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Rezensionen

The Neverhood (1996)

The Neverhood (1996)

Knete kann alles sein. Das verstehen Kinder, die aus ihren Gedanken Gegenstände formen. Das verstand auch der Künstler und Comiczeichner Doug TenNapel, der sich deswegen schon vor Jahrzehnten an dieser Idee abarbeitete: Ein Computerspiel aus Knete. Wer auf eine handgeformte Welt schaut, blickt aus der Wirklichkeit heraus in die Gedankenwelt eines anderen Menschen hinein. TenNapel hatte einerseits eine komplexe Schöpfungsgeschichte mit einem existenziellen Konflikt im Kopf, andererseits einen Haufen surrealen Slapstick. Mit seinem Team schuf er einen beunruhigenden Trip, der sich anfühlt, als würde Franz Kafka einen Witz erzählen. So liest sich leider auch TenNapels weiterer Werdegang – er fällt inzwischen vor allem als rechter Kulturkämpfer auf. Doch »The Neverhood« wirkt wie ein Artefakt aus einer weniger bestimmten Zeit. Knete ist formbar, und der Held der Geschichte – Klaymen – erwacht in verzogenen Räumen, leer und trostlos, voller absurder Rätsel. Durch wildes Herumklicken kann beispielsweise ein Zughebel dafür eingesetzt werden, mit einem riesigen Hammer eine Tür einzuschlagen. Das komplette Spiel folgt einer absurden Traumlogik. So ist ein frustrierendes, faszinierendes Kunstwerk entstanden, das heute höchstens noch beim Zugucken Spaß macht. Und eine Inspiration für andere, bessere Spiele. Denis Gießler

Harold Halibut

Harold Halibut

Entwickler/Publisher: Slow Bros, Plattform: PC, PlayStation 5, Xbox Series X/S, Preis: 34,99 € (digital)

Leidenschaft braucht Zeit, das wird nicht nur bei Phil Tippetts Stop-Motion-animiertem Meisterwerk »Mad God« offensichtlich, das 30 Jahre bis zur Fertigstellung brauchte (s. S. 43). Auch die Kölner Slow Bros. machen ihrem Namen alle Ehre. In rund zehn Jahren kreierten sie eine Welt und deren Bewohner in Handarbeit. Anschließend scannten sie die Einzelteile und animierten sie schließlich am Computer. Das Ergebnis ist ziemlich einzigartig: Die Figuren und Sets wirken plastisch, greifbar und emotional näher als rein digitale Kreaturen. Eine bemerkenswerte Leistung, die uns im Zusammenspiel mit der liebevollen Synchronisation Harold Halibut und die Bewohner der Fedora ans Herz wachsen lässt. Harold ist ein Handyman, ein Handlanger, der Mann für alle Fälle auf der Unterwasserstation. Einst brach die Fedora zu den Sternen auf, bis sie auf einem komplett mit Wasser bedeckten Planeten notlandete. Hier wieder wegzukommen, ist einer der roten Fäden der Handlung, eine seltsame Kreatur – halb Fisch, halb Mensch –, die eines Tages im Filtersystem des Raumschiffs landet und für Harold zum Freund wird, ein anderer. Aber hauptsächlich verbringen wir die Tage damit, Freundschaften zu pflegen. Zahlreiche Figuren laufen uns in den rund 20 Stunden Spielzeit über den Weg, die uns Aufgaben mitgeben oder einfach nur ihr Herz ausschütten. Spielerisch mag das nicht besonders aufregend sein, künstlerisch ist es aber ebenso eigenwillig wie einzigartig. Lars Tunçay

Footgun: Underground

Footgun: Underground

Entwickler: Turtle Knight, Publisher: Cobra Tekku, Plattform: PC, Preis: 15 €

Vielleicht, vielleicht haben Videospiele sich verlaufen. Als ein Teil der Branche sich gefragt hat, ob der einsame Held mit der Knarre in der Hand nicht vielleicht auch ein Vater mit schlechtem Gewissen sein könnte, und dann weiter Überstunden gemacht hat, um Spiele über traurige Väter mit Knarre in der Hand zu entwickeln. Eine bessere Frage haben Turtle-Knight-Games gestellt, ein Indiestudio nordwestlich von Darmstadt: Warum in der Hand? Und so ist das brillante Kleinod »Footgun: Underground« entstanden. Es sieht wie ein uraltes Jump’n’Run aus und wird im Wesentlichen auch so gesteuert. Allerdings haben wir keine Handfeuerwaffe, sondern einen Ball, den wir mit dem Fuß auf die herannahenden Gegner schießen müssen, um sie zu besiegen. Ist das ein Fußballspiel? Wäre Darmstadt 98 mit dieser Strategie erstklassig geblieben? Zumindest bringt »Footgun« eine Qualität auf den Platz, bei der auch zynisch gewordene Spielejournalisten zum Fan werden. Anfangs geht es hier wirklich um die überraschend frickelige Ballkontrolle, um ein heikles Abwägen zwischen hüpfendem Ausweichen und schnell kontrolliertem Abschuss. Doch dann bekommen wir einen Zweitball, dann werden die Dinger magnetisch, explodieren, platzieren Bomben und mehr. Mit der Zeit fühlt sich das Spiel dann eher so an wie Flipper, wie ein einfaches Vergnügen aus einer Zeit, als der Weg noch klar schien und in den Highscore führte. Statt in die Überstunden. Jan Bojaryn

Indika

Indika

Entwickler: Odd Meter, Publisher: 11 Bit, Plattform: PC, PS5, Xbox Series, Preis: 25 €

»Nach dieser Mitteilung«, erklärte Dmitry Svetlow, sei es wohl »besser, nicht zurückzukommen«. Svetlow, ein russischer Spieleentwickler, hatte den Angriffskrieg seines Heimatlandes auf die Ukraine als »wahnsinniges Verbrechen« verurteilt. Und ist dann mit seinem kleinen Spielestudio Odd Meter weggezogen. Jetzt sitzen sie in Almaty, in Kasachstan. Das neue Spiel von Odd Meter hat eigentlich nichts mit der politischen Katastrophe zu tun und war bereits länger in der Entwicklung. Eigentlich ist es kein Kommentar zum gegenwärtigen Russland oder der Verzahnung von Kirche und Propaganda. Doch es ragt wie eine Provokation, wie ein wunderschöner, unübersehbarer Mittelfinger aus der Spielelandschaft heraus. Und jetzt ist es fertig. »Indika« ist ein etwa vierstündiger Trip, ein surrealer, bitterer und stellenweise brillanter Abgesang auf die russisch-orthodoxe Kirche im Besonderen und auf autoritäres Denken im Allgemeinen. Das eigentlich Unverschämte an »Indika« ist die Perspektive. Es kümmert sich um keinen objektiven Realismus und spielt konsequent im Kopf einer jungen Nonne in einem verfremdeten Russland des 19. Jahrhunderts. Die junge Indika bemüht sich um ein frommes, gottgefälliges Leben, doch die Umstände sind nicht auf ihrer Seite. Nichts an dieser Welt ist einfach. Im Kloster erlebt sie keine christliche Nächstenliebe, sondern trostloses Schuften in Schlamm und Schnee. Die Schikane durch die älteren Schwestern ist sogar interaktiv. Zuerst müssen wir mit Indika fünfmal hintereinander zum Brunnen stapfen, um ein Wasserfass aufzufüllen, spüren die Langeweile auch ganz persönlich, und dann wird das Wasserfass umgestoßen. Es gibt Spiele, die Spaß machen wollen. Dieses hier hat etwas anderes vor. Indika reagiert angemessen auf die Lage: Sie entwickelt Wahnvorstellungen und halluziniert. Für ihr abweichendes Verhalten wird sie dann neu bestraft. Da ist es kein Wunder, dass der Teufel bereits im Schatten wartet und die Geschichte erzählt. (...) Jan Bojaryn

Botanicus

Botanicus

Autoren: Samuele Tabellini und Vieri Masseini, Publisher: Hans im Glück, Preis: etwa 45 €

Pünktlich zu Ostern erschien bei Hans im Glück »Botanicus«, ein Kennerspiel, aber doch einsteigerfreundlich. Bis zu vier Personen werden zum Gärtner und wollen es schaulustigen Gästen recht machen, die ganz bestimmte Ansprüche an die Gärten stellen. Um die Aufträge zu erfüllen, wird Geld gesammelt, werden Blumen angepflanzt und gegossen. Alle Aktionen werden auf einem gemeinsamen Spielbrett ausgelöst. Wer einen bestimmten Wunschzug durchführen will, muss genau im Auge behalten, wo sich die Gegengärtner platzieren. Jeder Garten ist als Raster angelegt, und während im Laufe des Spiels Punkte für vollständige Reihen vergeben werden, sind volle Spalten für die Endwertung wichtig. Wegen dieser Doppelzählung ist die Entscheidung für eine passende Taktik komplex. Die Regeln sind hingegen schnell erklärt und gut verständlich, auch dank der hervorragenden Anleitung. Die Komplexität des Spiels ist daher nicht ganz leicht einzuordnen – das ist durchaus ein Kritikpunkt an »Botanicus«. Ansonsten fühlt sich das Spiel sehr rund an. Das Material ist liebevoll gestaltet. Das Thema wurde dem Mechanismus nicht einfach übergestülpt. Und anders als bei dem Naturbrettspielhit »Flügelschlag« bietet »Botanicus« auch eine intensive Interaktion zwischen den Spielenden. Zudem glänzt das Spiel mit einer Standard- und einer Expertenvariante und ermöglicht es so, die Schwierigkeit individuell anzupassen. Beide überzeugen. Joachim Kern

Princess Peach: Showtime!

Princess Peach: Showtime!

Entwickler/Publisher: Nintendo, Plattform: Switch, Preis: 49 €

Fast zwei Jahrzehnte ist es her, dass Prinzessin Peach ihren letzten Auftritt als Heldin eines eigenen Videospiels hatte. In »Super Princess Peach« auf dem DS bekämpfte Peach ihre Gegner noch mit Emotionen. Eine ihrer Superkräfte war Flennen – ein zeitgemäßes Abenteuer ist also überfällig. Zumal die Prinzessin vor einem Jahr der eigentliche Star war im erfolgreichsten Animationsfilm aller Zeiten, dem »Super Mario Bros. Film«. Nintendo schickt Peach mit ihren Toads ins Theater. Doch die finstere Lady Grape stört mit ihrer Sauertruppe den Kulturgenuss. Also muss Peach in zehn verschiedene Kostüme schlüpfen, die individuelle Fähigkeiten mit sich bringen, um die Fieslinge von der Bühne zu fegen. Das Bühnenbild ist abwechslungsreich und detailverliebt gestaltet. Da lugt mal ein Strohhalm aus dem Teich hervor, wenn sich Ninja-Peach vor den Gegnern versteckt, und die Pferde im Westernsetting galoppieren an Bindfäden über die Prärie. Die Kulissen drehen sich und geben Geheimnisse preis, es gibt viel zu entdecken und reichlich Abwechslung. Das Abenteuer ist dabei immer auch für die kleinsten Joypadakrobaten zugänglich, bietet allen anderen zum Beispiel mit bis zu zehn Sternen, die es in jedem Level zu entdecken gilt, aber auch genügend Herausforderungen. Ein wahrlich würdiger Auftritt also, vielleicht nicht so überbordend wie ein »Super Mario Wonder«, aber eigenständig genug und höchst unterhaltsam. Lars Tunçay

Enshrouded

Enshrouded

Entwickler & Publisher: Keen Games, Plattform: PC, Preis: 30 €

Bossgegner können ziemlich nervig sein, vor allem, wenn sie einfach nicht sterben wollen. In »Enshrouded« reicht eine rostige Spitzhacke, um selbst noch den größten Brocken zu fällen. Denn in dem Survival-Rollenspiel ist die Spielwelt nicht starr, sondern veränderbar. So graben sich Spielerinnen und Spieler einfach an Bossen vorbei. Oder sie lassen die Fieslinge einfach stehen und bauen ihr eigenes Dorf weiter. »Enshrouded« ist ein offener Genre-Mix, ein digitaler Lego-Baukasten, der einen Nerv beim Publikum trifft. Mehr als zwei Millionen Mal wurde das Early-Access-Spiel bislang auf Steam verkauft. Lange hat die deutsche Spielebranche so einen Hit herbeigesehnt. In der riesigen, offenen Spielwelt erkundet man mit bis zu 16 Freundinnen und Freunden Wälder, Städte und den namensgebenden Shroud-Nebel. Wie in »Minecraft« oder »Valheim« gibt es umfangreiche Crafting-Mechaniken: Man sammelt und verarbeitet immer bessere Rohstoffe, um die anfänglich olle Holzhütte nach und nach in ein prächtiges Landhaus zu verwandeln. Oder um legendäre Waffen zu schmieden. Wenn Menschen hier freiwillig stundenlang Kupfer abbauen und Tomaten ziehen, anstatt endlich dem armen Schmied seine verlorene Ausrüstung wiederzubeschaffen, dann haben die Frankfurter Entwicklerinnen und Entwickler sehr viel sehr richtig gemacht. »Enshrouded« weckt die Kreativität in jedem ehemaligen Lego-Kind. Vielleicht kann man den Bossgegner ja auch eingraben? Denis Gießler

Assassin’s Creed IV: Black Flag (2013)

Assassin’s Creed IV: Black Flag (2013)

Um den ganzen Schlamassel zu verdeutlichen: »Skull and Bones« war ganze elf Jahre in Entwicklung und soll bis zu 200 Millionen US-Dollar gekostet haben. Für »Assassin’s Creed IV: Black Flag« hat Ubisoft Montreal knapp drei Jahre gebraucht – und ein Meisterwerk abgeliefert. »Black Flag« hat alles, was »Skull and Bones« gerne hätte: eine lebendige Open World, Piratenflair und dieses Inselchen am Horizont, auf dem bestimmt ein Schatz vergraben ist. »Black Flag« ist im Herzen ein Erkundungsspiel und verschmilzt mit dem Attentätergameplay der Vorgänger. Als Assassin-Anwärter Edward Kenway steuert man das eigene Schiff durch die Karibik des 18. Jahrhunderts und plündert von den klapprigen Holzdächern Havannas bis zu fetten Galeonen alles Mögliche. Wenn Dutzende Schiffskanonen losballern und Holz splittert, fühlt sich das aufregend an, das Kapern eines Laderaums nach hartem Kampf wie eine faire Belohnung. Mit »Black Flag« fand Ubisoft die perfekte Balance zwischen einer großen und einer nicht zu großen Spielwelt. Niemals wieder sollte der Spielekonzern so gut verstehen, wo die Stärken seiner Reihe liegen. Spielerinnen und Spieler liebten »Black Flag«, mit etwa 15 Millionen verkauften Stück ist es einer der erfolgreichsten Serienteile. Ubisoft, es wird Zeit für ein Remake. Denis Gießler

Vertigo 2

Vertigo 2

Entwickler/Publisher: Perpetual Entertainment/Zulubo Productions, Plattform: PC VR, PS VR2, Preis: 29,99 € (digital), 34,99 € (Box)

Vor dem Höhleneingang erstreckt sich ein pilzartiges Geflecht. Als ich mich nähere, öffnet sich darin ein Mund und wirft mir ein »Oh, well, hello there!« entgegen. Im Folgenden bittet mich das gut gelaunte Gewächs darum, nach einer Sprühflasche Ausschau zu halten, die ich finde und gründlich zum Sprühen bringe. Schließlich öffnet die Flechte mit einem zufriedenen Stöhnen den Weg. Begegnungen wie diese sind in der Welt von »Vertigo« nichts Ungewöhnliches. Schöpfer Zach Tsiakalis-Brown ist spürbar Fan von »Rick & Morty« und injiziert seinem Story-Shooter eine große Dosis von Justin Roilands eklektischem Gaga-Humor. Nachdem der erste Akt auf dem PC 2016 zum Überraschungshit avancierte, holt »Vertigo 2« nun richtig aus. Mit deutlichen Anleihen an Valves »Half Life: Alyx« ballert und rätselt man sich als humanoides Alien den Weg aus einem Reaktorkern ans Tageslicht. Das heißt, man wühlt sich anfangs vor allem durch Tunnel und Gänge, läuft aber später auch durch Außenareale. Abwechslung wird hier ohnehin großgeschrieben: So holt man zwischendurch auch mal mit einem Geschütz Raumschiffe vom Himmel, schwimmt oder stellt sich mächtigen Zwischenbossen. Man spürt die Liebe für VR, die Zach Tsiakalis-Brown antreibt. In jahrelanger Handarbeit programmierte er sein Opus selbst und komponierte sogar noch einen einstündigen Soundtrack. Klar, dass »Vertigo 2« den Polish von Valves Vorzeige-VR vermissen lässt. Aber die Ecken und Kanten machen dieses Herzensprojekt nur noch liebenswerter. Lars Tunçay

Skull and Bones

Skull and Bones

Entwickler/Publisher: Ubisoft, Plattform: PC, Playstation 5, Xbox Series X/S, Preis: 55 €, USK: 16

Was haben Piraten und globale Videospiel-Firmen gemeinsam? Starke monetäre Zwänge. Und die merkt man dem Online-Piratenspiel »Skull and Bones« jederzeit an. Das kommt nicht von ungefähr, denn Entwickler Ubisoft bastelte elende elf Jahre an dem Spiel – das sind Äonen in Computerspieljahren. Und wer so lange Geld und Arbeitskraft in ein Projekt steckt, will natürlich wenigstens seine Kosten wieder einfahren. Wie ein echter Vollpreistitel fühlt sich »Skull and Bones« aber nie an. Eher wie ein labbriger Pappkarton von der Bestpreis-Pyramide im Elektrofachmarkt. Oder wie ein Download aus der halbseidenen Sonderangebote-Ecke im Playstation-Store. Spielen soll ja eigentlich Spaß machen, aber das schafft »Skull and Bones« nur selten. Das könnte zum Beispiel mit einer schönen Story klappen, auf die wird aber praktisch gänzlich verzichtet. Also schippern wir mit einem Piratenschiff über den Indischen Ozean und ernten verschiedene Rohstoffe durch unwürdige Minispiele ab. Oder wir rauben die Schätze anderer Schiffe, die wir in mediokren Gefechten versenken. Mithilfe der neuen Reichtümer wird dann das eigene Schiff gepimpt. Das ist der kapitalistische Kreislauf von »Skull and Bones« – ein endloser, seelenloser Grind. Das mit den Piratenspielen ging schon mal viel besser, zum Beispiel 2013 (!) mit »Assassin’s Creed IV: Black Flag«, übrigens auch von Ubisoft (siehe unten). »Skull and Bones« ist wie Saufen ohne Rausch. Macht keinen Spaß, aber die Zeche muss trotzdem irgendjemand zahlen. Alberto Balsam

Llamasoft: The Jeff Minter Story

Llamasoft: The Jeff Minter Story

Entwickler & Publisher: Digital Eclipse, Plattform: PC, PS4/5, Switch, Xbox One/S/X, Preis: 30 €

Als Teenager in den siebziger Jahren lag Jeff Minter im Bett, hörte Musik und stellte sich abstrakte Formen vor, die im Takt pulsierten und sich veränderten. Später baute er eine Karriere auf dieser Erfahrung auf. Er gründete eine Firma namens »Llamasoft«, nannte sich »Yak« und entwickelt nun seit über 40 Jahren technisch ausgefeilte Spiele mit Arcade-Gameplay. Minter hat einen grauen Bart bekommen, aber er ist immer noch aktiv, sitzt im Wollpulli vor dem Computer, entwickelt hypnotische Software und füttert seine Schafe. All das lässt sich in der neuen, interaktiven Doku »Llamasoft: The Jeff Minter Story« nachvollziehen, erhältlich für PCs und Konsolen. Vielleicht ist es auch keine Doku, sondern ein virtuelles Museum. Auf mehreren Zeitleisten arrangiert der Titel Originaldokumente, neu produzierte Kurzvideos und eine lange Reihe uralter Originalspiele. Das Ergebnis fühlt sich an wie eine Ausstellung, die in ein Museum gehören würde; wenn Leute wüssten, wie wichtig Jeff Minter ist. Einerseits wurde Minter von Teilen der Branche schon immer als exzentrischer Freak belächelt. Andererseits hat der Ausnahmekönner und Sturkopf Erweckungserlebnisse geschaffen, die bis heute nachwirken. Seine Shooter und Licht-Synthesizer haben neue visuelle Möglichkeiten geschaffen. Vorher wirkten Spiele statisch und starr, seit Minter können sie wabern, schmelzen und zerlaufen. Er machte Software organisch und lebendig. Wer je staunend abstrakte Visuals zu Musik angestarrt hat, kann sich bei Minter bedanken. Leider tun das wenige. Videospiele werden vergessen. Gegenmaßnahmen wie das »Haus der Computerspiele« in dieser Stadt gibt es, doch im Großen und Ganzen stimmt der Befund leider. Große Spielefirmen behandeln ihr eigenes Erbe noch immer wie Restmüll, von dem nur ein Teil als Remake upgecycelt werden kann. Die neueste Blüte dieser Brutalität ist die Angewohnheit, neue Spiele schnell zu beerdigen. Wenn ein Online-Titel floppt, werden die Server abgeschaltet. (...) Jan Bojaryn

Ratchet & Clank: Rift Apart

Ratchet & Clank: Rift Apart

Plattform: PS5 / Entwickler: Insomniac Games / Anbieter: Sony / Preis: 74,99 €

Seit fast 20 Jahren sind sie untrennbar: Das dynamische Duo aus dem spitzohrigen Lombax Ratchet und dem melancholischen Roboter Clank war seit seinem ersten Auftritt als intergalaktische Weltenretter wider Willen auf der Playstation 2 in mehr als 14 Episoden unterwegs. Das letzte Abenteuer liegt allerdings schon fünf Jahre zurück. Entwickler Insomniac kümmerte sich derweil um die »Spider-Man« Episoden auf der PS4 und ist als jahrelanger Exklusiventwickler auch seit 2019 offiziell unter dem Dach von Sony. So durften sie jetzt den ersten Vorzeigetitel für die Playstation 5 entwickeln, der von den Vorteilen der neuen Konsolengeneration profitiert. Das ist, neben der detailreichen Grafik und den unzähligen Objekten, die den Bildschirm mit Leben erfüllen, vor allem der Wegfall von Ladezeiten. Die eingebaute SSD erlaubt den nahtlosen Wechsel zwischen den Welten. So geht es pfeilschnell aus dem arktischen Eis auf einen prähistorischen Planeten, die Helden gleiten auf Monoschienen vorbei an einem gigantischen Roboter, während um sie herum die Projektile sirren. »Ratchet & Clank« ist auch heute vor allem ein Actionspiel mit Geschicklichkeitseinlagen, bei dem sich nach einer Weile ein wunderbarer Flow einstellt, dem nur die eigene Fingerfertigkeit im Weg stehen könnte. Ausgangspunkt ist eigentlich eine prächtige Parade für den galaktischen Helden Ratchet. An deren Ende wollte ihm sein Freund Clank eine Maschine überreichen, mit der man Dimensionstore öffnen kann, um Ratchet die Suche nach seinen Artgenossen zu erleichtern. Doch ihr Erzfeind Dr. Nefarious sprengt die Feierlichkeiten, greift sich kurzerhand den Apparat und stellt das Universum auf den Kopf. Jetzt ist es also erneut an Ratchet und Clank, alles wieder geradezubiegen. Unerwartete Hilfe bekommen sie durch die schlagkräftige Lombax-Lady Rivet. Sie steuert sich kaum anders als Ratchet, bereichert aber die solide Storyline. (...) Lars Tunçay

Mass Effect

Mass Effect

Entwickler: Bioware / Publisher: EA / Plattform: PC, Xbox (ab One), Playstation (ab 4) / Preis: 60 €

Wenn einsam Synthesizer pfeifen, dann ist es Science-Fiction. Heutzutage wird der Weltraum im Fernsehen mit Blockflöten und Symphonieorchestern untermalt, aber dieses verhallte Klingeln haben Genrefans seit 2007 im Ohr: das Thema von »Mass Effect«. Es klang schon damals wie eine Rückbesinnung, weg von Laserschwertern und Special Effects, hin zum Weltraum an sich. Er ist still, groß und geheimnisvoll. An Bord schnittiger Raumschiffe und monumentaler Raumstationen stehen nachdenkliche Aliens am Fenster und blicken in die Sterne. Millionen von Menschen haben sich in diesen Weltraum (und die Aliens) verliebt. »Mass Effect« erschien als Trilogie aus drei Rollenspielen zwischen 2007 und 2012. Das Entwicklerstudio Bioware war bereits bekannt für tiefgründige Geschichten. Doch mit »Mass Effect« kam cineastische Bildsprache dazu. Die Grafikleistung reichte nicht nur für tolle Sternentapeten, sondern für Charaktere in Nahaufnahme. Mit Mimik! Plötzlich waren ellenlange Multiple-Choice-Gespräche nicht mehr nur eine Vorlesestunde. Sie öffneten einen Raum für das Anschmachten. Hat der forsche Turianer auch einen weichen Kern? Was verbirgt sich unter der Maske der Quarianerin? Die Trilogie durchlief Aufs und Abs; Teil zwei wurde noch ekstatischer gefeiert, Teil drei fast von einem Shitstorm enttäuschter Fan-Erwartungen begraben. Aber dieses Niveau bleibt unerreicht. Ein viertes »Mass Effect«-Spiel mit neuem Setting floppte. Jetzt erscheinen die ersten drei Spiele als »Mass Effect: Legendary Edition«. Im Paket sind nicht einfach die drei Spiele von früher, sondern eine behutsam restaurierte Version. Die Spiele sehen immer noch erkennbar alt aus, sind aber wieder schön. Sie laufen runder und schneller. Vor allem die neuen, lebensechten Gesichter machen einen Unterschied. Beim Spielen fühlt sich »Mass Effect« auch heute noch modern, aber eigensinnig an. Es bietet viel Action, aber auch viel dazwischen. (...) Jan Bojaryn

Outlaws (1997)

Outlaws (1997)

Der Klassiker

Ein paar Kakteen, einen Cowboyhut und einen »Saloon«-Schriftzug. Mehr brauchte es lange Zeit nicht, um in Computerspielen ein überzeugendes Western-Szenario zu zimmern. Weil im »Wilden Westen« vor allem herumgeschossen wird, war es in den neunziger Jahren nur eine Frage der Zeit, bis sich das neue Ego-Shooter-Genre dem Setting widmen würde. Nach Dutzenden Science-Fiction-Ballereien war es Zeit für etwas Neues. Und so veröffentlichte die berühmte Spieleschmiede LucasArts 1997 »Outlaws«. Der Shooter orientierte sich stark an den Anti-Western-Filmen der sechziger Jahre. Ein rücksichtsloser Eisenbahnmagnat ließ die Frau des Protagonisten töten, weshalb der Spieler einen Rachefeldzug antrat. In typischen Western-Szenarien – einer Stadt, einer Mine mitsamt rasanter Lorenfahrt und einem Canyon – pflügte man sich mit Pistolen, Schrotflinten und Dynamitstangen durch Gegnerhorden. Anders als etwa bei »Quake« mussten Patronen für die Waffen einzeln nachgeladen werden. In den weitläufigen Levels war auch das in Spielen neuartige Zielfernrohr eine Hilfe, um Gegner aus der Distanz auszuknipsen. »Outlaws« war schon beim Erscheinen grafisch veraltet, so schnell entwickelte sich damals die 3-D-Grafik weiter. Erst neun Jahre später sollte ein neuer Westernshooter erscheinen: »Call of Juarez«. Denis Gießler

Minute of Islands

Minute of Islands

Entwickler: Studio Fizbin / Publisher: Mixtvision / Plattform: PC, Xbox (ab One), Playstation (ab 4), Switch / Preis: 20 €

Ziele zu erreichen, ist schwer. Hier setzen Videospiele an: Sie pflastern ihre Welten mit erreichbaren Zielen. Alles ist schaffbar. Damit sind sie ein schöner Urlaub vom restlichen Leben. Aber sie setzen den Erfolgsdruck mit einiger Selbstverständlichkeit fort. Der anhaltende Produktivitätsterror wird selten hinterfragt. In dem kleinen und kurzen Indie-Adventure »Minute of Islands« passiert genau das; es handelt von einer psychisch kranken Heldin, die sich mit aller Kraft gegen den Untergang einer Inselwelt stemmt. Doch die Welt ist schon verloren. Das ist beim Spielen so hart, wie es klingt. So schön die handgezeichneten Inseln auch vermodern, es geht deutlich bergab. Eigentlich weiß es auch die Heldin. Doch »Minute of Islands« ist nicht einfach ein Depri-Spiel, denn es erzählt seine Geschichte mitfühlend und klug. Und es sieht bei allem Ekel hinreißend aus. Pilze wuchern, Wale verwesen, einbeinige Möwen picken im Aas, und die Heldin Mo stapft in ihrem signalgelben Mantelkleid durch das Elend. Automatisch wächst sie ihren Spielern ans Herz. Auch wenn Mo alles schwarz sieht, bleibt die Welt auf eine schwer greifbare Art schön. Der tödliche Schimmel strahlt in bunten, raumgreifenden Fruchtkörpern über die authentisch verrottenden Zivilisationsreste. Jeder Bildschirm steckt so voller fantastisch gezeichneter Details, dass es das Spiel hoffentlich bald auch als Bildband geben wird. Jan Bojaryn

Solasta: Crown of the Magister 

Solasta: Crown of the Magister 

Entwickler + Publisher: Tactical Adventures / Plattform: PC / Preis: 40 €

Dass »Solasta« vom einstigen Mitbegründer der französischen Amplitude Studios entwickelt wurde, sieht man am Design des Interface und der Spielmenüs. Schlicht, elegant und funktional sind die – und was bei Strategiespielen wie »Endless Legend« funktioniert hat, schadet auch einem Rollenspiel nicht. Überraschend gut ist es geworden, das Debüt von Mathieu Girards neuem Studio Tactical Adventures: ein klassisches Rollenspiel im Stil von »Baldur’s Gate«, in dem am Anfang ganz klassisch die Charaktererschaffung steht. Dabei gelingt es »Solasta«, der Ansammlung von Zahlenwerten, die so ein Rollenspiel-Charakter ist, durch gutes Voice-Acting und schön geschriebene Dialoge eine Stimme und ein Gesicht zu geben. Die Party entwickelt ein ganz spezielles Eigenleben, weil die Charakterwerte beeinflussen, wie die Spielfiguren sich im Verlauf der Geschichte verhalten, was sie sagen und wie sie es sagen. Auch in anderen Bereichen wurde geschickt an den Schrauben der bekannten Formel gedreht. Höhenunterschiede und Lichtverhältnisse spielen in den rundenbasierten Kämpfen eine wichtige Rolle, ein Zauberspruch ermöglicht sogar das Fliegen. Weniger originell ist der Plot, man rettet wieder einmal die Welt, die aber immerhin mit einer extra für »Solasta« geschriebenen Hintergrundgeschichte aufwarten kann. »Solasta« ist ein bugfreies, komplexes D&D-Rollenspiel, das mit gutem Loot und einer brauchbaren Story belohnt. Alexander Praxl

Resident Evil Village

Resident Evil Village

Entwickler/Anbieter: Capcom / Plattform: PS4, PS5, Xbox One, Xbox Series X / Preis: 69,99 €

Vor 25 Jahren zog das Grauen auf der Playstation ein. Das Genre wurde zwar schon einige Jahre zuvor mit »Alone in the Dark« begründet, bekam aber mit der Aufforderung »Enter the Survival Horror …« im ersten »Resident Evil« nicht nur seinen Namen. Auch sonst prägte die Reihe über die Jahre das Genre maßgeblich. Rund 30 Titel erschienen seitdem, rechnet man die zahlreichen Umsetzungen und Neuauflagen mit ein. Bezog die Serie zunächst noch ihren Nervenkitzel aus der starren Kameraperspektive, vollzog »Resident Evil 4« 2005 in mehrfacher Hinsicht einen Perspektivwechsel. Fortan hing die Kamera über der Schulter des Protagonisten und statt eines gruseligen Herrenhauses war nun das spanische Hinterland Schauplatz des Grauens, statt Zombies setzten sich nun Anhänger eines Sektenkults zur Wehr. Gleichzeitig verschob sich der Schwerpunkt, dem allgemeinen Spieletrend geschuldet, immer mehr in Richtung Action. Mit dem 2017 erschienenen »Resident Evil VII« besann man sich wieder auf alte Gruseltugenden, verschob jedoch ein weiteres Mal die Perspektive. Aus der Ego-Ansicht wirkt das Grauen so intensiv wie nie zuvor, erst recht in der vollwertigen VR-Version des Spiels. Die bekam der nun frisch zum Jubiläum erschienene Teil acht, »Resident Evil Village«, nicht spendiert. Dafür profitiert er nicht nur grafisch von der Hardwareleistung der neuen Konsolen. Daneben bietet der achte Teil weitgehend, was die Serie groß machte, und schließt nahtlos an den Vorgänger an. Protagonist ist ein weiteres Mal Ethan Winters, der nach den grausamen Ereignissen in den Sümpfen von Louisiana mit seiner Frau Mia in Osteuropa Zuflucht gesucht hat. Bis ein alter Bekannter in sein Haus einbricht, Mia tötet und ihr Baby kidnappt: Chris Redfield. Als S.T.A.R.S.-Agent gehört er eigentlich zu denen, die seit Teil eins gegen den Umbrella-Konzern kämpfen, der mithilfe von biochemischen Experimenten die Weltherrschaft anstrebt. (...) Lars Tunçay

Ultima Online (1997)

Ultima Online (1997)

Der Klassiker

Es war schon ein ziemlich ausgeklügeltes System, das sich Richard Garriott für »Ultima Online« einfallen ließ. In dem ersten modernen Online-Rollenspiel interagierten tausende Spieler miteinander über das damals noch sehr junge World Wide Web. Um eine glaubwürdige Welt zu simulieren, erschuf Garriot mit seinem Team von Origin Systems eine »virtuelle Ökologie«: Pflanzen wuchsen wie in der echten Welt und produzierten Nahrung für Pflanzenfresser, die sich untereinander vermehrten und wiederum von Fleischfressern verputzt wurden. In der Theorie war das eine gute Idee – bis die Spieler auf die Server kamen. Denn alles, einfach alles, was sich auf der Karte bewegte, wurde von ihnen massakriert. Als eine Heuschreckenplage bezeichnet Garriot sie in einem Interview mit dem Tech-Blog Ars Technica. Die liebevoll gebaute virtuelle Ökologie starb in dem Moment, als die Server ächzend online gingen. Zu groß war die Freude der Spieler, sich über das Web durch eine digitale Welt mit okayer Grafik zu bewegen. Weil sich Spieler damals noch via Modem in das Web einwählten, beliefen sich die Telefonrechnungen bei manchen auf mehrere hundert D-Mark pro Monat. Im August 2021 war das Spiel immer noch live und bietet sogar einen kostenlosen Spielmodus an. Na dann, auf nach Britannia! Denis Gießler

F1 2021

F1 2021

Plattform: PC, PS4, PS5, Xbox One, Xbox Series / Entwickler: Codemasters / Anbieter: Electronic Arts / Preis: 69,99 €

Electronic Arts (EA) holt sich die Pole Position: Mit dem Erwerb von Codemasters ist der Publisher nun nahezu konkurrenzlos auf jeder Piste. Rund 1,2 Millionen US-Dollar ließ der Konzern für den traditionsreichen britischen Entwickler springen. Neben den erfolgreichen Serien »Grid«, »Project Cars« und dem Rallye-Renner »Dirt« erwirbt EA damit auch die Exklusivrechte an der Formel 1 und das Entwicklerteam, das deren größte Rennspiel-Serie zum Sieg führte. Für Fans der Reihe hat das zunächst keine spürbaren Auswirkungen. »F1 2021« ist ein gewohnt gutes Erlebnis, technisch auf der Höhe und mit einigen neuen Ideen. So kann man jetzt im Story-Modus »Breaking Point« den Rookie Aiden Jackson bei seinem Einstieg in die F1 begleiten. Dabei steigt man nach dramatisch inszenierten Cutscenes immer am entscheidenden Punkt eines Rennens ein. Vorteilhaft, wenn man den langen Weg aus Vorbereitung, Qualifying und Renntag abkürzen will. Allerdings sind die Aufgaben ganz schön fordernd. Gut, dass man den Realitätsgrad der Steuerung nach eigenem Ermessen einstellen kann. Wer den langen Weg nicht scheut, findet in »My Team« das volle Paket aus Management, Forschung, Sponsoring und Rennsimulation und hat dabei alle Entscheidungen in der Hand. Hinzu kommen die Rennen der F2-Saison, Zeit- und Einzelherausforderungen. Alles in allem ist »F1 2021« also mehr als nur ein jährliches Update. Es bleibt abzuwarten, ob sich das unter dem neuen Geldgeber zukünftig ändern wird. Lars Tunçay

Chernobylite

Chernobylite

Entwickler + Publisher: The Farm 51 / Plattform: PC, Konsolen kommen später / Preis: 20 €

Mit dieser »Zone« stimmt etwas ganz und gar nicht, das wissen Leser des Romans »Picknick am Wegesrand« gleich nach den ersten Seiten. Im sowjetischen SciFi-Klassiker der Brüder Strugatzki aus dem Jahr 1971 entsteht durch eine außerirdische Kraft die sogenannte Zone, in der allerlei seltsame Dinge geschehen. Abenteurer und Schatzjäger, die Stalker, wagen sich hinein und suchen nach wertvollen Artefakten. Hätten die Strugatzki-Brüder ihre Idee im 21. Jahrhundert in einem Computerspiel umgesetzt, es hätte wie »Chernobylite« aussehen können. In dem Survival-Spiel existiert die Zone um den havarierten Atomreaktor von Tschernobyl. Anders als im Spiel »Stalker« (2004) ist »Chernobylite« ein SciFi-Game. Das namensgebende Material ermöglicht uns, Wurmlöcher zu erzeugen, durch die wir reisen. Das ist praktisch, weil wir als Physiker in der Zone nach unserer Frau suchen, die im April 1986 spurlos verschwand. Unterwegs gründen wir eine Basis, bauen ein Team auf, suchen in kleineren Level-Gebieten nach Krimskrams und merken schnell: Das ist alles ganz schön öde. Auf der ständigen Suche nach »craftbarem« Material werden die fast fotorealistischen Level zur Staffage, sind nicht mehr als ein Vorwand für die immer gleiche Spielmechanik. »Chernobylite« wäre ein besserer »Walking Simulator« geworden. Hätten die Brüder Strugatzki das Spiel gesehen, sie hätten den Titel geändert in: »Sammelwahn am Wegesrand«. Alexander Praxl