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Filmkritik

Heimkehr

Die Kinostarts im Überblick und was sonst Filmisches in der Stadt geschieht

  Heimkehr | Die Kinostarts im Überblick und was sonst Filmisches in der Stadt geschieht

Ja, auch wir tragen unseren Senf zum omnipräsenten Sternenkrieg bei und Kollege Alexander Praxl hat eine schöne, nicht ganz Spoiler-freie Kritik zum Platzhirsch dieser Woche (und wohl auch noch der folgenden) geschrieben. Wer sich also lieber frei von Kritik und Details zur Handlung halten will, sollte Praxls Zeilen wohl am besten für später aufheben, sich aber keinesfalls die beiden kleinen, feinen Filme entgehen lassen, die im übermächtigen Schatten des Imperiums ebenfalls in den deutschen Kinos starten. Es könnten euch zwei der schönsten Filme des Jahres entgehen. Möge die Macht der Kinobesucher mit ihnen sein.

Film der Woche: New York, Weihnachten 1952. Es beginnt mit einem Kundengespräch zwischen Carol, der eleganten, unnahbaren Frau eines erfolgreichen Geschäftsmanns (Cate Blanchett), und der schüchternen Verkäuferin Therese (Rooney Mara). Carol sucht ein Weihnachtsgeschenk für ihre Tochter. Therese empfiehlt eine elektrische Eisenbahn. Nach dem Notieren der Lieferadresse lässt Carol (versehentlich?) ihre Handschuhe liegen und bereitet damit den Weg für die vielleicht schönste Liebesgeschichte des Jahres. Regisseur Todd Haynes lässt an der sofortigen Anziehung zwischen beiden Frauen keinen Zweifel, und doch gibt er sich und den fantastischen Schauspielerinnen genug Raum und Zeit, um den schmerzhaft-schönen Prozess des Sichverliebens in Szenen und Bilder zu übersetzen. Eine Einladung zum Kaffee als Dankeschön für die nachgeschickten Handschuhe. Ein erster, noch harmloser Besuch zu Hause. Doch die Blicke werden direkter, die Zustimmung auf ein weitere Verabredung erfolgt schneller. Haynes und sein Kameramann Edward Lachmann kombinieren virtuos Großaufnahmen von Gesichtern und Objekten, in denen sich Liebe und Verlangen einlagern, mit sorgfältig komponierten Einstellungen, in denen Türrahmen und andere Kadrierungen deutlich machen, dass die puritanische Gesellschaft der fünfziger Jahre eine solch »unmoralische« Beziehung nicht gestattet. Haynes knüpft wie schon in seinem Film »Far from Heaven« (2002) inhaltlich wie stilistisch direkt an die Hollywood-Melodramen von Douglas Sirk an, die für eine solche humanistische Haltung gegenüber ihren Protagonisten bekannt sind. Ausführliche Kritik von Johannes Schade im aktuellen kreuzer.

»Carol«: ab 17.12., Passage Kinos (auch OmU)

Das Gefüge der Familie beschäftigt das japanische Kino. Die Auseinandersetzung mit ihr als schicksalsgebundene Zweckgemeinschaft und Rückhalt, der unsere Identität bestimmt und gleichermaßen Liebe wie Last bedeutet, taucht immer wieder auf. Dies macht die Filme Yasujiro Ozus so universell verständlich, und die Familie ist auch der rote Faden im Oeuvre des Autorenfilmers Hirokazu Koreeda. Meist ist dieses Gefüge gestört in seinen Filmen, die Eltern sind abwesend, die Kinder vernachlässigt. So ist es auch in »Unsere kleine Schwester«, der Verfilmung des Mangas »Umimachi Diary« von Akimi Yoshida. Familie, das bedeutet für Sachi (Haruka Ayase), Yoshino (Masami Nagasawa) und Chika (Kaho) vor allem ihr Zusammenhalt als Schwestern und das Aufrechterhalten der Traditionen ihrer Großmutter. Gemeinsam leben sie in deren gemütlichen Haus, einem Mädchenwohnheim, wie sie es selbst scherzhaft bezeichnen. Jede von ihnen geht ihren Weg und unterschiedlichen Jobs und Beziehungen nach. Zur Pflaumenernte kellern sie gemeinsam Wein ein, wie es schon Generationen vor ihnen getan haben. Die Älteste, Sachi, musste ihrem eigenen Leben stets die Bedürfnisse anderer vorziehen. So arbeitet sie die meiste Zeit im Krankenhaus und kümmert sich in der übrigen um die Familie. Schon früh musste sie lernen, den Haushalt zu führen und für ihre Schwestern zu sorgen. Als der Vater die Familie für eine andere Frau verließ, ging auch die Mutter, überfordert mit der Situation, und ließ sie bei ihrer Oma zurück. Der Verlust der Kindheit nagt an Sachi – denn auch davon handeln Koreedas Filme immer wieder, sei es in »Nobody Knows«, wo der älteste Bruder die Geschwister aufzieht, oder zuletzt in »Like Father, Like Son« in Gestalt des Sohnes einer Tokioter Familie, der unter dem Drill des Vaters zu leiden hat. Als der Vater stirbt, weint ihm keine der Schwestern eine Träne nach. Zu lange ist es her, dass sie ihn zuletzt sahen. Der Form halber reisen sie dennoch zur Beerdigung und treffen dort auf Suzu, ihre kleine Halbschwester. Sie war es, die ihren Vater zuletzt gepflegt hatte, denn seine neue Frau schien dazu nicht in der Lage. Suzu begegnet ihren Schwestern mit zurückhaltender Höflichkeit, doch die drei schließen sie sofort ins Herz und schlagen ihr vor, bei ihnen zu wohnen. So kommt Suzu in die große Stadt und muss sich in ein neues Leben einfinden, während Sachi mit der Fürsorge für die 13-Jährigen eine Aufgabe mehr hat und ihre eigenen Träume scheinbar in unerreichbare Ferne rücken. Doch die Ankunft der kleinen Schwester berührt ihr aller Leben. Wie ein Mosaik setzt Koreeda sein Gefüge aus Figuren zusammen. Facettenreich und voller Leben verleiht er ihnen Gestalt, so dass wir am Ende alle ziemlich gut zu kennen glauben. Sei es die Nachbarin, die ein Restaurant leitet und um die Zukunft bangt, oder der Alte an ihrer Bar, der sie heimlich anbetet. Oder die Mutter der Schwestern, die plötzlich auftaucht und sie mit ihrer Art von sich stößt, in Gesten und Worten aber erahnen lässt, was sie dazu bewegte, die Kindern zurückzulassen. Vieles steht zwischen den Zeilen in Koreedas meisterhaftem Ensembledrama, das wunderbar leicht abgefedert wird durch eine optimistische Grundhaltung dem Leben gegenüber. So ist »Unsere kleine Schwester«, der seine Premiere im Wettbewerb von Cannes feierte und in San Sebastián den Publikumspreis gewann, voll Wärme und auch für ein westliches Publikum zugänglich.

»Unsere kleine Schwester«: ab 17.12., Passage Kinos

Verrückte Welt: Nach Jar Jar Binks und blöde witzelnden Droiden kehrt die »Star Wars«-Franchise unter der Herrschaft des Disney-Imperiums zu seinen Wurzeln zurück. Und ausgerechnet »Star Trek«-Regisseur J. J. Abrams gelingt es, den Charme und die Stimmung der Original-Trilogie wiederherzustellen. Das Imperium heißt im neuen »Star Wars« Erste Ordnung, aus den Rebellen ist der Widerstand, R2D2 kleiner und der Todesstern größer geworden. Abgesehen davon bleibt alles beim Alten. Genauer gesagt, beim 32 Jahre Alten. 1983 kam der letzte Teil der ursprünglichen Trilogie, »Die Rückkehr der Jedi-Ritter«, in die Kinos. Der neue Film hat all das, was die Originale zum Kult machte. Lichtschwerter (sogar mit Parierstange), TIE Fighter, Sturmtruppler und maskierte Schurken, den epischen Konflikt zwischen Gut und Böse, die nicht minder epische Musik von John Williams, Helden wie Han Solo und Luke Skywalker. Der eine, gespielt von Harrison Ford, ist so gut wie eh und je und fühlt sich an Bord des Millenium Falken offensichtlich wieder sehr wohl. Er bringt einen Hauch von Western und Abenteuerfilm in die nahe am Pathos gebaute Science-Fiction-Saga über Vatermord, futuristische Ritterorden und Magie – nicht umsonst wurden die Filme immer wieder als Opern bezeichnet. Han und seinem Wookiee Chewbacca (Peter Mayhew) obliegt es, eine neue Generation von Hauptfiguren in das »Star Wars«-Universum einzuführen: die Schrottsammlerin Rey (Daisy Ridley), den Dissidenten Finn (John Boyega) und den Piloten Poe Dameron (Oscar Isaac). Ihre Suche nach Luke Skywalker und ihr Kampf gegen eine verheerende Superwaffe der Ersten Ordnung führt sie durch sehenswerte Schauplätze wie den Wüstenplaneten Jakku mit seinen unter Dünen begrabenen Sternzerstörer-Wracks. Der erinnert stark an Tatooine, und überhaupt scheint Abrams alles, was er in den ersten drei Filme gut fand, für seine Fortsetzung übernommen zu haben. Eine Bar voller Aliens wie die Cantina auf Mos Eisley, ein Schutzschild, der vor dem Angriff auf eine Basis der Ersten Ordnung deaktiviert werden will – »Das Erwachen der Macht« steckt voller Zitate und gleicht den Vorgängern in Tonfall, Tempo und Plot. Dass die Macher sich dessen ganz bewusst sind, beweisen selbstironische Kommentare von Han Solo, der, 32 Jahre nachdem er den letzten Todesstern zerstört hat, alles schon mal gesehen hat und sein neues Abenteuer denkbar abgebrüht angeht. Und Luke Skywalker? Der ist vor Jahren untergetaucht, gilt inzwischen als Legende und ist am Ende für einen gelungenen Cliffhanger zuständig, mit dem der Film offen endet. Viele Fragen, die »Das Erwachen der Macht« aufwirft, werden wohl erst in den nächsten beiden Teilen der neuen Trilogie oder in den geplanten Spin-Offs beantwortet. Der Auftakt schafft es jedenfalls, dass man sich darauf freut, auch wenn es noch bis 2017 dauern wird, ehe Episode VIII in die Kinos kommt. ALEXANDER PRAXL

»Star Wars: The Force Awakens«: ab 17.12., Cineplex, CineStar, Passage Kinos

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Weitere Filmtermine der Woche

Schauspieler, Stars und Superstars Michael FassbenderVortrag von Claudia Cornelius mit einem Überraschungsfilm, diesmal mit Michael Fassbender in der Hauptrolle. 18.12., 20.15 Uhr, Memento

 

Best of 2015 Die Kinobar Prager Frühling lässt das Jahr in Filmen Revue passieren. Gezeigt werden Wild Tales - Jeder dreht mal durch, Men & Chicken, Cobain: Montage of Heck, Als wir träumten, Verstehen Sie die Béliers?, Victoria, Birdman (oder die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit), Sicario, Taxi Teheran, Frank und Amy. Die genauen Spieltage findet ihr auf den Seiten der Kinobar. 17.–23.12., Kinobar Prager Frühling

 

Kurzfilmtag Am kürzesten Tag des Jahres gibt es, wie es mittlerweile schöne Tradition ist, Kurzfilmkino an verschiedenen Orten ...

DOK Shorts – Best of DOK Leipzig zum Kurzfilmtag 2015 Das DOK Leipzig präsentiert mit »DOK Shorts« eine Auswahl der besten Kurzfilme des 58. Jahrgangs. Darunter sind animierte und dokumentarische Beiträge aus Deutschland, den Niederlanden, Russland, Polen und Großbritannien. Auch in der Kinobar und im UT Connewitz laufen kurze Publikumslieblinge. 19.30 Uhr, Cinémathèque in der naTo

Golden Shorts »Shorts Attack« präsentiert in diesem Monat die Publikumslieblinge der internationalen Festivals des bald endenden Jahres. 21 Uhr, UT Connewitz

Short Attack Best of Festival 21 Uhr, Kinobar Prager Frühling

 

Der große Diktator Charlie Chaplins brillante Nazi-Satire um Diktator Hynkel und dessen jüdischen Barbier-Doppelgänger hat auch nach 75 Jahren nichts von ihrem Biss verloren. 25.12., 20 Uhr, UT Connewitz (OmU)


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