Tom McCarthy

Klassiker sind eben nicht totzukriegen. So lässt sich das kleine »Tim und Struppi«-Revival auf den Punkt bringen. Bei Arte ist im Herbst die fünfteilige Dokumentarfilmreihe »Auf Reisen mit Tim und Struppi« gelaufen, die einige Stationen des bereits 80 Jahre alten Comic-Duos aus der Feder von Georges Remi Hergé geografisch nachzeichnet. Eine bibliophile Farb-Faksimilereihe der Comics ist bei Carlsen erschienen. Den Hintergrund der Geschichten beleuchtet nun das Sachbuch »Tim & Struppi und das Geheimnis der Literatur«.Darin taucht der Literaturkritiker Tom McCarthy in das Universum der in klaren Linien gehaltenen, aber haarsträubenden Abenteuer hinab. Er argumentiert kenntnisreich und mit vielen biografischen Details sowie mit Bezügen zur Literaturtheorie und Weltliteratur. Dabei wird klar: Hergés Werk gehört selbst zur Weltliteratur. Dass selbst noch die kleinsten Nebenfiguren wahre Charaktere statt blasser Statisten sind, zeigt McCarthy ebenso, wie er die zahlreichen Anspielungen und Zitate aus der Literatur vor Augen führt. Nicht unbetrachtet lässt er den politischen Hintergrund der Comics, die zunächst in einem Blatt des rechten Lagers publiziert worden waren, geht aber auch über Hergés Wandel zu liberaleren Positionen nicht hinweg.Während McCarthy fundiert den Symbolkosmos von Tim und Struppi dechiffriert und ausdeutet, lässt er eines nie außer Acht: Die Bildgeschichten bieten vor allem eine klasse Unterhaltung. So macht er deutlich, dass der o-förmige Titelheld mit den Stecknadelaugen in seiner minimalistischen Darstellung letztlich ein Jedermann ist - was vielleicht das Geheimnis seiner Popularität ausmacht. Tobias Prüwer