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Touch Me Not

Touch Me Not

Intimitätssimulation

RUM/D/F 2018, OmU, 125 min, R: Adina Pintilie, D: Laura Benson, Tomas Lemarquis, Christian Bayerlein Die bürgerliche Presse hat den Berlinale-Gewinner auf Grund expliziter Darstellung von Sexualität als »obszön« gelabelt. Bei denjenigen, die für identitätspolitische Forderungen nach gleicher Anerkennung und Sichtbarkeit von randständigen Sexualitäten offen sind, dürfte der Streifen allerdings keine Aufregung hervorrufen. In einer nur auf den ersten Blick experimentellen Erzählanordnung zeigt »Touch Me Not« drei Protagonisten in Situationen, in denen sie körperliche oder seelische Intimität erfahren. Die Mittfünfzigerin Laura kommt in ihrer Lust ohne Körperkontakt aus, Christian ist an spinaler Muskelatrophie erkrankt. Ihre sexuellen Identitäten und zum Teil abweichenden Körperbilder sowie die damit verbundenen Fetische und Emotionen leben sie aus oder besprechen sie in therapeutischen Situationen. Lauras Psychosomatik wird in mehreren Sessions mit einem spät geouteten Trans- und einem BDSM-Sexworker verhandelt. Christian besucht eine Gruppensitzung, in der sich Menschen mit und ohne Beeinträchtigung körperlich nahe kommen. Speichel läuft ihm unkontrolliert aus seinem Mund, aus seinem Gesicht, das ein Anderer abtastet. Berührter und Berührender erzählen sich anschließend, was sie fühlen. Neben der differenzierenden Darstellung von Intimität geht es Regisseurin Adina Pintilie auch darum zu fragen, wie es möglich ist, eine Nähe zu vermitteln, die sich im Verborgenen und in Abwesenheit derer abspielt, die sie nicht betrifft. Die Wechsel zwischen dokumentarischem und fiktionalem Erzählen, das häufige Offenlegen der filmischen Illusion, das Nebeneinander von Schauspielern, Laien und von Professionellen gespielten Laien deuten eine Reflexion des Mediums an. Für die Frage nach den Darstellungsmöglichkeiten von Intimität bleiben die verschiedenen Inszenierungen allerdings – und das ist die größte Schwäche des Films – leere Gesten und bedeutungslos. Sebastian Gebeler


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