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Bernhard Schlink

Bernhard Schlink

Mord und Marmelade

Bernhard Schlink. 224 S.

Das 68er-Gedächtnis-Jahr läuft auf vollen Touren. Jetzt legt Bernhard Schlink dazu einen Roman vor: »Das Wochenende«.Darin lässt er ein paar ehemalige Revoluzzer in einer brandenburgischen Villa zusammenkommen. Anlass ist die Entlassung Jörgs, der wegen mehrfachen Mordes 20 Jahre im Gefängnis verbrachte und nun mit einer von seiner Schwester Christiane organisierten Party sein Leben neu starten soll. Doch wohin?Während die alten Kumpels längst im bürgerlichen Leben angekommen sind, hängt Jörg noch immer den alten Träumen hinterher - und der alten Sprache. Überhaupt, die Sprache, sie ist das Unglück, aber auch das Glück dieses Romans. Etliche der vielen Redner werden nicht zu lebendigen Figuren, weil sie fast unentwegt damit beschäftigt sind, wohlfeile, druckreife weltanschauliche Vorträge zu halten. Dazu gerät Schlinks glasklarer, warmherziger Ton mitunter in einen altbackenen-Romantiker-Sound: »Wehmut zog ihnen durchs Herz und Mitgefühl, füreinander und für sich selbst.« Andererseits blitzt immer wieder die Beschreibungspotenz dieses Autors auf. So vermag er, die Tochter des Geschäftsmannes in einem Satz zu charakterisieren. Großartig. Oder das stimmige Anfangsbild, in dem schon alles steckt, was diese Geschichte ausmacht: »Im Rückspiegel ging die Sonne auf - sie wäre ihr lieber entgegengefahren als vor ihr davon, auch wenn es sie geblendet hätte.« Während zum Frühstück auf dem Lande Marmeladenbrötchen bestrichen werden, kreisen die Gedanken und Gespräche um einen Krieg, den die meisten inzwischen als falsch betrachten. Nur: All das ist bekannt. Neu ist höchstens die szenische Gestaltung dieser Gedächtnis-Tage. Aber wenn ein so raffinierter, intelligenter, genauer Erzähler wie Schlink sich dabei regelmäßig zum banalen Aufsatzstil hinreißen lässt (»Immer wieder fielen ihnen weitere Begebenheiten ein«), dann gerät der Lesegenuss ins Konfitürig-Klebrige. So bleibt am Ende ein gemischtes Gefühl: Schlink kann so viel, vor allem kann er es besser. Jonas Jöche


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