Only the River Flows
CHN 2023, R: Shujun Wei, D: Yilong Zhu, Chloe Maayan, Tong Lin Kai, 101 min
Eine Kleinstadt an der ostchinesischen Küste im Jahre 1995 – Die Zeitangabe, die Wei Shujun seinem Thriller »Only the River flows« voranstellt und die sich deutlich in der grobkörnigen VHS-Optik widerspiegelt, ist wichtig. Denn als der Mord an einer älteren Frau geschieht, hat Detective Ma Zhe keine Computer-Datenbank zur Verfügung. Die Ermittlungen sind Handarbeit. Mit seinem Team bezieht er ein leer stehendes Kino und richtet sich ein Büro in der Vorführerkabine ein. Ein Verdächtiger ist schnell gefunden: Die alte Frau hatte einen geistig Behinderten bei sich aufgenommen. Der bleibt verschwunden. Dafür tauchen weitere Verdächtige auf und auch weitere Opfer. Ma Zhe, der selbst bald Vater wird, verliert sich zunehmend in dem Fall, den seine Vorgesetzten am liebsten schnell zu den Akten legen würden. Alles läuft ein wenig langsamer in Wei Shujun Cannes-Beitrag. So werden potenzielle Mordwaffen an Schweinehälften ausprobiert und auf einer Kassette, die bei dem Mordopfer gefunden wird, ist ein Zug zu hören, den es zu ermitteln gilt. Shujun inszenierte die Romanvorlage von Yu Hua mit Anleihen an den Film Noir. Sein ambivalenter Held verfolgt einen Schatten durch die Gassen der Kleinstadt, während der endlose Regen über die Provinz schüttet. Zwischen den Zeilen erzählt »Only the River flows« dabei viel über den chinesischen Polizeiapparat, über versteckte Identitäten und verbotene Liebschaften. LARS TUNÇAY