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Sabrina Janesch

Sabrina Janesch

Galizien, wo die Hexen wohnen - In »Katzenberge« erzählt Sabrina Janesch von der polnischen Vertreibung

Sabrina Janesch. 276 S.

Seit den fünfziger Jahren sind ungezählte Bücher über Flucht und Vertreibung der Deutschen aus Schlesien und Ostpreußen geschrieben worden. Aber wer waren die Polen, die in all die leer stehenden Häuser eingezogen sind? Die waren auch vertrieben, nämlich aus den Teilen Ostpolens, die ab 1945 zur Sowjetunion gehörten, zum Beispiel aus Galizien. Darum hat sich die deutsche Literatur bisher noch nicht gekümmert. In ihrem Roman »Katzenberge« rekonstruiert Sabrina Janesch nun die polnische Vertreibung. Genauer gesagt: Sie lässt ihre Heldin, die junge Nele Leibert, die halb Deutsche, halb Polin ist, diese Geschichte rekonstruieren. Nele erhält von ihrer Familie den Auftrag, nach Galizien zu fahren. Dort soll sie die erste, fehlende Hälfte von Großvaters Geschichte aufspüren - diejenige, die vor Großvaters Ankunft in Schlesien stattgefunden und von der er nur in Bruchstücken erzählt hat. Nele reist nach Galizien, das heute zur Ukraine gehört. Dort findet sie nicht nur Großvaters Geburtsort, sondern erfährt auch das dunkle Geheimnis, das Großvater und seinen Bruder Leszek für immer entzweite.Abwechselnd von Nele und ihrem Großvater erzählt, entsteht die galizische Landschaft als eine verwunschene und unwirkliche Region voller Hexen, Geister und Dämonen. Zugleich verkörpern die galizischen Gespenster aber auch die Gedächtnisspuren von Krieg, Vertreibung und Massenmord. Der Roman ist raffiniert angelegt: Während Nele im Verlauf des Buches immer weiter nach Osten reist, vollzieht sich Großvaters Weg umgekehrt. Seine Erzählung fängt mit der Ankunft in Schlesien an und endet mit der eigenen Geburt in Galizien. Mit »Katzenberge« füllt Sabrina Janesch nicht nur eine wichtige Lücke im Erinnerungsdiskurs um Flucht und Vertreibung. Sie hat auch einen ebenso lehrreichen wie spannenden Roman geschrieben. Sabine Hartmann


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