Großen Unmut sät der Sächsische Fußball-Verband (SFV) vor dem Start der Frauen-Landesliga an diesem Sonntag. Seit zwei Wochen kritisieren Landesligamannschaften öffentlich Wettbewerbsverzerrung und den Verstoß gegenüber Fairplay. Der Verband gibt sich stoisch – im Wissen, dass er derartige Vorwürfe bereits in der Vergangenheit erfolgreich ausgesessen hat.
UPDATE (1.9.16): Der Dresdner Frauenfußballverein SV Johannstadt 90 teilte heute auf seiner Facebookseite mit, dass sein Einspruch gegen das Landespokalspiel am 7. August erfolgreich war. In der ersten Runde sollte per Los gegen den Leipziger FC 07 gespielt werden. Zum Spiel trat dann tatsächlich die RB-Frauenmannschaft an und gewann 0 zu 7. Das Sportgericht urteilte nun, dass RB Leipzig zu keiner Zeit ein Pokalspielrecht besaß.
Das Urteil zur Spielabsage des Bischofswerdaer FV 08 zum Landesligaauftakt gegen RB Leipzig steht derzeit noch aus.
Der Sächsische Fußballverband trifft am kommenden Dienstag die Landesligisten, um über die aktuelle Situation im Frauenfußball zu beraten, denn Christoph Kutscher, SFV-Vizepräsident für Spielbetrieb und Nachwuchs, stellte fest: »Arbeit im Fußballsport ist nur im Dialog möglich.«
»Wer seine Wurzeln vergisst, hat keine Zukunft«, so sprach SFV-Präsident Hermann Winkler (CDU) am vergangenen Freitag, als er dem DFB-Gründungsort im Leipziger Hofmeister-Haus einen Besuch abstattete. Sodann stellte er sich mit dem Bauherrn, der das Haus zukünftig saniert, vor die Gedenktafel in der Büttnerstraße. Der Präsident möchte hier einen DFB-Erinnerungsort schaffen, der das Bauvorhaben auf jeden Fall aufwertet. Dass im SFV derzeit einige weit offen liegende Baustellen existieren, geht dabei fast unter.
Und da wären wir auch schon beim sächsischen Frauenfußball. Wir berichteten vor drei Wochen vom ersten RB-Frauenteam, das in einer Spielgemeinschaft (SpG) mit dem Leipziger FC 07 gemeinsam in der Landesliga antritt. Zudem übernahm RB das sächsische Nachwuchsleistungszentrum für Mädchenfußball. Der SFV steht dem sehr wohlwollend gegenüber, denn mit dem Club sieht er in drei bis fünf Jahren die erste Frauenbundesliga im Freistaat. Vor allem weil die bisherige Bilanz des 2007 eröffneten Nachwuchsleistungszentrums nicht besonders berauschend ausfällt. Innerhalb von nicht einmal zehn Jahren arbeitete der SFV mit vier verschiedenen Vereinen in dieser Nachwuchsinstitution zusammen. Andere Vereine im Freistaat sehen darin bereits ein Scheitern des Projektes.
Auf der Staffeltagung zur Landesliga Anfang Juli wurden nun die Vereine zudem von der Tatsache überrascht, dass anstelle von zwölf zukünftig 14 Mannschaften spielen werden. Die Neulinge sind die SpG LFC/RB und die zurückgekehrte Mannschaft von Eintracht Leipzig Süd. Das Hinzukommen der SpG wurde von Verbandsseite damit begründet, dass den RB-Talenten aus dem Nachwuchsbereich perspektivisch eine höhere Frauen-Spielklasse zu gewähren sei als in den unteren Ligen, aus denen eine neue Mannschaft zuerst einmal aufsteigen müsste. Diese recht schlüssige Argumentation führte zu einer Mehrheit von Ja-Stimmen für die Ligaaufnahme. Der TSV 1861 Spitzkunnersdorf wollte sich dem allerdings nicht beugen und protestierte. Dabei ging es auch schlicht um die Tatsache, dass zwei neue Vereine zusätzliche Reisekosten verursachen. Der Protest wurde aufgrund von formellen Fehlern abgelehnt – zeigt aber die bereits vorhandenen unterschiedlichen Fallhöhen der Landesligavereine auf.
RB vermeldete die neue Mannschaft weder auf Facebook noch auf Twitter, sondern berichtete vom ersten Spiel – dem Pokalspiel gegen SV Johannstadt Dresden – in der Rubrik »Neuigkeiten« auf der Homepage einen Tag nach dem Spiel am 7. August.
Der SV Johannstadt sah das etwas anders, denn ihm war in der ersten Pokalrunde der LFC zugelost und nicht die SpG, geschweige denn RB. Dass nun die RB-Mannschaft keine LFC-Spielerin aufwies, nur wenige RB-Nachwuchsspielerinnen, und in der Mehrzahl aus FFV-Spielerinnen bestand, die vormals in der 2. Bundesliga spielten, brachte den Protest gewaltig ins Rollen.
Nach dem Spiel schalteten sich weitere Landesligisten ein und schrieben offene Briefe an das Präsidium des SFV. So der 1. FFC Chemnitz, der die Übernahme des Spielrechts von RB (»ohne dass der Verein im Frauenbereich auch nur irgendetwas geleistet hat«) für die Landesliga rügte und sich vom SFV getäuscht sah.
Die SG LVB Fußball beobachtet »mit großer Besorgnis« das Geschehen und fordert eine öffentliche Stellungnahme zu den Ereignissen von Verbandsseite.
Auch der Bischofswerdaer FV 08 äußerte sich in einem offenen Brief zu den Vorgängen. Hier wird die Tatsache kritisiert, dass der SFV nicht über ein dezentrales Fördersystem im Freistaat nachdenkt, und ebenfalls eine offizielle Erklärung zur Tatsache gefordert, dass im Gegensatz zur vorgetragenen Argumentationskette des SFV im Kader von RB lediglich fünf Nachwuchsspielerinnen antreten im Vergleich zu 17 FFV-Spielerinnen.
Der Sportliche Leiter für den Mädchen- und Frauenfußball Bodo Lehnig sieht im Gespräch mit dem kreuzer ein Ärgernis vor allem darin, dass der SFV auf die Vorbehalte in den offenen Briefen bisher nicht reagiert. Dass sich damit der Verband über die Bedenken der Vereine hinwegsetzt, die an der Basis seit Jahren den Mädchen- und Frauenfußball sowohl in der Breite als auch im Leistungsbereich fördern, sieht BFV-Trainer Tino Gottlöber ebenfalls als einen Affront. Vor allem die unterschiedlichen sportlichen Voraussetzungen, die bereits vor dem Ligastart herrschen und damit den Wettbewerb verzerren, bereiten ihm Sorgen.
Der BFV leitete seinen Protest nun an den sportpolitischen Sprecher der CDU im Landtag weiter und erwartet RB am Sonntag zum Spiel »vorbehaltlich einer rechtlichen Prüfung«.
Der LFC selbst äußerte sich bisher nicht zu den Vorgängen.
Und was ist vom SFV zu hören?
Die Verantwortliche für den Frauenfußball, Nadine Rollert, sagt nichts zu den Vorgängen, verweist stattdessen auf die Pressesprecherin Ulrike Krade. Sie kann den Protest nicht nachvollziehen, da die Vereine auf der Staffeltagung ihre Meinung hätten äußern und dagegen stimmen können. Dass die Argumentation des Verbandes nicht mit der Realität übereinstimmt und das sich daraus der Protest formuliert, der eine öffentliche SFV-Erklärung im Sinne des gemeinschaftlichen Daseins füreinander wesentlich erleichtern würde, steht nicht nur zur Diskussion. Eine öffentliche Stellungnahme lehnt der Verband ab. Allerdings erhalten die Vereine, die sich zu Wort meldeten, eine Antwort, so Krade.
Der Eindruck eines Geschmäckles wird dadurch nicht gemindert, denn der SFV hat einige Baustellen aufzubieten, und das nicht nur im Frauenfußball. Bevor sich also um historische Ehrenplätze zum Zwecke der Repräsentation gekümmert wird, sollte die Gegenwart in Angriff genommen werden.