Gagarin – Einmal schwerelos und zurück
F 2021, R: Jérémy Trouilh, Fanny Liatard, D: Finnegan Oldfield, Jamil McCraven, Lyna Khoudri, 98 min
1961 wurde der Wohnkomplex Gagarin am Rande von Paris entwickelt, um dem steigenden Bedarf an Wohnungen gerecht zu werden. Benannt nach dem sowjetischen Kosmonauten, der 1963 tatsächlich den Bau besuchte, sollte der Ort in die Zukunft weisen. Zwei Jahrzehnte später ist er aber so verfallen, dass die Stadt mit dem Rückbau beginnt. Der 17-jährige Youri ist hier aufgewachsen. Er teilt mit seinem Namensvetter die Leidenschaft für den Weltraum, beobachtet mit seinem Teleskop aber lieber Diana, die in einer Roma-Siedlung neben wohnt. Vom Vater verlassen und der Mutter vernachlässigt, findet Youri bei Freunden und Nachbarn Rückhalt. Der bricht allerdings abrupt weg, als das Räumungskommando kommt. Youri weigert sich, den Bau zu verlassen und verschanzt sich in seiner eigenen Raumstation inmitten des Komplexes.
Fanny Liatard und Jérémy Trouilh wurden 2014 damit beauftragt, ein dokumentarisches Porträt der Bewohner des Stadtteils zu drehen. In den Monaten vor dem Abriss der Plattenbauten entstand ein gemeinsamer Spielfilm, der 2020 im Wettbewerb des Filmfestivals in Cannes seine Premiere feiern sollte. Dazu kam es pandemiebedingt zwar nicht. Der sehenswerte Film erhielt aber trotzdem das Cannes-Siegel und kommt nun endlich auch in unsere Kinos. Erfreulich, denn das fantasievolle, romantische Sozialdrama überzeugt mit poetischen Bildern und einem erfrischenden Cast aus dem Alseni Bathily, der hier sein beeindruckendes Schauspieldebüt gibt, und Lyna Khoudri (»The French Dispatch«) herausstechen. Lars Tunçay