ein weiteres Café mit Spielplatz. Noch toller, noch größer, noch tierfreundlicher soll der Zoo der Zukunft werden. Der Zoo nennt das seinen »Masterplan«. Natürlich alles im Sinne des Artenschutzes. »Der Zoo Leipzig realisiert derzeit seinen Masterplan Zoo der Zukunft, mit dem einerseits die Haltungsbedingungen für unsere Tiere und andererseits auch die Aufenthaltsqualität für unsere Besucher verbessert werden sollen«, sagt Maria Sägebarth, Pressereferentin des Leipziger Zoos. Aufenthaltsqualität heißt offenbar vor allem, das Konsumangebot zu erweitern. Hat man es bis zum Ende des Zoobesuches halbwegs geschafft, den vielen Verlockungen zu widerstehen, kommt jetzt die allergrößte Hürde: der Ausgang. Seit Juli führt der einzige Weg nach draußen durch den 460 Quadratmeter großen Zooshop. Flauschige Kuscheltiere in den grellsten Farben starren einen mit großen Augen aus allen Richtungen an, bunter Nippes in Hülle und Fülle quillt aus den überall platzierten Körben, gedämpftes Licht und subtile Musik – spätestens jetzt verlassen einen alle guten Vorsätze. Zoosprecherin Sägebarth: »Selbstverständlich bleibt es der Entscheidung eines jeden Gastes überlassen, von dem Angebot Gebrauch zu machen, etwas zu erwerben.«


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