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In Zeiten des abnehmenden Lichts

In Zeiten des abnehmenden Lichts

DDR-Buddenbrooks

D 2017, 101 min, R: Matti Geschonneck; D: Bruno Ganz, Hildegard Schmahl, Sylvester Groth »In Zeiten des abnehmenden Lichts« bedurfte es einer gewaltigen Kompression. Während der über 500 Seiten lange Roman von Eugen Ruge einen Zeitraum von 1952 bis 2001 abdeckt und unter anderem in Mexiko und der sowjetischen Provinz spielt, konzentriert sich das Drehbuch von Wolfgang Kohlhaase auf den 90. Geburtstag des Protagonisten Wilhelm Powileit. Diesen begeht der originelle und leicht demente stalinistische Hardliner in einer Berliner Villa - für ihn unglücklicherweise im Oktober 1989, zu einem Zeitpunkt, als die meisten seiner Mitbürger das gesamtgesellschaftliche Unternehmen »Deutsche Demokratische Republik« aus dem Blick verloren haben, sich aus dem Staub machen oder - wie die nach Powileit benannte Molkereibrigade - versuchen, Ost-Käse herzustellen, der wie West-Käse schmeckt. Ungeachtet dessen machen viele ihre Aufwartung. Sohn Kurt, willensschwacher Historiker der Arbeiterklasse, seine alkoholkranke Frau und Russlandaussiedlerin Irina geben neben anderen die Gratulanten. Der goldene Stern der Völkerfreundschaft wird verliehen. Gerahmt von der Feier entfalten sich die Biografien und Charaktere der Powileits, so dass sich die Zeitgeschichte vor allem der zerfallenden DDR in der Geschichte dieser Familie spiegelt. Dabei treffen exzellentes Schauspiel und sorgfältig gewählte Details - Bemerkungen, Blicke, Bewegungen - auf eine Erzählweise, die mehr dem Theater als dem Kino eigen ist. Auf die dem Medium eigene Möglichkeit, mühelos zwischen Orten und Zeiten, zwischen Kontinenten und Dekaden zu wechseln, verzichtet der Film zugunsten der Verdichtung auf diesen einen Tag, am dem nicht nur ein 90. Lebensjahr abgeschlossen wird, sondern eine ganze Epoche. Das Ende naht, das weiß auch Genosse Powileit: »Das ist mein letzter Geburtstag!« Sebastian Gebeler


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