Kalle Kosmonaut
D 2022, Dok, R: Tine Kugler, Günther Kurth, 99 min
Die Allee der Kosmonauten ist Kalles Zuhause. Was nach großer Sehnsucht und dem Greifen nach den Sternen klingt, ist vielmehr trister Alltag für viele Berliner Kinder: eine Plattenbausiedlung in Marzahn-Hellersdorf. Kalles Vater will nichts mit ihm zu tun haben, seine Mutter hat kaum Zeit für ihn, der Opa verliert sich in DDR-Nostalgie und die Oma hat zu spät den Absprung aus der Alkoholsucht geschafft, um noch ein gutes Vorbild für ihn zu sein. Trotzdem ist Kalle eigentlich »ein lieber Kerl«, wie sogar die Polizisten und Polizistinnen feststellen, die regelmäßig mit ihm zu tun haben. Das nützt ihm letztlich aber leider auch nichts – mit 17 landet Kalle im Gefängnis, er hat im Drogenrausch einen anderen Menschen angegriffen. Tine Kugler und Günther Kurth begleiten Kalle in diesem eindrücklichen Dokumentarfilm über einen Zeitraum von zehn Jahren, von seinen Ausflügen durch die Siedlung bis zur Entlassung aus dem Gefängnis und seinem schwierigen Weg zurück in die Normalität. Kalle erzählt meistens selbst, reflektiert, rappt und erträumt sich eine bessere Zukunft. Seinem Sohn will er ein guter Vater sein, die Frage ist nur, wie er das anstellen soll. Ohne Romantisierung, ohne großes Drama und mit pointiertem Einsatz von Animation schildern Tine Kugler und Günther Kurth Kalles Geschichte. Und zeigen auch, dass es manchmal nicht reicht, ein lieber Kerl zu sein, wenn dein Umfeld dir keine Perspektiven bietet. HANNE BIERMANN