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Kultur

»Ein Stückchen der Freiheit«

Die Leipziger Fotografin Christiane Eisler über ihr Buch-Projekt zum frühen DDR-Punk

  »Ein Stückchen der Freiheit« | Die Leipziger Fotografin Christiane Eisler über ihr Buch-Projekt zum frühen DDR-Punk

1982 an der HGB eine Diplomarbeit einzureichen, die einerseits die Tristesse von Mädchen im Jugendwerkhof und andererseits das Aufbegehren jugendlicher Punks fotografisch erfasste, war mutig. Aber auch wenn in diesem Fall alles glattging, sollte Christiane Eisler bald erfahren, welch Konfliktpotenzial sie da gebündelt hatte. Nachdem das Thema Jugendwerkhof vor Kurzem aufbereitet wurde, macht sie sich nun daran, ihr großes Langzeitprojekt Punk in der DDR im nächsten Jahr auf opulente Weise aufzuarbeiten – mit einer Ausstellung und vor allem einem äußerst umfangreichen Buch zur Sache, benannt nach Leipzigs erster Punkband: Wutanfall.

kreuzer: Wie kamen Sie dazu, die erste Punk-Generation Leipzigs und Berlins fotografisch zu begleiten?

CHRISTIANE EISLER: Das war Zufall. Der Proberaum von Wutanfall in der Sternwartenstraße lag um die Ecke meiner Studentenbude. Da sie natürlich optisch reizvolle Charaktere waren, hab ich sie einfach angesprochen und zu mir eingeladen, wo dann die ersten Fotos entstanden. Wir haben uns angefreundet und bald bin ich mit nach Berlin gefahren, um dortige Punks zu besuchen. Daraus entwickelte sich ein äußerst intensives Jahr zusammen.

kreuzer: Sie erlebten die Szene noch im Aufbruch, denn die harten Verfolgungen von Punk setzten 1983 ein. Die Parallelisierung mit dem Thema Jugendwerkhof gab aber vielleicht auch eine Vorahnung, wie es für viele enden könnte.

EISLER: Es war schon verbunden. Und es war mir auch ein soziales Anliegen, da näher dran zu sein, zu hinterfragen, mehr zu wissen, gerade in dem Wechselspiel von Rebellen versus 160 eingesperrte Mädels, denen man ein Stückchen der Freiheit gewünscht hätte. Von Mut und Leidenschaft gegenüber absoluter Trostlosigkeit. Ich habe die Szene ja noch bis 1985 begleitet, wenn auch in geringerer Intensität, und musste diese Verfolgung beobachten. Besonders am Beispiel von Chaos, dem Sänger von Wutanfall. Die ganze Szene ist zerfallen und es endete oft in kollektiver Ausreise. Zurück blieben nicht selten zerrüttete Biografien. Die verfolgte ich teils weiter, mit einigen bin ich noch heute in Kontakt und habe über die letzten 30 Jahre weiter Fotos von ihnen gemacht. Buch und Ausstellung werden den Schwerpunkt aber auf die Vergangenheit legen.

kreuzer: Übertrug sich die staatliche Verfolgung dann auch auf Ihr Projekt?

EISLER: Ja. Noch 1986 wurde eine Ausstellung in der Galerie P verboten und im Cafe Günther, dem heutigen Grundmann, wurden die Bilder nach angeblichen Gast-Beschwerden wieder abgehängt.

kreuzer: Einige der Bilder fanden sich schon in Ausstellungen und Büchern zur DDR-Subkultur. Warum kommt es erst jetzt zu Ihrer eigenen Präsentation?

EISLER: Das war über Jahre schon ein Wunsch. Aber es kam viel Privates dazwischen. Jetzt ist jedoch der Punkt, endlich zurückzublicken und alles aufzuarbeiten.


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