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Politik

»Kann meine Wut nicht nur bei X reinkippen«

Jürgen Kasek von den Grünen wurde nicht wieder in den Leipziger Stadtrat gewählt – was nun?

  »Kann meine Wut nicht nur bei X reinkippen« | Jürgen Kasek von den Grünen wurde nicht wieder in den Leipziger Stadtrat gewählt – was nun?  Foto: Martin Jehnichen

Passé ist die bisher bestehende Mehrheit links der Mitte im Leipziger Stadtrat nach der Wahl am 9. Juni. Eine umfangreiche Analyse zur Wahl mit zahlreichen Stimmen aus den Leipziger Parteien finden Sie hier. Mit Jügen Kasek (Grüne), Miriam Paulsen (SPD) und Ralf Pannowitsch (BSW) stellen wir Ihnen drei für den Leipziger Stadtrat Angetretene vor, für die die Wahl ganz unterschiedlich ausgegangen ist.

»Der Wählerwille erscheint mitunter irrational«, sagt Jürgen Kasek, als er fünf Tage nach der Wahl in der kreuzer-Redaktion Platz nimmt. Kasek, seit 2019 das polarisierendste Gesicht der Grünen-Fraktion, hat es nicht wieder in den Stadtrat geschafft. Damit ist er nicht allein bei den Grünen: Nur drei Amtierende haben ihre Mandate behalten, acht Stadträtinnen und ein Stadtrat kommen neu dazu – durch den Absturz auf 15 Prozent verliert die Fraktion zudem vier Sitze. Das auf die Irrationalität der Wählerinnen und Wähler herunterzubrechen, erscheint Kasek dann aber doch zu leicht: »Die Kommunikation der Grünen war zuletzt nicht überzeugend, es gab eine starke Zuspitzung auf den Punkt der ›bevormundenden Partei‹ und es ist nicht gelungen, das zu entkräften.«

Für Kasek selbst war es von Beginn an ein unruhiger Wahlkampf. Aufgrund von Vorwürfen, die sein Privatleben betreffen, strich ihm der Kreisverband der Grünen die Unterstützung für die Stadtrats-Kandidatur. In einem internen Schiedsgerichtsverfahren bekam Kasek recht, der Kreisverband habe »auf den Deckel bekommen«, sagt Kasek – und musste ihn doch wieder unterstützen. Bei der Wahl bekam er mit 1.500 nicht einmal halb so viele Stimmen wie noch 2019. »So wie es vorher gelaufen ist, hatte ich länger Zeit, um mich darauf einstellen zu können«, sagt der 43-Jährige zu seiner Niederlage.

In der eigenen Fraktion ist man nicht unglücklich, dass Kasek den Wiedereinzug verpasst hat. Sie seien keine Freunde gewesen, sagte Fraktionschefin Katharina Krefft der LVZ zum Verhältnis mit Kasek. Die Aussage habe ihn enttäuscht, sagt Kasek dem kreuzer. Teile der Fraktion störten sich an seinem aktivistischen Auftreten, sagen, Kompromisse seien nicht seine Stärke. Wenn er seiner Partei einen Hang zu Bevormundung vorwirft, so sehen nicht wenige in Kasek selbst das perfekte Beispiel dafür. Auf wen treffe seine Kritik denn sonst in der Fraktion zu? Kasek lacht kurz, überlegt und sagt dann: »Ich glaube, die Kritik an dieser Stelle, die muss ich mir auch selbst gefallen lassen. Es gibt eine Reihe von Leuten, die mir zwar das Engagement nicht absprechen, aber sehen, dass ich mit einem gewissen Rigorismus am Werk bin.« Er merke, dass er Menschen mitreißen könne. »Selbstkritisch muss ich aber auch sagen, dass mir Achtsamkeit, also Rücksichtnahme auf Befindlichkeiten von anderen, schwerfällt.«

Dass es im Stadtrat Menschen wie ihn brauche, die im Aktivismus verwurzelt sind, davon ist Kasek überzeugt. Spricht man mit ihm, wird es schnell grundsätzlich, es fallen Begriffe wie »demokratische Regression«, Kasek macht sich Gedanken über die nordatlantische Umwälzströmung und die fehlende Repräsentation im Stadtrat, die auch ihn als alleinerziehenden Vater betreffe. Dass Familie und Stadtrat sich nicht verbinden lassen, dass habe er auch an der Reaktion seiner Tochter gemerkt: »Ich wecke sie, damit wir zur Schule kommen, und sie guckt mich an und fragt: ›Und, bist du wieder im Stadtrat?‹ – Ich sage: ›Nein‹ und daraufhin ballt sie die Faust und lächelt.«

Die Hoffnung, seiner Tochter eine lebenswerte Zukunft zu hinterlassen, werde ihn auch in Zukunft weiter antreiben: »Ich kann nicht zu Hause sitzen und meine ganze Wut nur noch bei X reinkippen. Aus der Unzufriedenheit wächst in einer Demokratie immer auch die Verantwortung, sich der Demokratie zu bemächtigen und zu handeln.«

> Ralf Pannowitsch ist für das BSW neu in den Stadtrat eingezogen: »Wir brauchen unbedingt die Verankerung in den Kommunen«

> Miriam Paulsen (SPD) ist mir ihrer Kandidatur gescheitert: »Alles blöd finden ist für mich ein bisschen zu wenig«

 


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