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Henner Kotte

Henner Kotte

Jenseits der Helden

Henner Kotte. 400 S.

Eine mumifizierte Leiche, die vor achtzehn Jahren in einem Baum entdeckt, aber niemals identifiziert wurde, und ein Anwalt, der mitten im wichtigsten Prozess seines Lebens spurlos verschwindet: Mit diesen beiden Fällen schlagen sich die Kommissare in Henner Kottes nach »Abriss Leipzig« und »Titelhelden« drittem Leipzig-Krimi herum. Zunächst sieht es danach aus, als müssten sie sich an beidem die Zähne ausbeißen.Nach wenigen Seiten gewinnt man jedoch den Eindruck, dass es gar nicht so sehr um die zwei Fälle, sondern vor allem um die Figuren selbst geht. Kotte präsentiert keine stahlharten Hochglanzermittler, dafür stattet er seine Figuren mit einer Unzahl Schrullen aus und lässt sie oft herzzerreißend unbeholfen wirken. Ob der zwangspensionierte Major aus DDR-Zeiten, der nach einem Überfall querschnittsgelähmte Kollege oder die mit ihrer Libido ringende Kommissarin aus Baden-Württemberg: Jede von ihnen wird gerade durch ihre ganz persönlichen Schwächen und Unzulänglichkeiten lebendig. Leider wird die eigentliche Polizeiarbeit dadurch bisweilen in den Hintergrund gedrängt und versinkt hinter heimlich versteckten Blümchen und dem wehmütigen Hadern mit der eigenen Vergangenheit. Schade auch, dass Kotte immer wieder lange Passagen einstreut, in denen er hingebungsvoll alte Ost-West-Befindlichkeiten erörtert, während die eigentliche Handlung zum Erliegen kommt. Doch dazwischen blitzt immer wieder auf, was in jeden anständigen Krimi gehört: nieder-trächtige Machenschaften und eine Handvoll Tote. Und da ist Kotte alles andere als zimperlich, er versteht sich prächtig aufs Makabre. Am Ende ist es ein ziemlich verschlungener Pfad, auf dem sich die Ermittler zur großen Auflösung vorankämpfen. Aber diese überrascht durchaus, und so behält gegenüber dem manchmal etwas gewollt wirkenden Ge-fühlskino doch noch solide Krimi-Unterhaltung die Oberhand. André Ziegenmeyer


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