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Miha Mazzini: Deutsche Lotterie

Miha Mazzini: Deutsche Lotterie

Miha Mazzini: Deutsche Lotterie. 160 S.

Den Appeal eines Schreibschulen-Romans wird »Deutsche Lotterie« bis zur letzten Seite nicht los. Dabei ist Miha Mazzini ein gestandener slowenischer Autor. Aber seine deutsche Erstveröffentlichung weist alle Allüren auf, mit denen ein Literaturinstitut-Erstling einem das Lesevergnügen typischerweise vergällt. Grundmuster: Eine nette Idee, die zur Novelle oder zum Theaterstück taugt, wird als Roman ausgerollt. Ein intellektuell eher schlichter junger Mann arbeitet im Jugoslawien der frühen Nachkriegszeit als Dorfpostbote. In der reiferen Zora findet er beim Verheddern in der Wäscheleine seine Amour fou, der zuliebe er in die »Deutsche Lotterie« ihres Ehemannes einsteigt: einem angeblich von Stuttgart aus agierenden Wiedergutmachungsunternehmen der Bundesregierung, das Lebensmittelkarten und Geld als Kriegsschuldeingeständnis an Bedürftige verteilt. Der Briefträger organisiert die praktische postalische Arbeit. Bald stellt der Idealist fest, dass handfeste materielle Interessen dahinterstecken und Zora so reinen Herzens nicht ist. Er heiratet sie dennoch, wie er seinem Enkel berichtet. Denn Mazzini hat die schrullige Gaunerei nicht einfach aufgeschrieben, sondern schildert sie in der historischen Rückschau mündlich dem namenlosen Nachgeborenen. Das führt zu einer gewissen Langatmigkeit, weil der Monolog ständig durch Anspielungen auf Ereignisse der Gegenwart und Erwähnungen irgendwelcher Formulare unterbrochen wird. Der Fernseher wird abgemeldet – geht der Erzähler ins Altersheim? –, früher waren Uniformen wichtiger. Und so weiter. Das soll dem Roman einen realistischen Rahmen geben, bläht ihn aber nur unnötig auf. Auch die überlange Einführung in den Zweiten Weltkrieg und die darauffolgende Blockstaatenkonfrontation, Tito, Stalin, Sozialismus machen die »Deutsche Lotterie« zu einer ziemlich zähen Angelegenheit. Tobias Prüwer


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