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Judith Zander

Judith Zander

Vielstimmiges Schweigen - Lang, aber nicht langatmig: Judith Zanders »Dinge, die wir heute sagten«

Judith Zander. 480 S.

In Bresekow, einem öden Ort in Vorpommern, scheint die Langeweile an jeder Ecke hervorzugrinsen. Freilich passieren auch hier die Dinge, die eben so passieren: Schule, Ausbildung, Arbeit, keine Arbeit, Liebe, Seitensprung, Freundschaft, Dorffest. In fortlaufenden Monologen kommen die Dorfbewohner zu Wort, legt jeder seine eigene Sichtweise und sein eigenes Erleben dar. Erst nach und nach werden Verbindungslinien deutlich, scheint eine Geschichte hinter den Geschichten auf, ein Geheimnis, das den Leser immer mehr in Bann zieht. Langsam kommt in den Monologen zur Sprache, was eigentlich von Schweigen begraben ist. Unterbrochen wird dieser Reigen vom Chor der Gemeinde und Übersetzungen von Beatles-Songs.Die Montage der Stimmen aus verschiedenen Generationen und Hintergründen ist kunstvoll arrangiert, und das Händchen für Metaphern und Vergleiche, das Judith Zander schon in ihrer Lyrik bewiesen hat, darf man auch in ihrem Roman bewundern: »So musstest du nicht gleich seine hellbraunen Augen bemerken, die aufgescheucht in ihrem Gehege umherflitzten wie Wachtelküken.« Auch sonst hat es die Sprache in sich: Jede Figur besitzt ihre eigene Erzählweise und ihren eigenen Stil. Das ist konsequent und gelungen durchgezogen, zeugt von der Beobachtungsgabe der Autorin und schafft eine realistisch-authentische Nähe zwischen Figuren und Leser. Irritierend ist nur der Pfarrer, der eher an eine alte Bibel-Übersetzung erinnert als an eine lebendige Person.Liest man die Monologe vieler Personen, eröffnen sich auch viele Perspektiven auf eine Sache. Das muss nicht unbedingt bedeuten, dass sich die verschiedenen Erzählungen wie Mosaiksteinchen zu einem stimmigen Gesamtbild fügen. Zander beweist Mut zur Länge - und so ganz nebenbei, dass dicke Bücher nicht langatmig sein müssen. Grundkenntnisse des Plattdeutschen sind bei der Lektüre von Vorteil. Franziska Reif


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