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Assassin’s Creed Origins & SOMA

Assassin’s Creed Origins & SOMA

Schauen statt Hauen

Preis: 60 €

Richtig spielt man nur auf eine bestimmte Art – dieses alte Missverständnis wird von Entwicklern gepflegt, von Spielern verteidigt. Mit dem Argument wird Spielern erklärt, warum sie keine Cheats benutzen, keine Tipps lesen und keinen einfachen Schwierigkeitsgrad wählen dürfen. Das Argument ist dumm und falsch. Jede und jeder spielt anders. Wenn alle genau dasselbe erleben sollen, dann können wir uns auch Videos anschauen. Dann können wir uns die Interaktivität des Mediums, die revolutionäre Idee, dass jeder etwas anderes erleben, sehen und tun kann, in die Haare schmieren. Woher kommt die dämliche Idee? Auf der einen Seite steht das verstaubte Ideal vom richtigen Kunstgenuss: Fünf Stunden Wagner werden idealerweise ohne Pause auf einem harten Holzstuhl rezipiert. Auf der anderen Seite steht das unappetitliche Urklischee von Spielern als Alphatieren auf Highscorejagd. Spiele müssen nach dieser Logik hohe Hürden errichten, die von Spielern mit hart erlernten Skills überwunden werden. Wer da nicht rüberkommt, der verdient es nicht, am Medium teilzuhaben. Zwei Spielarten elitären Bullshits sind es also, die Menschen vom wichtigsten Medium der Gegenwart fernhalten. Aber immer mehr Spielemacher begreifen, dass ein Spiel nicht schlechter wird, wenn man es auch aus anderen Richtungen betrachten kann, wenn mehr Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Interessen Zugänge finden. »Assassin’s Creed« macht vor, dass auch Wege an den Hürden vorbeiführen. In der Spielserie reisen zeitgenössische Attentäter durch liebevoll nachgebaute historische Schauplätze. Der neue Teil der Serie »Origins« ist ein okayes Action-Adventure an einem grandiosen Schauplatz. Ab diesem Frühjahr dürfen Spieler das eine ignorieren und das andere erleben: Ägypten wird in einem neuen Spielmodus zum riesigen Freilichtmuseum. Solche Ideen werden noch angefeindet. Dabei geht es nicht um die Abschaffung aller Herausforderungen, sondern um die Schaffung von Alternativen. Das haben auch die Macher von »SOMA« verstanden, einer intelligenten und doppelbödigen Science-Fiction-Erzählung. Bisher konnten den Trip nur Menschen erleben, die Nerven und Geschick für ein beklemmendes Horrorspiel mitbringen. Der Held der Geschichte wird von elektronischen Schreckgestalten gejagt und er kann meist nichts tun, als sich wimmernd zu verstecken. Das kann man so machen. »SOMA« ist ein gutes Spiel. Aber warum soll man den Schrecken nicht auch abschalten dürfen? Es wirkt ohnehin so, als wären die Ungeheuer ein unnötiges Erbe aus früheren Horrorspielen desselben Entwicklers. Auch ohne die Angst erzählt »SOMA« eine fesselnde Geschichte, es verhandelt die Frage nach unserer menschlichen Identität. Die wahren Albträume verstecken sich nicht hinter der nächsten Ecke, sondern in unserer Zukunft. Und so haben die Autoren nach Jahren ein Einsehen und liefern einen Spielmodus nach, in dem die Monster nicht angreifen. Das ist nicht der offiziell abgesegnete Weg, »SOMA« zu spielen, aber es macht einen lohnenden Titel für alle erlebbar, die ihn sonst nicht spielen würden. Wer sich darüber ernsthaft aufregt, der meckert auch über barrierefreie Bahnhöfe. Echte Gamer nehmen schließlich die Treppe. Jan Bojaryn


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