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Politik

Zweiter Anlauf

Ralf Pannowitsch ist für das BSW in den Stadtrat eingezogen – und nun?

  Zweiter Anlauf | Ralf Pannowitsch ist für das BSW in den Stadtrat eingezogen – und nun?  Foto: Christiane Gundlach

Passé ist die bisher bestehende Mehrheit links der Mitte im Leipziger Stadtrat nach der Wahl am 9. Juni. Eine umfangreiche Analyse zur Wahl mit zahlreichen Stimmen aus den Leipziger Parteien finden Sie hier. Mit Jügen Kasek (Grüne), Miriam Paulsen (SPD) und Ralf Pannowitsch (BSW) stellen wir Ihnen drei für den Leipziger Stadtrat Angetretene vor, für die die Wahl ganz unterschiedlich ausgegangen ist.


Er habe den ganzen Vormittag im Botanischen Garten gearbeitet, sagt Ralf Pannowitsch, als er in die kreuzer-Redaktion kommt. Der 59-jährige Übersetzer für englische und französische Literatur ist leidenschaftlicher Gärtner. »Eigentlich möchte ich nur in Ruhe meinen Connewitzer Garten bestellen«, schreibt er auf seiner Kandidatenseite beim Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), für das er nun in den Stadtrat eingezogen ist. Doch aus seinem Kleingarten guckt Pannowitsch beunruhigt in die Welt: »Was mich ursprünglich zum BSW geführt hat, sind Probleme, die sich kaum auf Leipzig-Ebene lösen lassen: die unbedachte Energiewende, die hilflose Migrationspolitik, die zunehmende Kriegstrommelei.« Das BSW dürfe nicht wie ein Haus mit Dach, aber ohne Fundament sein: »Wir brauchen unbedingt die Verankerung in den Kommunen.«

Pannowitsch ist noch kein Mitglied des BSW, auch weil die Partei noch immer eine Wundertüte sei. »Ich wollte eigentlich nur etwas mithelfen, Plakate kleben und so was, damit die neue Partei in die Gänge kommt«, sagt er. »Noch sind die Blätter alle weiß und wir haben die Chance mitzuentscheiden, was am Ende draufstehen soll.«

Schon einmal ging Pannowitsch in eine Partei. Ende der Achtziger trat er in die SED ein. Wegen Gorbatschow und weil er an einen reformierten Sozialismus glaubte, sagt er heute. Dass sich nach der Wende nicht »verwirklicht hat, was man sich erhofft hatte«, erlebte er als Zusammenbruch und Katastrophe. Gleichzeitig habe ihm die Nachwendezeit neue Chancen eröffnet; Pannowitsch geht in den Neunzigern für mehrere Jahre zum Arbeiten nach Frankreich.

Als er wieder nach Leipzig kommt, ist er überrascht, wie sich die Stadt verändert hat. Schwarze Fassaden sind sanierten Häuser gewichen. »Heute droht Leipzig aber Opfer seines Erfolges zu werden«, sagt Pannowitsch. Der fehlende Wohnraum sei ein Problem, gleichzeitig will er sich aber auch für den Erhalt von Grünflächen einsetzen. Grundimpuls seines politischen Handelns sei noch immer das Streben nach einer »Gesellschaft mit möglichst großer sozialer Gerechtigkeit«. Dass Pannowitsch keine politische Heimat in der Linkspartei gefunden hat, liege vor allem an deren Haltung zur Migrationspolitik und zum russischen Angriffskrieg.

Durch seine Arbeit an der Volkshochschule, wo er Deutsch für Geflüchtete unterrichtet, habe er Illusionen über die Asylpolitik verloren, »ohne feindselig oder frustriert zu werden«. Er nehme aber Menschen ernst, die befürchten würden, Deutschland in 20 Jahre nicht mehr wiederzuerkennen. Ob er schon einmal überlegt habe, sich bei der AfD zu engagieren? Nein, sagt Pannowitsch. Sowohl der neoliberale als auch der völkische Flügel der AfD seien für ihn ein Ausschlusskriterium – auch dafür, gemeinsame Projekte im Stadtrat anzustoßen. Während andere Kandidierende des BSW auch schon mal mit »FCK AFD«-Stickern bei Treffen aufgetaucht seien, hat Pannowitsch aber keine Berührungsängste mit der AfD: »Ich bin erst einmal gespannt darauf, meine Kollegen vom Stadtrat kennenzulernen, auch die von der AfD. Wir werden versuchen, soweit es geht, mit allen fair und respektvoll umzugehen. So, wie man bisher mit der AfD umgegangen ist, finde ich das in manchen Punkten hysterisch und ein bisschen infantil.« Im Kommunalwahl-Programm der AfD habe er durchaus Punkte gelesen, bei denen er Überschneidungen sieht.

Die gebe es aber auch mit den Grünen, deren Engagement in Umweltfragen Pannowitsch respektiert, der selbst Fan von Fahrradfahren und Deutschlandticket ist. An einer vermeintlich »ideologischen« Verkehrspolitik wie im Falle der Radwege auf dem Leipziger Ring übe er jedoch Kritik. Wie auch an Juliane Nagel, die er im Gespräch als »Jeanne d’Arc der Antifa« bezeichnet. Mit Volker Külow sei ein anderer Linken-Stadtrat aber auch schon zum Händeschütteln an Pannowitschs Wahlkampfstand vorbeigekommen.

> Jürgen Kasek (Grüne) hat es nicht wieder in den Stadtrat geschafft: »Kann meine Wut nicht nur bei X reinkippen«

> Miriam Paulsen (SPD) ist mir ihrer Kandidatur gescheitert: »Alles blöd finden ist für mich ein bisschen zu wenig«


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