May December
USA 2024, R: Todd Haynes, D: Natalie Portman, Julianne Moore, Charles Melton, 113 min
Es ist die Liebe, die nicht sein darf, die Regisseur Todd Haynes immer wieder fasziniert. Die Beziehung zwischen einem Afroamerikaner und einer weißen Hausfrau in den 1950ern in »Dem Himmel so fern« etwa, oder die Liebe zwischen zwei Frauen in »Carol«. In »May December« setzt er sich nun mit einer wahren Liaison auseinander, die durch den Altersunterschied von mehr als zwanzig Jahren zum Fall für die Justiz wurde. Ebenso lange ist es her, dass die damals 36-jährige Gracie ins Gefängnis wanderte, weil sie eine Affäre mit dem 13-jährigen Joe begann. Die Liebschaft ging durch die Medien, Gracie hat ihre Strafe abgesessen und zwei Jahrzehnte später scheint endlich Ruhe eingekehrt zu sein, in die Ehe der beiden. Ihre gemeinsamen Kinder stehen kurz davor, das Nest zu verlassen, da tritt die Schauspielerin Elizabeth in ihr Kleinstadtleben. Sie soll Gracie in einem Film über die Ereignisse verkörpern. Ihre Fragen reißen verheilt geglaubte Wunden wieder auf. Gracie sieht sich mit dem moralischen Dilemma konfrontiert, das sie bislang erfolgreich verdrängte. Joe stürzt die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit in eine tiefe Lebenskrise. Haynes zeigt ambivalente Figuren in einer verlogenen amerikanischen Gesellschaft. Im Mittelpunkt: die überragenden Oscarpreisträgerinnen Julianne Moore und Natalie Portman. Der verstörende Soundtrack und die Kamera von Christopher Blauvelt (»First Cow«) tragen zur dichten Atmosphäre dieses meisterhaften Charakterdramas bei. Lars Tunçay