Die Saat des heiligen Feigenbaums
IRN/D/F 2024, R: Mohammad Rasoulof, D: Missagh Zareh, Soheila Golestani, Mahsa Rostami, 168 min
Viele Filmemacher aus dem Iran versuchen, die politische und gesellschaftliche Situation in der islamischen Republik zu beschreiben. Wie aber kann man den Glauben und das Vertrauen in den Staat mit einer kritischen Haltung transportieren und dem Westen die Augen öffnen für die wirkliche Realität der Menschen im Iran? Dem Autor und Regisseur Mohammad Rasoulof (»Doch das Böse gibt es nicht«, Goldener Bär 2020) gelingt das über eine unmittelbare, subjektive Perspektive. Dafür wird er auf Festivals weltweit gefeiert. In seinem neuen Film beschreibt er die Auswirkungen der entflammenden Studentenproteste nach dem Tod der 22-jährigen Jina Mahsa Amini aus dem Blickwinkel einer Familie in Teheran. Vater Iman ist gerade zum staatlichen Ermittler befördert worden. Seine Unterschrift entscheidet, wer zum Tode verurteilt wird, doch eine Wahl hat er nicht. Sein neuer Posten hat direkten Einfluss auf seine Frau und die beiden Töchter, die von nun an in ständiger Angst leben müssen. Und all das für eine Vierzimmerwohnung? Seine Frau Najmeh nimmt es hin und will den Glauben an den Staat nicht verlieren. Die 21-jährige Rezvan und ihre jüngere Schwester erleben hingegen unmittelbar die gewaltvolle Repression auf der Straße. Mit starken Bildern und in beklemmenden Atmosphäre schildert Rasoulof nachvollziehbar und ungefiltert den Alltag der Familie. Für sein kraftvolles Plädoyer gegen die Todesstrafe wurde der Filmemacher selbst zum Tode verurteilt, konnte aber rechtzeitig nach Deutschland fliehen. Seine mutigen Darstellerinnen leben weiterhin im Iran. LARS TUNÇAY