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Jens Harder: Gilgamesch

Jens Harder: Gilgamesch

Jens Harder: Gilgamesch. 144 S.

Die Geburt der Zivilisation durch Mauerbau: Die Wälle Uruks werden hochgezogen, die erste Stadt der Menschheit steckt ihr Hochkulturareal von der Wildnis ab. Gilgamesch heißt der legendäre Herrscher der Sumerer, dem der Mythos diese Tat zuschreibt. Gleichnamiges Epos gilt als ältestes literarisches Werk, fantasievoll ist es allemal – und verräterisch. Denn Gilgamesch wird mit Enkidu ein wilder Mann als Gefährte zur Seite gestellt, der ihn an seine kreatürliche Seite erinnern soll. Die Janusköpfigkeit des Menschen als Natur-Kultur-Wesen wird also schon zu Beginn der Überlieferung ausgewiesen. Das macht Gilgamesch zu einem Muss für Jens Harder. Der Comic-Zeichner beschäftigt sich seit Jahren mit der Widerstandslinie Mensch-Natur, der Evolution und Humangenese. In der Serie »Leviathan« etwa, ein Crossover aus »Moby Dick«-Adaption und mythologischen Elementen, ringt ein Wal mit verschiedenem Seegetier. Menschen in Booten treten auf, ein Titanenkampf beginnt, der symbolisch steht für den Widerspruch von Natur und Technik. Das Meer wird hier gleichsam als Ursuppe dargestellt, aus der einst das irdische Leben entsprang. »Gilgamesch« nun ist wie ein Mosaik aus Steintafeln gestaltet. Der in Fußleisten organisierte Text orientiert sich an drei Übersetzungen. Die Zeichnungen wirken wie eine modernisierte Form assyrischer Reliefs, formal wie inhaltlich. Deutliche Outlines, zurückhaltende Schattierungen und sandfarbener Ton zitieren die mesopotamische Ästhetik, die typische Maskenhaftigkeit und Statik der Figurendarstellung halten die antike Anmutung lebendig. Harder hat damit eine fantastische Urerzählung ins Heute transportiert, ihren Charakter erhalten, nur vom Staub befreit. Ein Opus magnum. Tobias Prüwer


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