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James Boswell

James Boswell

Die Mutter aller Biografien

James Boswell. 818 S.

Samuel Johnson (1709-1784) hat man sich als deutscher Leser ungefähr vorzustellen wie eine Mischung aus den Brüdern Grimm, Lessing und Marcel Reich-Ranicki. Das funktioniert natürlich nicht. Denn: So einen wie Johnson haben wir nicht, haben wir nie gehabt, werden wir nie haben. In seiner Heimat ist der Lexikograf, Schriftsteller und Literaturpapst Dr. Johnson freilich der meistzitierte Autor nach Shakespeare und gehört zum festen Bestand auch der populären Kultur. Unvergesslich beispielsweise die 3. Staffel der genialen BBC-Fernsehserie »Blackadder«, in der Kronprinz George und die Hofschranze Edmund Blackadder (Rowan Atkinson) dem wackeren Dr. Johnson das Leben zur Hölle machen. Letzterer wird übrigens von dem wunderbaren Robbie Coltrane gespielt, dem Halbriesen Hagrid aus den »Harry Potter«-Filmen. Die Lebensleistung des realen Johnson besteht indes in seinem monumentalen »Dictionary of the English Language«, dem damals bedeutendsten Wörterbuch der englischen Sprache. Selbst die nüchterne Lexikografie würzte Johnson mit seinem unwiderstehlichen Humor. Unter dem Lemma »Lexicographer« liest man zum Beispiel die Erklärung: »a writer of dictionaries, a harmless drudge« (»ein Verfasser von Wörterbüchern, ein harmloses Arbeitstier«). Ansonsten muss man, um ehrlich zu sein, von Johnson eigentlich nichts kennen (es sei denn, man studiert Anglistik) - dafür aber unbedingt die Lebensbeschreibung, die sein Freund James Boswell verfasst hat: »The Life of Samuel Johnson« (1791) ist die Mutter aller modernen Biografien und steckt voller geflügelter Worte und hemdsärmeliger Denkwürdigkeiten. Nebenbei erhält man einen schönen Einblick in die englische Kultur des 18. Jahrhunderts. After all verdankt Dr. Johnson seine Unsterblichkeit mindestens in demselben Maße Boswells brillanter Biografie wie seinem eigenen Werk. Olaf Schmidt


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