Architecton
D/F 2023, Dok, R: Victor Kossakovsky, 98 min
Der vielfach ausgezeichnete Regisseur Victor Kossakovsky (»¡Vivan las Antipodas!«) beweist mit seinem neuen Dokumentarfilm »Architecton«, dass die industrielle Bauweise – wie der gesamte postindustrialisierte Lebenswandel – unerfüllt bleibt, weil etwas Wesentliches verloren geht: die Langsamkeit. Dies jedoch mit dem Vorschlaghammer zu demonstrieren, bricht »Architecton« beinahe das Genick. Die Episoden mit Architekt Michele De Lucchi, in denen gezeigt wird, wie der Padrone in seinem Garten unter fachkundigen Kommandos einen Steinkreis anlegen lässt, nachdem er lebenslang Hochhäuser in den Himmel hat schießen lassen, haben einiges an Schauwert und versteckter Komik. Die langen Slow-Motion-Episoden, in denen gezeigt wird, wie Zement abgesprengt und verarbeitet wird, wirken zunächst noch visuell überwältigend, erweisen sich aber mit zunehmender Länge des Films als Geduldsprobe. Zwar spielt »Architecton« überwiegend in Zementwerken, aber die Kritik an einer industriellen, schnellen Bauweise wirkt eher verkalkt. Regisseur Victor Kossakovsky ist nicht der Erste, der uns daran erinnern will, zurück zur Natur zu finden. Im Kino zu erleben, dass man in einer unnatürlichen Welt lebt, ist ironisch. Die Schwarz-Weiß-Episoden bieten indes einiges an ästhetischem Erlebnis, weil sie einen Gefühlszustand verdeutlichen und keine Botschaft darüber hinaus vermitteln wollen, die man schon zu oft gehört hat. Daniel Emmerling