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Eva Sichelschmidt: Bis wieder einer weint

Eva Sichelschmidt: Bis wieder einer weint

Eva Sichelschmidt: Bis wieder einer weint. 480 S.

Unter dem Aufstieg und Fall einer ganzen Familie macht es Eva Sichelschmidt nicht. Dieses Mal sind gleich drei Generationen einer Familie am Fallen. Aber zunächst dürfen sie aufsteigen, im Nachkriegsdeutschland, im Fantasieort Schwelte, am Rand des Ruhrgebiets. Im Zentrum stehen die Rautenbergs. Inga, eine Arzttochter, heiratet sich in die durch Dressurreiten reich gewordene Familie ein. Ihr Mann Wilhelm, ein verkappter Homosexueller, hat mit Inga zwei Töchter. Nur wenige Zeit nach der zweiten Geburt stirbt Inga an Leukämie. Danach geht es bergab, und zwar alles. Wie bereits in ihrem Debüt stellt ­Sichelschmidt dem das Panorama zwischenmenschlicher Tragödien liefernden, allwissenden Erzähler eine Innensicht zur Seite. Diese zweite Stimme gehört Suse, der jüngsten Tochter, die zunächst bei ihren Großeltern aufwächst. Ohnehin beschreibt die Autorin wieder das, was sie kennt, denn geboren und aufgewachsen ist auch sie im eher ­grünen Teil des Ruhrgebiets. Der Geist der Freikirchen ist dort stark. Die dadurch geschnürte Lebenskorsage und Skandalisierungssucht kann sich gut mit der einer jeden Telenovela messen. Entsprechend klischeebehaftet sind auch die Figuren dieses Romans, treffen dabei aber tatsächlich einen passenden Querschnitt durch die Ruhrauen. Einem hohen Vorhersagbarkeitswert zum Trotz liest sich Sichelschmidts mit spitzem Ton geschriebene und vor Retromanie platzende, westdeutsche Zeitreise stets wie ein berauschender Sturm im Wasserglas, von dem keiner seinen Blick zu lösen vermag.   Marcel Hartwig


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