Menschliche Dinge
F 2021, R: Yvan Attal, D: Charlotte Gainsbourg, Mathieu Kassovitz, Pierre Arditi, 138 min
Mit ihrem Erfolgsroman »Menschliche Dinge« lieferte Karine Tuil einen schonungslosen Kommentar zur #MeToo-Debatte. Inspiriert wurde er vom »Stanford-Fall«, bei dem der 19-jährige Elite-Student Brock Turner nach nur drei Monaten Bewährungsstrafe das Gefängnis verließ, nachdem er eine bewusstlose Studentin vergewaltigt hatte. Regisseur Yvan Attal (»Die brillante Mademoiselle Neïla«) adaptierte den Stoff als facettenreiche Studie über Machtausübung – und zwar als Familienprojekt: Seine Frau Charlotte Gainsbourg spielt Claire Farel, ihr gemeinsamer Sohn Ben Attal Claires Sohn Alexandre. Die Farels sind angesehene Intellektuelle. Claire steht als feministische Essayistin im Fokus der Öffentlichkeit. Ihr deutlich älterer Ex-Mann Jean ist erfolgreicher Fernsehmoderator. Als der in San Francisco lebende Alexandre auf Heimatbesuch in Paris ist, lernt er Mila kennen, die Tochter von Claires neuem Lebensgefährten Adam. Bei einer Party nähert sich der 23-Jährige der 17-Jährigen. Am darauffolgenden Tag steht die Polizei vor der Tür von Jean und verhaftet Alexandre. Er soll Mila vergewaltigt haben. Yvan Attal zeigt in seinem ambivalenten, exzellent gespielten Familiendrama den Abend und seine Auswirkungen aus beiden Perspektiven und überlässt die Gedanken bis zu einem gewissen Punkt dem Publikum. In den finalen Plädoyers vor Gericht wird dann allerdings alles noch einmal zusammengefasst und abgewogen – und Attals Erzählung dehnt sich auf knapp zweieinhalb Stunden Laufzeit. Lars Tunçay