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Stadtleben

Der Hammer fällt

Ende des Jahres muss der Bauspielplatz in Mockau schließen – eine Ausweichfläche gibt es bisher nicht

  Der Hammer fällt | Ende des Jahres muss der Bauspielplatz in Mockau schließen – eine Ausweichfläche gibt es bisher nicht  Foto: Alisa Sonntag

»Moment, ich bin gleich da« – Isabelle Rodin packt gerade noch Eimer für die kleine Holzwerkstatt. Darin: Nägel, Hammer und eine große Säge. Damit sollen gleich Kinder hantieren? – Ganz normal auf dem Bauspielplatz »Fuxbau« an der Essener Straße in Mockau. Es ist kurz nach drei Uhr am Nachmittag, der Platz hat gerade erst geöffnet und trotzdem klettern schon zwei Jungen über die selbst gezimmerten Holzbrücken. »Wir bauen gleich unsere Hütte weiter«, verkündet einer der beiden stolz – und wird direkt enttäuscht, denn heute ist nur »kleine Holzwerkstatt«, Kreisel sollen gebaut werden. Oder Schwerter, wie Rodin den beiden vorschlägt. Da hellt sich die Miene wieder auf.

»Der Bauspielplatz ist kein fertiges Spielgerät, sondern ein interaktiver Raum. Es passiert immer was, man bekommt Chancen und Entscheidungen. Man holt die Kids dort ab, wo sie sind«, erklärt Rodin die Besonderheiten des Ortes. Am Tag seien 15 bis 50 Kinder auf dem Gelände, zwischen 6 und 13 Jahre alt, allein, mit Freundinnen und Freunden oder in Begleitung ihrer Eltern. Rebecca Cielontko kommt zwei- bis dreimal die Woche mit ihren Kindern vorbei: »Der Platz hat einen hohen Stellenwert für uns, das Angebot ist groß und die Betreuer sind immer für die Kinder da.«

Mittwoch bis Samstag ist der Platz geöffnet, Werkzeuge können sich die Besucherinnen und Besucher gegen Pfand ausleihen, zum Beispiel in Form einer besonderen Spielkarte oder ihrer Käppis. Auf dem Platz wird aber nicht nur gebaut, Kinder lernen hier auch zu gärtnern oder einen Hammer zu benutzen, Themen wie Ernährung und Gesundheit spielen eine wichtige Rolle. Etwas Bedenkliches passiert sei noch nie, erzählen Rodin. »Gefährlich ist das nur aus der Sicht eines Erwachsenen. Die motorischen Fähigkeiten von Kindern brauchen Raum zur Entwicklung und wir können darauf vertrauen, dass die Kids, die zu uns kommen, durchaus Fähigkeiten mitbringen für den sorgfältigen Umgang mit Werkzeug oder das Klettern auf dem Hüttendorf«, bekräftigt Rodin. Besonders schön sei es zu sehen, wie Kinder ab dem ersten Besuch immer selbstbewusster würden und den Platz irgendwann auf eigene Faust erkunden.

Beim Bauen müssen sie sich an die Platzregeln halten, die unter anderem »oben nicht toben« beinhalten oder dass gebaute Sachen nicht einfach abgerissen werden. Das erklärt auch, warum die Holzkonstruktion mit Türmen, Brücken und einer Rutsche so weitläufig ist. Und im Übrigen wesentlich stabiler, als sie auf den ersten Blick erscheint. Kein Wunder, steht sie doch schon seit fünf Jahren hier auf einer umzäunten Wiese.

Doch das nun nicht mehr lange. Denn der Pachtvertrag für den Bauspielplatz läuft aus, die LWB will dort Wohnungen bauen. Für das Team vom Fuxbau eine traurige Vorstellung: »Ein großer Teil unserer Arbeit ist Kontaktaufbau. Das Wissen, wie man Feuer macht oder gärtnert, ist nice to have, aber Kontakt ist eben das Wichtigste«, erklärt Martin Haufe, der ebenfalls im multidisziplinaren Team arbeitet. »Wenn man in Kinder investiert, bekommt man das wieder. Wenn man hier präventiv arbeitet in Bezug auf Konsensfindung, Gewalt und Selbstwirksamkeit, bringt das viel.«

Die Reaktionen der Eltern und Kinder auf die Schließung hätten gezeigt, wie wichtig der Ort im Stadtteil sei: »Da war Wut, Trauer und Unverständnis dabei«. Eine Ausweichfläche zu finden ist im dicht bebauten Norden nicht leicht, das Amt für Wohnungsbau und Stadterneuerung unterstützt bei der Suche, ebenso wie die Mitglieder des Stadtbezirksbeirats Nordost. »Ein Umzug raus aus Mockau wäre mehr als unschön. Das gilt es unbedingt zu verhindern«, sagt Beirätin Petra Ertel (Linke). »Dieser Platz wird unbedingt auch weiterhin gebraucht, bildet er doch eine wichtige Schnittstelle zwischen verschiedensten Bedarfen, sowohl der Kinder als auch der Eltern, die alle diesen Platz als Austausch- und Begegnungszentrum nutzen.« So sieht es auch Heike Kloos, die mit ihrer Tochter Magdalena da ist: »Es sind immer Ansprechpartner für die Kinder da, es ist wirklich schade, dass der Platz schließen muss.«

Der Pachtvertrag war auf fünf Jahre ausgelegt, die sind nun vorbei. Dabei gibt es noch viel Entwicklungspotenzial für den Platz: Während den Bauspielplatz in Mockau im letzten Jahr knapp 3.500 Kinder besuchten, waren es auf dem Bauspielplatz, den der Träger Kiwest im Leipziger Westen betreibt, sogar 10.000. Derzeit baue man in Mockau die Zusammenarbeit mit Schulen und Horten aus, die den Platz als Gruppe besuchen kommen. Isabelle Rodin wünscht sich langfristige politische Entscheidungen, die Projekte wie den Bauspielplatz möglich machen. »Die prägen das Stadtbild. Menschen brauchen Konstanten«.


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