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Kultur

»Leipzig ist kabarettmäßig der HSV«

HG. Butzko und Rick Kavanian über Hype, Humor und Pegida

  »Leipzig ist kabarettmäßig der HSV« | HG. Butzko und Rick Kavanian über Hype, Humor und Pegida

In dieser Woche kommen sowohl der Komiker Rick Kavanian und der Kabarettist HG. Butzko nach Leipzig. Kavanian wurde bekannt durch die Bullyparade, Butzko gewann im letzten Jahr den Kleinkunstpreis. Wir befragten sie in verschiedenen Gesprächen über ähnliche Themen, die wir hier in einem Interview zusammenfassen.

kreuzer: Leipzig feiert gerade 1.000 Jahre Ersterwähnung (ein nicht ganz zurechnungsfähiger Bischof starb auf der Durchreise, darum die Notiz). Haben Sie einen Geburtstagsgruß im Gepäck?

HG. BUTZKO: Olé, olé super Leipzig! Auf die nächsten 1.000 Jahre! Hauptsache, mein Glückwunsch ist jetzt nicht die Letzterwähnung.

RICK KAVANIAN: Mein Geburtstagsgeschenk an Leipzig ist Lord Jens Maul live am 18. Juni 2015.

kreuzer: Herr Butzko, mit »Super Vision« suchen Sie nach den Quellen des guten Lebens – und die wollen Sie ausgerechnet in Leipzig finden?

BUTZKO: Irgendwo zwischen Auerbachs Keller und der Nikolaikirche liegen die Academixer. Na, wenn das nicht mal geradezu eine Achse der Quellen für gutes Leben ist.

kreuzer: Und welche Visionen brauchen wir?

BUTZKO: Zumindest andere als die von Frau Merkel und Wolfgang Schäuble. Eine Politik, die die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter vergrößert, führt dazu dass diese Schere irgendwann ihre größtmögliche Öffnung erreicht hat. Und wenn man sie dann noch weiter öffnet, nähern sich die Klingen hintenrum wieder an. Und ich weiß gar nicht, ob dem reichsten Ein-Prozent klar ist, was es bedeutet, wenn sich die ärmsten 80-Prozent ihnen von hinten rum annähern.

kreuzer: Herr Kavanian, Ihr Programm heißt »Off Road« – kommen Sie daher nach Leipzig, so frei nach Hölderlin (»Komm ins Offene«) als »Gang in die Provinz«?

Rick_1_cManfred_BaumannKAVANIAN: Ich habe Leipzig nie als Provinz empfunden! »Off Road« beschreibt lediglich mein Verlassen des einstigen Pfades: Meine drei ersten Bühnenprogramme waren Ein-Mann-Theaterstücke. »Off Road« ist klassische Stand-up-Comedy. Ich erzähle als Rick Dinge, die mir im Leben passiert sind. Meine Augen-OP, meine Safari nach Botswana, mein familienbedingter Aberglaube, die Suche nach meiner dunklen Seite ... Aber natürlich kommentieren Jens Maul oder Dimitri Stoupakis jr. immer wieder das Geschehen.

kreuzer: Wie wird man zum »Quoten-Griechen« der Unterhaltungsszene und ist das angesichts des anhaltenden Griechenland-Bashings nicht anstrengend?

KAVANIAN: Das müssen Sie die Milliarden Menschen fragen, die mich per Umfrage zum Quotengriechen gewählt haben. Mit so einem Mandat im Rücken ist nichts anstrengend.

kreuzer: Wie nehmen Sie die in Sachsen entstandene und maßgeblich nur hier erfolgreiche Pegida-Bewegung wahr? Kann man darauf noch mit Humor reagieren?

BUTZKO: Man MUSS ihnen mit Humor begegnen. Allerdings pflege ich mich mit den Argumenten wirklich auseinanderzusetzen, und da gibt es einiges an Pointenmaterial. Das ist allemal entwaffnender als plumpe Verarsche.

KAVANIAN: Pegida? Nie gehört.

kreuzer: Herr Butzko, wie entwickeln Sie Ihr »investigatives Kabarett«, ist das so eine Wallraff-Methode oder lesen Sie sich ein?

BUTZKO: Sie meinen, ob ich mich mit gefärbtem Toupé und angeklebtem Bart an den Brennpunkt des Geschehens begebe? Wer weiß. Das nächste mal, wenn Sie Joachim Gauck treffen, ziehen Sie ihm mal ganz fest an den Haaren. Wenn Sie eine Perücke in der Hand haben, war ichs. Wenn nicht, viel Spaß auf dem Polizeirevier.

kreuzer: Herr Kavanian, wie finden Sie zu Ihren Rollen, wie entwickeln Sie Ihre Charaktere? Sind Sie eher der zuschauende Caféhaus-Typ oder Ausbrüter im stillen Kämmerlein?

KAVANIAN: Ich bin ganz klar der Beobachter und Zuhörer, sei es im Caféhaus oder irgendwo außerhalb der eigenen vier Wände.

kreuzer: Haben Sie es manchmal satt, immer humoristisch sein zu müssen?

BUTZKO: (lacht) Spätestens, wenn ich solche Fragen gestellt bekomme, ist Schluss mit lustig.

kreuzer: Machen Sie deswegen auch Synchronisationen?

KAVANIAN: Schauen Sie sich mal die Filme an, die ich synchronisiert habe, und verraten Sie mir, welcher Film keine Komödie ist!

kreuzer: Wie viel Improvisation lassen Sie auf der Bühne zu? Wie sehr gehen Sie auf das jeweilige Publikum ein bzw. wie sehr kann man vom Programmplan abweichen, ohne den Abend zu riskieren?

BUTZKO: Die Einzigen, die den Abend riskieren, sind die Zuschauer. Die kommen, ohne zu wissen, was sie erwartet, und laufen Gefahr, gelangweilt und enttäuscht nach Hause zu gehen. Damit das nicht passiert, improvisiere ich inhaltlich so gut wie gar nicht, aber formal komplett. Wenns sein muss, zieh ich mich auch aus, steck mir brennende Wunderkerzen in die Ohren und pfeife La Paloma. Um den Kapitalismus in seinen Grundfesten zu erschüttern, ist mir auf der Bühne jedes Mittel recht.

KAVANIAN: Ich liebe es zu improvisieren. Wie sehr man das eigentliche Programm verlassen kann, steht und fällt mit meinen Gästen, liegt aber auch an meiner Tagesform.

kreuzer: Leipzig schimpft sich Kabarett-Hauptstadt: Erwarten Sie hier einen anderen Humor? Ist Deutschlands Humorlandschaft überhaupt noch in so ein Nord-Süd- bzw. West-Ost-Gefälle gegliedert?

KAVANIAN: Zweimal klar NEIN!

BUTZKO: Dass Leipzig dabei schimpft, trifft bei mir auf Gegenliebe. Auch ich könnte auf Leipzig schimpfen, vor allem, wenn es sich als Kabarett-Hauptstadt bezeichnet. Zugegeben, einen Fußballverein Rasenball zu benennen, ist eine satirische Meisterleistung, die es sonst nirgendwo im Lande gibt. Aber um als Kabarett-Hauptstadt mithalten zu können, müsste das Publikum offener sein, für neue Formate, für unbekannte Namen. Was die Neugier des Leipziger Kabarett-Publikums betrifft, spielt man hier verglichen mit anderen Orten eher gegen den Abstieg. Man kann sagen, Leipzig ist kabarettmäßig der Hamburger SV. Also nicht schlimm. Irgendwann kommt man in die Relegation, und dann wird es wieder spannend.

kreuzer: Aus der lokalen Kabarettszene hört man manchmal ein Rumoren, dass TV-Comedy und die Star-Touren ein bisschen die Szene kaputt machen bzw. man sich vor Ort vier Mal pro Woche behaupten müsse und da halt ein breites Publikum auch mal mit flachen Witzen ansprechen müsse. Was würden Sie entgegnen?

BUTZKO: Lieber flache Witze als flaches Denken. Ein flacher Witz ist ja noch kein Indiz für Oberflächlichkeit. Manchmal sind es die dunkelsten Abgründe, die man erst im ganz flachen Anflug erhellen kann. Das ist die entscheidende Frage: Worum geht es überhaupt? Will ich von den Sorgen und Nöten ablenken oder sie direkt aufs Korn nehmen? Wie sagte schon der große Philosoph Oliver Kahn: »Wenn die Frage nach dem Tiefgang geklärt ist, ist jedes Niveau erlaubt.« Oder war es Schopenhauer? Ich verwechsle die beiden immer.

kreuzer: Humor hat eine Ventilfunktion. Besteht da nicht die Gefahr, dass sich die Menschen nach ein paar Lachern über Missstände dann wieder im Alltag hübsch einrichten? Kann man dem als »Hirnschrittmacher« entgegenwirken?

BUTZKO: Kabarett, das nur die Satireansprüche von Kleinkunstgourmets bedienen will, ist ein hohler Zahn. Und nicht vergessen: Edmund Stoiber hat im Jahr 2002 die Wahl zum Bundeskanzler gegen Gerhard Schröder mit nur 6.000 Stimmen verloren. Und diese 6.000 Wählerinnen und Wähler haben sich ihre Wahlentscheidung in meinem Kabarett gebildet. Das war doch schon mal ein guter Anfang.

kreuzer: »Hypezig«, den medialen Hype um die Stadt, haben die meisten hier satt. Können Sie als Medienprofi ein paar Tipps geben, wie man damit umgehen soll?

BUTZKO: Einfach außerhalb Leipzigs wohnen. Dann kriegt man von einem Hype absolut null komma nix mit.


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